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  • Szenen Regionen :: Berlin

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    Berlin im Herbst: Wir haben die Wahl

    Die Ferien sind vorbei, schielen wir kurz zurück: Im Juni fand zum zwölften Mal Dieter Hallervordens „Großes Kleinkunstfestival“ in den Wühlmäusen statt. Den Jury-Preis gewonnen hat ein Künstler, der unter dem Namen „Der Tod“ in schwarzer Kutte auftrat und munter übers Sterben kalauerte. ARTBILD_Absalom_Reichard__dDahinter verbirgt sich der Moderator und Comedian Absalom Reichardt (Bild). Er begann seine Showkarriere als Kind beim DDR-Sandmännchen und ist seit Jahren auch als Sänger unterwegs: mit der a capella-Formation YeoMen und den 12 Tenors. Seine hintersinnige Figur „Der Tod“ ist insofern neu, als dass sie dem Publikum wirklich Rätsel aufgibt. Was für ein Wesen steckt in dem schwarzen Kapuzengewand, das kein Gesicht sehen lässt? Und warum wirkt der Tod mit diesem zarten Stimmchen und dem sächsischen Dialekt plötzlich so freundlich? Ansonsten war die diesjährige Auswahl eher mäßig. Und unter den Kombattanten war, irgendwie nicht zu fassen, keine einzige Frau.

    An anderer Stelle sind weibliche Lebenssignale in der Berliner Kleinkunstszene zum Glück problemlos zu finden. Die Prix Pantheon-Gewinnern und Wahlberlinerin Cloozy Haber etwa präsentiert Ende August in einem Vorabtermin im Zebrano-Theater ihr neues Programm „Berliner Schnauze – Jetzt als Frau!“. Darin verspricht sie, ganz unberlinerisch, „konfliktfreie Komik in frustfreier Verpackung“. artbild_Annette_KruhlUnd Annette Kruhl (Bild rechts) feiert am 20. September im Grünen Salon die Buchpremiere ihres ersten Romans „Tausche Ex gegen Sex“. Schon seit einigen Jahren ist die ehemalige Liedermacherin ja mit Single- und Sexpointen äußerst erfolgreich. Und spätestens seit Martina Brandls „Halbnackten Bauarbeitern“ haben sich Unterhaltungsromane als solides zweites Standbein für Comedians bewährt.

    Große Wirkung hinter den Kulissen entwickelt seit vielen Jahren Franziska Keßler. Seit August verstärkt sie die künstlerische Leitung der beiden Zelttheater Bar jeder Vernunft und Tipi am Kanzleramt. Davor trug Keßler fast zwanzig Jahre lang dazu bei, die Berliner Kabarett-Anstalt BKA zu einer der interessantesten Bühnen für die kleine Form in Berlin aufzubauen. Das ist das Stichwort zum Jubeln: Seit August feiert das BKA sein 25jähriges Jubiläum mit einem fulminanten Geburtstagsfestival unter dem völlig berechtigten Titel „Hut ab!“. Dabei gibt es nicht nur Wiedersehen mit alten Stammgästen wie Georgette Dee und der „Popette“ Susanne Betancor, artbild_Ades_Zabel_als_Editsondern auch mit neueren Entdeckungen, die es über diese Bühne in die Öffentlichkeit geschafft haben: etwa der Bauchredner Benjamin Tomkins. Und natürlich mit dem längst zur Ikone gewordene Performer und Damendarsteller Ades Zabel (Bild links), der ebenfalls hier begann. Ende September feiert er seinen fünfzigsten Geburtstag und begeht diesen freudigen Anlass mit einem einwöchigen Geburtstagsgastspiel im Tipi. Und zwar mit seinem Alter Ego, der unschlagbar sympathischen und nur unwesentlich älteren Neuköllner Schabracke Edith Schröder.

    Etwas kleiner, aber ebenfalls voller Entdeckungen ist die Z-Bar in der Torstraße. Im zum Plüschkino mit Kleinkunstbühne ausgebauten Riesenhinterzimmer zeigt Wirt Günni hier ein mit Herzblut und Expertenwissen zusammengestelltes Programm von Chanson über Lesebühne und Literatur bis zu exquisiten Trashfilmen. Für viele ist die Z-Bar immer noch ein Geheimtipp in Berlin – dabei feierte sie im August bereits ihren zwanzigsten Geburtstag!

    Leider ist auch eine Art Diventod zu vermelden: Nach 15 Jahren als fester Bestandteil der Berliner Bühnenlandschaft lösen sich die O-Ton-Piraten nun auf. In einer Art überdrehtem Vollplayback-Karaoke haben sie nicht nur große Leidenschaften im Vorspultempo auf die Bühne gebracht, sondern auch gezeigt, dass Synchronisation eine eigene Kunst ist. Zu ihrem Jubiläum hatten sich die Piraten letztes Jahr mit dem O-Ton-Theater bekanntlich eine eigene Spielstätte gegönnt. Die Abschiedshow „Liebe ist“ lief aber dort, wo die Geschichte eins begann: im Charlottenburger Theater Schalotte.

    Und dann findet am 22.September ja auch noch zum 18. Mal die Bundestagswahl statt und die Kabarettisten des Landes müssen sich dazu etwas einfallen lassen. Im Zimmertheater Steglitz wird der junge Kabarettist Tilman Lucke unter dem Titel „Nebenbei bemerkelt“ ein Spezialprogramm präsentieren und dabei live die Hochrechnungen kommentieren. Auch der Lesebühnenpionier Andreas Krenzke alias Spider hat zu diesem Anlass ein Soloprogramm entwickelt. Es heißt „1. Wahl – Ich mach’ jetzte Politik!“ und hat am 19. September im Kookaburra Berlin-Premiere.

    Das neue Programm der Geschwister Pfister, das Anfang September in der Bar jeder Vernunft vorgestellt wird, heißt „Wie wär’s, wie wär’s?“ und hat rein gar nichts mit Politik zu tun. Obwohl es von der Toskana handelt. Aber es ist sehr lange her, dass man den italienischen Landstrich als Lieblingsferienort eines Herrn Schröder und seiner Geistesgenossen mit einem sozialdemokratischen Lebensstil in Verbindung brachte. Darunter war auch ein gewisser Lafontaine. Damit sind wir bei Salon-Hiphopper Thomas Pigor, der sich im Volumen 3 seines Schaffens, irgendwann zu Ende des 20. Jahrhunderts, in einem sehr gelungenen Stück als „Lafontänfän“ vorstellte. Inzwischen ist schon fast das Volumen 7 abgespielt. Im Rahmen des BKA-Festivals (siehe oben) wird es Mitte September noch einmal zu hören sein. Ende Oktober stellt Pigor in der Bar jeder Vernunft dann mit Volumen 8 das nächste Kapitel seiner Saga „Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten“ vor. So ist das in dieser bleiernen Zeit der Ära Merkel. Alles geht einfach immer irgendwie weiter.


    | Ausgewählte Termine: Berlin

    Redaktion:
    Susann Sitzler

    2013-09-01 | Nr. 80 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler