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  • Szenen Regionen :: Rhein-Main

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    Der Sommer war schön,


    die Temperaturen hoch und die Menschen zog es hinaus in die Parks und auf die Plätze der Städte und Gemeinden. Diese wunderbaren Voraussetzungen machten sich in den Sommermonaten auch zahlreiche Veranstalter zu Nutze, um ihrem Publikum Kultur Open-Air zu kredenzen. Besondere Schmankerl bot dabei das Freilichtfestival der Dramatischen Bühne
    Frankfurt im Grüneburgpark der Bankenstadt. Im satten Grün der Parkanlage servierten die Lokalmatadore Mainhattens eigene Produktionen und Gastspiele. Mit dabei das Pegasus-Theater aus Wiesbaden, das sich mit einer Familientragödie angekündigt hatte. „In einer Zeit, in der Politiker nicht mehr im Ausland Urlaub machen, haben wird uns als deutsche Truppe überlegt, ein französisches Stück zu präsentieren - im Stil des italienischen Stegreif-Theaters", erklärt Pegasus-Leiter Bernhard Mohr, der das Theater vor elf Jahren gegründet hat, seinem Publikum. Die Comedia dell'Arte-Gruppe hat sich des Geizigen von Molière angenommen und das Verwechselspiel der typischen, maskierten Charaktere mit teilweise modernen Outfits und aktuellen Einschüben bestückt. So wartet die Tochter des geizigen Witwers Harpagon mit Plateauschuhen und blauer Perücke auf, ihr Bruder Clèante (Wolfgang Vielsack) überrascht die Zuschauer im Park mit punkigem Haarschnitt. Er liebt ein Mädchen, „das erst seit kurzem hier bei uns in Frankfurt wohnt". Das geldbesessene Familienoberhaupt (Bernhard Mohr sehr überzeugend in seiner Rolle) hingegen hat sich die schöne Mariane selber zur Frau auserkoren und überlegt, wie er möglichst preisgünstig sein zukünftiges Eheleben frönen kann. Mit Sinn für Improvisation agieren die Schauspieler im heiteren Gerangel um Liebe, Macht und Geld. „Aber Ihr seid vermögend, das ist in Frankfurt bekannt", versichern die Untertanen dem Geizigen, als im Auditorium ein Mobiltelefon klingelt. „Wer hat das gesagt", wettert Harpagon, „etwa der mit dem Handy?" Für Tochter Elise (Hanna Linde) hat der Ego-Vater ebenfalls einen Ehemann ausgesucht, einen 70-jährigen Witwer, der garantiert keine Mitgift einklagt. Der Tipp kam von Heiratsvermittlerin Frosine (Hanna Linde - als Darstellerin weniger überzeugend als die Kollegen), die, „wenn es sein muss, Roland Koch mit Angela Merkel verheiratet". Und um weiteren Verwicklungen Vorschub zu leisten, agieren der ausgefuchste Diener La Flèche (Hristo Kalanlioglu mit gestischer Ausdruckskraft) und der hündische Dottore (exzellent gespielt von Hanna Linde). La Flèche ist es dann auch, der den Diebstahl von Harpagons Vermögen vortäuscht, das dem Geizigen doch wichtiger ist als die Wonnen der Liebe, und somit ein Happy End für Sohnemann und Nebenbuhler Clèante einfädelt. Alles in allem ein passendes Theatererlebnis im Parkambiente.

    Einem für heutige Zeiten sehr ungewöhnlichen Theater-Experiment hat sich das Frankfurter Antagon-Theater verschrieben. Bereits im zweiten Jahr gastierte die Truppe an der Weseler Werft am Mainufer, wo sie im August auch mit der neuesten Produktion „Time Out" Premiere feierte. Seit 13 Jahren sind die Aktions-Theaterleute auf nationalen und internationalen Straßen unterwegs. Für Theaterleiter und -gründer Bernhard Bub sind Bühnen-Institutionen und Theatermachen zwei widersprüchliche Ideen. Antagon ist Subkultur, das improvisierte Veranstaltungs-Gelände an der Werft mit Café und abendlichen Disko-Veranstaltungen ein Mekka für Anhänger der Szene. Die Produktionen entstehen in Containern und Zelten, die Theater-„Familie" baut und entwirft alles selbst. Kulturbörsen wie in Freiburg interessieren den Theaterchef nicht, „zu kommerziell", winkt Bub ab. „Bei unserer Arbeit stehen Riten und Rituale im Vordergrund. Diese waren früher das Kommunikationsmittel unter den Menschen", für ihn sei das bis heute gleich, meint der Antagon-Chef. „Ob mit einem Stein oder einer Lampe in der Hand, die Fragen sind die selben: Was ist Liebe, was Krieg und warum sterben die Menschen." Das ist auch Hintergrund der Produktion „Time Out". Auf dem kreisrunden Platz der Antagon-Arena inszeniert das Antagon-Theater ein Science-Fiction-artiges Spektakel um den Kampf gegen Unterdrückung und Gewalt. Da werden arme Kreaturen auf Stelzen in Ketten von einem Peitschenmann in ihre Verliese getrieben. Soldaten marschieren auf. Menschen entschlüpfen ihrer äußeren Hülle und finden sich dennoch gefangen und das gesamte Ambiente wird geprägt durch musikalische Rhythmik, Tanz und ein imposantes Bühnenbild - und über allem trohnt die symbolträchtige Uhr. Das Bildertheater des Antagon-Theaters lebt von den Stimmungswechseln und der Umkehrung der Verhältnisse, wenn der Sklaventreiber plötzlich zum Getriebenen seiner Opfer wird und sanfte Töne das Brachiale dämpfen. Am Ende ist „Time Out" mit einem fulminanten  Feuerspektakel. Vielleicht nicht Jedermans Sache, aber dem vorwiegend studentischem Publikum gefiel's.

     „Willkommen in Deutschlands größter Sauna", ruft der junge Mann auf der Bühne und hat damit die Lacher des Publikums von der ersten Minute an auf seiner Seite. Philip Simon ist Moderator des Varietés unter Sternen vom Neuen Theater Höchst, das drei Tage lang im Theaterzelt an der Burg Dreieichenhain gastierte - und Holländer. Das motiviert den pfiffigen Entertainer zu einem Witz in Sachen niederländische Mentalität. „Was ist eine Blondine zwischen zwei Holländern", fragt er und liefert die Antwort gleich hinterher: „Nicht die Dümmste." Dass die Welt im Showgeschäft Kopf stehen kann, beweisen Pat Bradford und seine Bühnenpartnerin Kate: Die beiden stepp-tanzen nicht nur mit artistischer Eleganz, Bradford präsentiert sich auch als Handstand-Akrobat, der es sogar freifüßig vermag, mit Kate im rhythmischen Dialog eine Treppe hoch und runter zu steppen. Anmut und perfekte Körperbeherrschung haben auch die Kontorsionistinnen Davaana Jargal und Ganchimeg zu bieten. Absolut synchron verbiegen sich die Schlangenfrauen zum Gesamtkunstwerk, dabei überzeugen Ästhetik und Können der beiden Mongolinnen. Seit 1999 lebt Davaana erfolgreich als Solokünstlerin in Deutschland, ihre Kusine Ganchimeg folgte ihr im Dezember 2002 nach: Ihre Zusammenarbeit ist ein Gewinn für die deutsche Varieté-Szene. Den Ruf der Berge bringt die Dreieicherin und Vertikalseil-Akrobatin Beatrix Thomas ins Theaterzelt an der Burg. Bezopft und im roten Kleidchen jodelt sie schaurig-schön als Resi von der Alm, bevor sie sich zu zünftiger Blasmusik in luftige Höhen schwingt. Und Frank Wolf zeigt nicht nur artistisches Können auf seinem BMX-Rad, sondern gewinnt beim Publikum auch mit jugendlichem Charme. Aleko aus der Ukraine zeigt dagegen ein Zusammenspiel von Muskelkraft und Licht, als er einen zehn Kilo schweren Kubus durch die Luft wirbelt. Sinn für Humor zeichnet das Akrobatik-Duo Flash aus, und Magie-Meister Roy Gardner kämpft mit den Tücken der Objekte und der Zauberkunst seines Butlers James. Alles in allem hat das Neue Theater Höchst wieder einmal für die richtigen Zutaten für ein gelungenes Varieté-Potpourri kredenzt.


    Vorblicke

    „Wer kocht, schießt nicht", eine Satire von Kultautor, Co-Moderator der Late Lounge im HR-Fernsehen und Stalburgtheater-Theaterchef Michi Herl entwickelte sich zum Dauerbrenner. In dem urigen Theatersaal der Äpplerkneipe Stalburg ist die Produktion am 1. und 2. Oktober zu sehen. Das Ensemble des Stalburg-Theaters feierte Ende September mit Edgar Wallace „Gasthaus an der Themse" Premiere und präsentiert sich auch am 3. und 4. Oktober. Und die U-Bahn Kontrollöre in Tiefgefrorenen Frauenkleidern sind am 7., 8., und 9. Oktober zu Gast in der Stalburg.

     Das Frankfurter Kulturcafé Odyssee feiert einjähriges Bestehen. An jedem zweiten Donnerstag im Monat wird dort eine „Offene Bühne" geboten. Von der ersten Stunde an war die Veranstaltung sehr gut besucht, und ein treues Stammpublikum reserviert schon Tage im Voraus, um auf jeden Fall dabei zu sein. Künstler, die neue Nummern ausprobieren wollen oder gerade Mainhatten auf ihrer Tour streifen und einen Off-Tag haben, sind dort gern gesehen. Infos unter Telefon (0179) 4915949.

    Redaktion: Kiki Krebs

    2003-09-15 | Nr. 40 | Weitere Artikel von: Kiki Krebs