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  • Szenen Regionen :: Rhein-Main

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    Hard-Core-Pointen

    Der Herbststart 2003 im Rhein-Main-Gebiet war knüppeldick gespickt mit Acts vom Feinsten. Das 3sat-Festival im Zelt auf dem ZDF-Lerchenberg ist immer das letzte „Open-Air“ vor der Saal-Saison. Elke Frühling und ihre Team präsentierten zum 17.Mal Kleinkunstspitzen. Diesmal spielte die Sparte Musik mit Gastspielen von Paul Kuhn, Klaus Hoffmann, Silje Nergaard und Helen Schneider im Vordergrund. In Zeiten ewiger Quotendiskussionen nimmt es nicht Wunder, dass der „Kabarettabend“ relativ auf Nummer sicher besetzt war mit dem urkomischen Rainer Pause als befracktem rheinländischem Moderator, Hanseat-Bulle Dirk Bielefeldt und dem Berufsnachwuchs-Kleinkünstler Bodo Wartke, dessen pianeskem Schwiegersohncharme keiner entkommt. „Urdeutsche“ Töne durch Markus Barwasser alias Erwin Pelzig und Uwe Steimle. Hütleträger Pelzig ist ein- „aufgemerkt!“- aus der fränkischen Tiefe des Raumes kommender Nobody, dessen geistige Froschperspektive auf die Welt erstaunliche Erkenntnisse bloß zu legen versteht. P.S.: Gratulation zur „Glocke“ 2003 vom Mainzer unterhaus in der Sparte Kabarett! Das Wort „Ostalgie“ wäre eigentlich eine schöne Bezeichnung für das, was der als Kommissar Hinrichs („Polizeiruf 110“) bekannte Uwe Steimle im Solo auf der Bühne vollbringt, wenn der Begiff nicht inzwischen zum Schimpfwort verkommen wäre. „Herz mit Schnauze“ könnte man den beiden Figuren Herr Zieschong und Ilse Bähnert als Prädikat geben. Entstanden als literarische Figuren aus Dresdens Alltag hatte Steimle jahrelang zusammen mit Tom Pauls (Zwinger Trio) als Darsteller/in der rüstigen sächsischen Rentnerin getourt bis er sich nun zum Alleingang entschied. Die Rededuelle zwischen Seniorin und Frührentner sind Humor und Erheiterung pur, wie man das kaum noch gewöhnt ist, seitdem die Kalauerfraktion der Pointenkracher die Oberhand gewonnen hat.

    Im Neuen Theater Höchst gaben sich in nur 6 Wochen unter anderem Lutz von Rosenberg-Lipinsky („Der Feminist“), Django Asül („Autark“), Christoph Brüske („Vival la Vita“), Günter Grünwald („Der Botschafter des guten Geschmacks“) Horst Schroth („Katerfrühstück“), Richard Rogler (Anfang offen“), Luise Kinseher („Ende der Ausbaustrecke“) und Qeen Bee („Ich lege zu“) die Klinke in die Hand. Aufmerker dieser Leistungsstafette waren Lipinsky-Rosenberg, der dem ausgelutschten Thema Geschlechterkampf unvermutet noch Hard-Core-Pointen entlocken konnte, und Richard Rogler, der bei der Verabschiedung von Dieter Hildebrandt`s Scheibenwischer offenbar neue Energie getankt haben musste.

    Wettbewerbe gab es natürlich auch. Die Brasserie Überflieger in Bad Nauheim vergab im August wieder seine „Mathilden“. Schlagzeilen machte vorab der Ehrenpreis an Henning Venske, der den vom der Hassia-Quelle gesponserten „Hessischen Kleinkunstpreis Überflieger“ erhielt. Positive Überraschung, dass der „Misantoph von Beruf“, der landesweit inzwischen fast das Alleinvertretungerecht  als „Nörgler“ im Kraus`schen Sinne hat, in seiner Preiswürdigkeit erkannt wurde. Zur Zeit ist der Hanseat mit den Satireabenden „Eins auf die Glocke“ und „Spätlese trocken“ unterwegs. Für seine skurrile Figur „Helfried“ und deren abseitigen Humor bekam der Österreicher Christian Hölbling den Innovationspreis „Kleine Mathilde“. Die Zuschauer, die wie immer im ausgelassenen Wasserbecken mit Blick zur Orchestermuschel positioniert waren, erkoren Simone Solga für die „Große Mathilde“.  Wer die sächselnde Blondine von „7 Tage 7 Köpfe“ kennt, konnte erleben, dass das Ex-Ensemble-Mitglied der alten Lach- und Schieß-Truppe definitiv mehr drauf hat als telegene Pointen-Quickis.

    Philipp Weber rollte im September mit den „Obernburger Mühlstein“ ab. Entschieden zu hanseatisch und am Wasgucksdu-Witz-Klischee orientiert die Comedy von Kerim Pamuk. Martina Ottmann und Martina Schwarzmann überraschten durch etwas, an das wir eigentlich nicht glauben: Weibliche Komik. Während die Ottmann als Nervenbündel brilliert, spielt die Schwarzmann mit Gitarre die rustikale Karte á la Biermösnbloasn. Local Hero Matthias Tretter ließ mit seiner rhethorisch spitzfindige Kabarett-Kür aufhorchen. Das reichte nicht gegen den splirrigen Amorbacher Philipp Weber und seine packende Bühendirektheit. Vom dem Tübinger Student eigentlich als seriöses Schauspiel geplant war dem gebürtigen Amorbacher der Monolog eines Selbstmörders ins Satirische entglitten.  So gab es 2002 für  „Herzattacken“ das Passauer Scharfrichterbeil.

     

    Kurz und knapp

    Das Hessenfernsehen versucht sich nun auch mit Comedy. In der Frankfurter KÄS durften an 6 Abenden vor allem diejenigen auftreten, die wir schon von ihren Stand-ups aus anderen TV-Kanälen kennen. Titel der Chose: Lachen mit Lars. Moderator war nämlich „Klaviator“ Lars Reichow, der sich Gerüchten zufolge dank einer glanzvollen Fernseh-Fastnachtsrede im Vorjahr für diesen Job qualifiziert haben soll. Wenigstens hat  sich bei der Gelegenheit herumgesprochen, dass Frankfurt mit der Käs eine tolle Kleinkunstbühne hat!

    Der Tiger-Palast feiert sein fünfzehnjähriges Bestehen unter anderem mit einer Winter-Gala im Wiesbadener Kurhaus. 1988 ging zum ersten Mal in dem ehemaligen Versammlungssaal der Heilsarmee der Vorhang vor 150 Zuschauerplätzen hoch. Der Familienbetrieb, dem bis zu seinem Tod 2002 Matthias Belz als Mitinhaber und Moderator angehörte, ist in seiner Kombination aus weltbesten Artisten und preisgekrönter Gourmetküche einfach einmalig. Jubiläums-Show mit Roncalli vom 11.12.2003-4.1.2004.

    Das Friedberger Café Kaktus startete mit einem Gastspiel im Bürgerhaus Dornheim. „Tante Lilli und Martin Lüker“ sind ein ganz besonderes „Dreamteam“. Die Lockenwicklerdiseuse und ihr Karlson-auf-dem-Dach-Pianör sind einfach knallige Entertainer und waschechte Komiker reinsten Wassers.

    Hinter dem Titel „Göttinnen-Report“ verbirgt sich klassisches Kabarett-Theater. Die Aschaffenburgerin Alexandra Ihrig hat zusammen mit Helga Siebert einen Blick in den Olymp „Frau“ gewagt. Zu erleben zwei verweltlichte Götterweiber: Zeus Kopfgeburt Athene trägt statt Schild den Business-Zweiteiler, Ariadne hat als Start-up-Unternehmen auf Stickmoden übergewechselt.  Bei der Premiere in der Studiobühne Steingasse schmunzelten und lachten auch die Männer der anwesenden Frauen.

    Redaktion: Kathrin Schwedler

    Bernd Lafrenz 

    AdNr:1012

     

     

    2003-12-15 | Nr. 41 | Weitere Artikel von: Kathrin Schwedler