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  • Szenen Regionen :: Berlin

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    Berlin im Winter…wir lassen uns das Singen nicht verbieten

     

    Ein wenig schwer hatten es die Berliner Kabarett- und Comedykünstler in diesem Winter. Die Scherzkekse vom Großflughafen BER haben ihnen irgendwie die Show gestohlen.  Der Regierende Wowereit lacht inzwischen aber schon deutlich weniger als früher.

    Wie es laufen kann, wenn man solide plant und seine Projekte im Blick behält, beweisen gleich drei Jubilare. Zum einen feierte das bezaubernde Theater O-Ton-Art im Januar seinen dritten Geburtstag. Das Plüsch- und Bühnenparadies war ein Geschenk der Betreiber an sich selbst. Sie waren zuvor zehn Jahre lang unter anderem als Playback-Comedytruppe O-Ton-Piraten und in unterschiedlichen eigenen Produktionen fester Bestandteil der Berliner Kleinkunstszene und gastierten an zahlreichen Orten. Dann hatten sie genug von der Tingelei und gönnten sich ein eigenes Haus. Dieses bezaubert seither mit Gastspielen und Eigenproduktionen, die alle eines verbindet: ein radikales Bekenntnis zur kleinen Form und das gekonnte Verzichten auf grobschlächtigen Brüllhumor. Was nicht heißt, dass es hier nicht derb zugeht. Aber eben mit Stil. Denn im O-Ton-Art frönt man einer Subkultur, die in Amerika „Camp“ heißt und bei uns manchmal „Trash“.

    artbild_Gunther_Rudiger_ZimAuch das Zimmertheater Steglitz hat im Februar die Dreijahresmarke erreicht. Unter der Leitung von Günter Rüdiger (Bild links), der seit Jahrzehnten als Sänger, Schauspieler und Regisseur unterwegs ist. Mit der eigenen Bühne erfüllte er sich einen Herzenswunsch. Nach dem Motto „Klein, aber mein“ werden hier seither regelmäßig Kabarett, Musik und Revueprogramme gezeigt. Wir gratulieren!

    Das BKA-Theater über den Dächern von Kreuzberg begeht in diesem Jahr sogar schon seinen 25. Geburtstag. Längst ist es eine der wichtigsten Spielstätten für Kabarett, Chanson und Musik in der Berliner Szene, und auch wenn der Lift in den 5. Stock gerne mal stecken bleibt, haben es über diesen Eingang doch schon einige Künstler ganz nach oben geschafft. Zum Jubiläum spendiert man sich eine Klimaanlage. Und freut sich, dass die Berliner Lottostiftung ein paar Groschen für diese verdienstvolle Institution springen ließ. Schon im Herbst hatte die langjährige künstlerische Leiterin Franziska Kessler das Haus verlassen, um sich ein neues Lieblingsprojekt zu suchen. Die künstlerischen Geschäfte werden vom bisherigen Geschäftsführer und langjährigen BKA-Mitbetreiber Uwe Berger weitergeleitet.

    artbild_Boris_Steinberg_undAuch Berlins seelenvollster Chansonier Boris Steinberg (Bild links) hatte zu feiern. Beim 17. Chansonfest, das er einst selbst mitgründete und leitete, bekam er im corbo-Theater den „Goldenen Raben“ für seinen jahrelangen Einsatz in Sachen Berliner Liedkunst verliehen. Nebst seinen eigenen Programmen – „Wilde Pferde oder: müde blond zu sein“ hatte vor kurzem Premiere – ist er auch Gastgeber eines monatlichen Salons im Grünen Salon an der Volksbühne. Herzlichen Glückwunsch!

    Eine weitere Neuerung gibt es zu bejubeln. Das etwas angestaubten Theater Coupé, bisher eher Szenetreff der Wilmersdorfer Witwen, wird nun als „Neue Berliner Scala“ frisch bespielt. Unter der Leitung des Musicalprofis Sebastiano Meli sollen in Zukunft nun wieder glamouröse Shows im Kleinformat gezeigt werden.

    Und auch das altgediente Kabarett „Stachelschweine“ im Europa-Center hat die Besen herausgeholt und will „den Kabarettmuff auskehren“. Mit dem neuen Hausregisseur Matthias Kitter will man die ehemalige Institution des Westberliner Mauerkabaretts ins 21. Jahrhundert führen. Kitter hat vorher im Fernsehen Regie geführt, unter anderem für „Schmidteinander“ und die „Wochenshow“. Er will „das Genre Kabarett in die nächste Generation tragen“, wie er sagt. „Muss doch nicht alles nur Comedy sein“. Da hat er Recht und wir sind gespannt, was daraus wird. „Gestochen scharf“ heißt das neue Programm zur kommenden Wahl. Geschrieben haben es Ralf Linus Höke und Volker Surmann. Letzterer ist ein Weggefährte von Marc-Uwe Kling, der nun wirklich bewiesen hat, dass die Zuschauergeneration Comedy durchaus fürs Politische zu gewinnen ist. Wenn man nur zu verhindern weiß, dass sie sofort nach dem Stummschalten der Handys in Tiefschlaf verfällt.

    Aus einem solchem erwacht ist vor kurzem das historische Kabarett „Kolibri“. Unbemerkt existierte seine Ruine über Jahrzehnte im Gartenhaus eines normalen Mietshauses in Berlin-Mitte. Zufälligerweise entdeckte es ein Immobilien-Unternehmer, der sich in der Gegend umsah. Er ergriff die Chance und kaufte das Gebäude. Ein Berufskollege und Bauunternehmern hatte es 1905 errichtet. Seither fanden dort in „Fritz Schmidt’s Restaurant und Festsäle“ Varieté-Aufführungen statt. Ab 1919 wurde die Bühne als „Kolibri-Festsäle und Kabarett“ geführt. Seit den 30er Jahren fehlen Aufzeichnungen über das Schicksal des Hauses. Ziemlich ramponiert, aber immer noch prachtvoll überlebte es den Krieg und die Wende. Im letzten Jahr wurde der Raum vom Schutt befreit, der dort seit der Nachkriegszeit gelagert wurde. Noch immer sind Wandmalereien und prächtige Architekturelemente des hohen Saales erhalten. Für eine kurze Zeit wurde das Gebäude der Öffentlichkeit unter dem Titel „Secret Garden“ gezeigt. Nun überlegen die Besitzer, was mit dem Raum zu tun ist. Womöglich soll daraus eine Galerie werden. Eine Wiedereröffnung als Spielstätte für Varieté wird ausgeschlossen. Die Lärmschutzbestimmungen für die dicht bewohnte Innenstadt, so heißt es, sind dafür zu streng.

    A propos Zahn der Zeit: Auch von der gerüchtumrankten Schauspielerin Anuschka Renzi war ein Kabarett-Auftritt geplant. Im Rahmen des Kunst- und Kulturfestivals „30 Tage Kunst“ im November 2012 wurde ihr Auftritt anlässlich eines Vaudeville-Abends zum Thema „Terrible 40ies?“ angekündigt. Dort hätte sie zusammen mit dem Musicaltenor George Wainwright und der Schauspielerin Heike Kloss über die Leiden und Freuden des Älterwerdens räsonieren sollen. Ein paar Tage vor dem Auftritt wurde sie aber spur- und kommentarlos vom Besetzungszettel gestrichen und durch die Sängerin Emma Ahren ersetzt. Da hat wohl jemand kalte Füße bekommen. Nicht nur das Älterwerden ist nichts für Memmen, wie Bette Davis einst sagte. Auch fürs Kabarett darf man nicht allzu zart besaitet sein. Oder konnte die Renzi vielleicht einfach nicht singen?


    | Ausgewählte Termine: Berlin 

     

    Redaktion: Susann Sitzler

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    1095|113 TG: der miese peter . Musik-Kabarett . Musikkabarett

     

    2013-01-20 | Nr. 78 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler