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    Aktuelle Kritik: Otto Kuhnles „Kitsch & Kacke Club“ im Kookaburra

     

    artbild_Trottoir_Otto_KuhnlDrei Veteranen und einer aus neuerer Generation sind an diesem Abend im „Kitsch & Kacke Club“ angekündigt. So heißt die monatlich stattfindende Mix-Show des Comedian Otto Kuhnle.( Bild links) Die Veteranen sind der Musiker Martin Betz, der seit vielen Jahren auf Berliner Kleinkunstbühnen mit großer Präsenz im Hintergrund sitzt. Otto Kuhnle selbst, der seit den frühen Neunzigerjahren mit einer radikal sinnfreien Mischung aus Akrobatik, Zaubertricks, Musik und Stand Up-Comedy durch die Szene tobt. Vor allem aber Hacki Ginda, der Gründervater des legendären Chamäleon-Varieté. Zusammen mit seiner Truppe interpretierte und belebte der Clown und Pantomime ab 1990 im damals noch unpolierten Berlin-Mitte das alte Unterhaltungsgenre aufregend und neu. Außerdem ist der Beatboxer Peter Wehrmann eingeladen, der aus einer ganz anderen Generation der Unterhaltungskunst stammt. Beatboxing ist die Kunst, nur mit Mund, Rachen und Mikrofon die Geräusche von Drumcomputern und anderen Instrumenten zu imitieren. Sie ist Teil der Hip Hop-Kultur. 2010 wurde Wehrmann durch seine Teilnahme an der Fernsehtalentshow „Supertalent“ bekannt.


    Der Kitsch & Kacke-Club steht im 16. Jahr und auch Otto Kuhnle ist älter geworden. Mit Brille, Schnauz und zauseligem, grauen Haar führt der zwei Meter große Conferencier durch den Abend. Gleich zu Beginn kündigt er an, dass es keine Pause geben wird. „Wir haben schlechte Erfahrungen mit Pausen gemacht“. Für einen kurzen Moment blitzt der alte Schalk auf. Früher ließ Kuhnle an solchen Stellen gerne sein übermarkantes Breitwandgebiss aufblitzen, was einen leicht an Adriano Celentano gemahnenden Reiz hatte. Immer noch setzt Kuhnle auf sein bewährtes Mittel der stark übertriebenen Showmastergeste. Im Lauf des Abends wird er seine Standardnummern spielen. Wird eine Arie aus „Carmen“ im Falsett singen, mit einem Bodenfeger jonglieren und in ein aus Baumarktrohren zusammengehämmertes Alphorn blasen.

    Am Rand der Bühne sitzt derweil Martin Betz, wie Schroeder von den Peanuts über ein Kinderklavier gebeugt, und auf Kuhnles Aufforderungen hin mit lyrischem Gesicht Miniaturen vortragend. Etwa den Einzeiler „Auf den Urknall hat auch keiner gehört“. Neben ihm am Kinderschlagzeug Miguel Lagos, der stoisch den Rhythmus hält.


    Irgendwann kommt dann Hacki Ginda mit seinen Konfetti. Die beiläufige Geste, mit der der Clown alle paar Sekunden ein paar Papierschnipsel auf die Bühne wirft, gehört zu seinen Markenzeichen. Auch Ginda wirkt grau und etwas grämlich, wenn er in die Szenerie schlurft. Aber er ist mit einer enormen Präsenz immer noch der Chef auf der Bühne. Allein den Abgang nach dem ersten Auftritt verwandelt er in eine eigene, zehnminütige Slapstick-Nummer, in der er sich auf derart absurde Weise mit seiner Brille im Mikrofonkabel verheddert, dass man eine Stunde lang zugucken könnte. Nachdrücklich muss die Kapelle ihn von der Bühne musizieren.


    Das alles ist im Gesamtpaket immer noch charmant. Aber auch etwas angestaubt. Fast alle Nummern sind mindestens 15 Jahre alt und haben seither ein wenig an Magie verloren. So bekommt das Veteranentreffen den Charakter einer Oldie-Show, auf der ehemalige Stars nur noch die alten Hits spielen. Am Ende wird sogar der Beatboxer Peter Wehrmann in den Strudel der Vergangenheit gerissen: In seiner letzten Nummer macht er einen Trabbimotor nach. Darüber hat in Berlin schon 1991 niemand mehr gelacht.


    Der Gastgeber selbst beendet die Show mit seinem Dauerbrenner. Unter schnulzigem Gesang lutscht und sabbert er an einem dünnen, langen Ballon herum, stopft ihn sich schließlich in den Rachen und befördert ihn durch die Nase wieder heraus. Das ist so widerlich, dass sich sogar das bierselige Männertrio am Nebentisch in einen Haufen kreischender Kinder im Ekelrausch verwandelt, während eine junge Frau aus der ersten Reihe entsetzt aufspringt und nach hinten flüchtet. Im Berlin der frühen Neunzigerjahre dienten solche Brachialnummern als Gegengift, wenn sich auf den schrundigen Bühnen zuviel Bezauberung breitzumachen drohte. Aber das ist lange her. Die Trümmerpoesie der Berliner Szene, die eine Weile lang über die Stadt hinaus strahlte, hat längst Humorexporteuren wie Mario Barth oder Cindy aus Marzahn Platz gemacht. Aber die Veteranen sind nicht leer ausgegangen. Sowohl Kuhnle als auch Ginda haben sich in den letzten Jahren im englischsprachigen Raum ein Publikum erarbeitet und treten dort regelmäßig auf. Die Heimspiele machen sie vielleicht aus Nostalgie. Es hilft, das zu wissen. Dann verkraftet man die leichte Wehmut nach diesem Abend ein bisschen leichter.


    Kitsch & Kacke Club mit Otto Kuhnle und wechselnden Gästen jeden Monat im Kookaburra Comedy Club. 

    Redaktion: Susann Sitzler

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    1088|113 TG: Andreas Klaue . Kabarett . Schauspieler 

     

    2013-01-20 | Nr. 78 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler