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    Die schlimmen besten Jahre

    (Thomas Reis mit "Gibt es ein Leben über 40?" im Theater am Sachsenring)

    "Ich bin gern Humorist, aber Henker beneide ich doch. Die verändern Menschen wirklich." Resignative Sarkasmen wie diese bilden den Grundton für Thomas Reis' neues Programm "Gibt es ein Leben über 40?", das einmal mehr vor Augen führen will, dass in den sogenannten besten Jahren die guten Zeiten längst hinter einem liegen. Nun sind larmoyante Selbstbespiegelungen gealterter Ex-Spontis derzeit in Mode; auch auf die Kleinkunstbühne hat diese Thematik – man denke nur an Horst Schroth und Frank Goosen – schon vor längerer Zeit Einzug gehalten. Reis behandelt also ein nicht gerade neues Sujet, aber er tut es auf eine außerordentlich komische Weise. Sein Bühnen-Ich, ein "schwer vermittelbarer Langzeitbeziehungsloser" im braunen Cordanzug, entdeckt plötzlich sein Faible für Besucherpantoffeln, betreibt Rasenmähen als Extremsportart und kultiviert als höchste erotische Obsession den "flotten Zweier". Von da ist es nicht weit zum späten Kinderwunsch ("Ich will weiterleben in meinem Zwerg"), zum "Iron Man"-Training (Bügeln natürlich) und zum Auftritt in Bands wie "Knut Kukident und seine strahlenden Dritten".

    Neben seinem Hauptthema mäandert der Erzählfluss des Programms immer wieder in ganz andere Bereiche; dabei wird die derzeit wohl unumgängliche Beschäftigung mit Trash-Existenzen wie Bohlen und Salesch souverän umgesetzt, und auch die Ausflüge ins politische Kabarett sind von gewohnter Scharfzüngigkeit. Den stärksten Eindruck hinterlässt eine kurze Einlage, in der ein Kleist-Zitat in die Sprache von Hölderlin, Kafka und Bukowski übersetzt wird – an geistreichen Elementen dieser Art wird deutlich, dass Reis noch ganz andere Sachen drauf hat, die er sich mit Rücksicht auf das Publikum weitgehend verkneift. Vielleicht ein Fehler, zumal das Publikum wenigstens hinlänglich Alterserfahrung keineswegs hinter Reis zurücksteht. Ein Blick ins Publikum zeigt dem Kabarettisten, dass der überwiegende Teil seiner Zuschauer längst mit dem Leben über 40 vertraut sein muss. Ist das Kabarett also, wie Reis meint, "eine humoristische Altenhilfe"? Wenn ja, wäre das zumindest ein Grund, der Vergreisung etwas gelassener entgegenzusehen.

    Redaktion: Guido Bee

    2003-12-15 | Nr. 41 | Weitere Artikel von: Guido Bee