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  • Themen-Fokus :: Musik

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    Ab geht die Post – oder: Ist der Zug schon abgefahren?

    Zugegebenermaßen ist die Überschrift kaum mit Musik in Verbindung zu bringen – noch nicht. Denn Bands, bei denen die Post abgeht, kennen wir alle, und weitere will ich heute vorstellen. Dazu möchte ich über ein musikalisches Kinderprojekt berichten, das sich zum Renner entwickeln wird. Also los!

    Atze Bauer Einiges ist dabei festgemacht an einem einzigen Musiker, an Stefan Maria Glöckner. Sein privater Rückzug auf das Maifeld scheint seiner Kreativität den letzten Kick gegeben zu haben. „Eigentlich bin ich ja ein Singer und Songwriter“, meint Glöckner. Und das anscheinend universal, denn mittlerweile schreibt und textet er auch für den Kölner Karneval und verhilft mit seiner markanten Stimme selbst Techno-Produktionen bekannter DJs in die Charts.

    Mich klärt er darüber auf, dass sein Hilfsprojekt Menino, mit dem er brasilianische Straßenkinder unterstützt, schon vor der gleichnamigen New-Latin-Pop-Gruppe existierte. „Die Band ist damals im Grunde wegen einer Wette entstanden“, so der Musiker. „Ich hatte die Idee, über Musik und über eine CD Geld für die Straßenkinder zu sammeln. Da kein Geld vorhanden war, habe ich große Firmen angeschrieben, vorab schon einmal zu bestellen – für den guten Zweck. Als ein Sponsor mich fragte, wie viele CDs ich denn verkaufen wolle, hab ich geantwortet: 5000 Stück.“ Der Sponsor hielt das nicht für möglich, verlor aber die Wette und löste sie ein, indem er höchstpersönlich einen Kasten Bier in den Probenraum brachte.

    Musik für einen guten Zweck macht die Band Menino nun schon seit 1993 und ist bis heute der stilistisch eigenen Musik treu geblieben. Dabei geht das brasilianische Temperament eine Liaison ein mit kraftvollen Trommelbeats und teils traumhaft schönen Melodielinien. Der Gesang von Komponist und Frontmann Glöckner experimentiert mit Sprachen: Brasilianisch, Englisch und Deutsch verschmelzen zum aussagekräftigen World-Mix, zur brasilianisch-kulturellen ‚Stilfalt‘. In der facettenreichen Rhythmik und Harmonik finden sich Elemente des Samba, des Reggae, des bahianischen Afro, aber auch Salsa und Ähnliches. Damit ist Menino bis heute nicht nur in Deutschland erfolgreich gewesen. Tourneen haben die Band in viele europäische Länder geführt. Dazu gab es Auftritte in Südafrika und eine große Tour durch Brasilien. Mehr als 250 Konzerte seit 1994, dazu zahlreiche Fernseh- und Rundfunktermine, Konzertkritiken und Berichte in fast allen großen Tages- und Wochenzeitungen – das ist eine stolze Bilanz. Und endlich seit mehr als 6 Jahren gibt es wieder eine CD, die sie derzeit live präsentieren und mit der sie in naher Zukunft auf Tour sein werden. Live ist Menino dabei erste Sahne. Und irgendwie nachhaltiger, jazziger. Ganz vorne lässt Stefan Maria Glöckner keinen Zweifel daran aufkommen, dass auch durchdachte Texte auf einer brillant gespielten Musik mitreißen. Bandmitbegründer Winfried Schuld hat nicht nur als Produzent und Aufnahmetechniker daran mitgewirkt, dass dieses musikalisch Unbeschreibliche von der Bühne schwappt und körperlich spürbar wird. Als Keyboarder und Akkordeonist stellt es sich an die Seite von Glöckner und lässt das, was die beiden sich mit der Band ausgedacht haben, auf schweißtreibende Art wirken. Mike Schaks Finger fliegen über die Basssaiten und liefern grandiosen Groove. Lulo Reinhardt, Gitarre, pendelt zwischen satten Riffs und einer trommelnden Akkord-Percussion, und Reto Mandelkow am Saxofon feuert gefühlvolle Ein-Mann-Bläsersets in den Soundhimmel. Bei all dem pulsiert der Rhythmus derart, dass im Saal die Menschen nicht nur begeistert applaudieren, sondern immer wieder „Mehr! Mehr!“ rufen. Das bekommen sie dann auch. Das geben ihnen vor allem Uli Krämer (Drums) und Jürgen Schuld (Percussion). Und das solltet ihr alle live erleben. Darum unbedingt hingehen! Übrigens hat Menino für sein kulturelles und soziales Engagement 2002 das Bundesverdienstkreuz erhalten.

    Und noch was: „Ringo Tingo ist Menino für Kinder“, sagt Stephan Maria Glöckner. Ringo Tingo ist die bunte Bahn, die auf ihren Reisen jede Menge Abenteuer erlebt. Mit ihr haben sich Stephan Maria Glöckner & Winfried Schuld an die junge Generation gewandt: 15 neue wundervolle Kinderlieder zum Mitsingen sind entstanden und auf dem Album „RingoTingo unterwegs“ veröffentlicht worden.

    Einer der Titel, „Am Amazonas“, konnte sich 2007 erneut unter 1.500 Einsendungen beim WDR-Kinderliederwettbewerb durchsetzen, wie schon 2004 der Titelsong „Ringo Tingo“. Und es gibt weitere Songs übers Reisen, über Gefühle, Dick & Dünn, einen Boxenstop oder einfach nur Musik zum Träumen. Eine musikalische Weltreise voller Ideen und origineller Texte. In einem Lied singt ein 10-jähriges Mädchen mit Ringo Tingo im Duett über ihre Sicht zum Thema Klimawandel. Zwischendurch erzählt Gerd Joseph Pohl von den Bonner Piccolo Puppenspielen mit sonorer Stimme kleine Geschichten zu den einzelnen Liedern. Aber auch hier gilt: Live ist besser! Da haben die Kids jede Menge Spaß, machen und singen mit und vergessen für einige Stunden ihren Kinderalltag. Und auch hier hat Helfen für Glöckner einen hohen Stellenwert. Mit einem Teil des Erlöses werden chronisch kranke Kinder unterstützt. Der „Bunte Kreis“ begleitet und unterstützt die Familien dieser kranken Kinder.

    So, zum Schluss noch zwei weitere Tipps für gute Musik – am besten live.

    Das Cécile Verny Quartett spielt „zeitlosen Jazz zwischen Weltmusik und Pop“. Damit hat die afrikanisch-französische Sängerin aus Freiburg mit ihren Mitmusikern eine große Fangemeinde um sich geschart. Kein Wunder: Der rassige Mix aus Jazz, Poesie und afrikanischen Grooves wirkt elektrisierend. Dabei ist die Musik ebenso authentisch wie sympathisch, genauso vielseitig wie virtuos. „Ich bin dankbar, meinen Beruf ausüben zu dürfen“, sagt Cécile Verny. „Ich singe, rede und lache gern. Wir als Band haben das große Glück, machen zu können, was wir wollen. Und dann muss man das auch mit Freude nach außen tragen. Es gibt Momente in dieser komplizierten Welt, in denen man die Augen schließen und einfach nur dankbar sein sollte.“ … und dabei die Musik des Cécile Verny Quartet genießen.

    Seit dem Friedensabkommen von 1990 mit der Regierung von Mali haben die ehemaligen Tuareg-Kämpfer ihre Kalaschnikows endgültig an den Nagel gehängt und setzen ihre Rebellion nunmehr mit Fender E-Gitarren fort. Tinariwen, die „Rolling Stones der Sahara“, verweben bluesig-energetische Rockriffs, Reggae- und Funkeinlagen mit tranceartigen Gesängen alter Tuaregmelodien. Ihre Musik begeistert einfach.

    Der Bandname Tinariwen bedeutet so viel wie „Leerer Ort“, in Referenz an den Lebensraum der Wüste. So handeln ihre Lieder von den Lebensumständen in der Sahara, den Erlebnissen in Lybiens Militärcamps und der Sehnsucht aus dem Exil nach Hause – über allem steht dabei ihr unbändiger Wunsch nach Autarkie und Freiheit. Ihr Sound ist rau und direkt, und hat zugleich einen „epischen“ Klang, der das Publikum insbesondere live in einen magischen Bann zu ziehen vermag.

    Bis demnäx. Euer Bernhard Wibben

    AdNr:1014

    2008-12-15 | Nr. 61 | Weitere Artikel von: Bernhard Wibben