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  • Themen-Fokus :: Variete

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    Interview Kris Kremo

    Er gilt als einer der Besten seines Faches und ist bereits eine lebende Legende. Er trat und tritt auch heute noch in den besten Häusern der Welt auf. Allein im Lido in Paris arbeitete er über viele Jahre.

    Mit dem Ausnahmejongleur Kris Kremo sprach unser Mitarbeiter Hartmut Höltgen-Calvero

    T.: Herr Kremo, sie gelten schon zu Lebzeiten als Jonglierlegende, was macht für Sie die Faszination der Jonglage aus ?

    Kris Kremo: Was die Faszination angeht muß ich sagen, dass ich da so reingerutscht bin, bedingt durch meinen Vater, der ja auch schon Jongleur war. Jonglieren macht mir Spaß und für einen selber ist es beim Üben sehr beruhigend, weil oft genug gesagt wird es mache nervös. Wenn man übt stellt es einen großen Ausgleich und eine innere Befriedigung dar, weil man über nichts anderes mehr nachdenken kann, als über das Jonglieren selbst. Es ist also so eine Art Meditation für mich.

    T.: Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten der Jonglage. Sie haben sich für eine ganz bestimmte Art entschieden, die Sie international berühmt gemacht hat ?

    Kris Kremo: Es gibt verschiedene Sparten im Jonglieren, z.B. den Gentlemanjongleur zu dem man mich auch einmal gezählt hat, was aber nicht ganz stimmt, weil ich mit jeweils drei Gegenständen jongliere. Weiterhin gibt es Jongleure zu Pferd und Jongleure die sich bewusst spezialisieren auf bestimmte Gegenstände z.B. Reifen wie Bob Bramson oder Keulen usw.

    T.: Eine seltene Sparte sind auch die Sprechjongleure wie z.B. Dieter Tasso.

    Kris Kremo: Das ist richtig. Wenn man allerdings viel spricht in einer Nummer dann hat man Probleme, dann kann man nicht so schnell nach Japan, Südamerika oder woandershin reisen, weil auch die jeweilige Mentalität eine andere ist. Man braucht lange, um gute Texte zu finden und diese zu übersetzen ist schwierig und damit ist man international limitiert. Es gibt heute nur noch wenige Sprechjongleure. Das war früher anders, als es in Deutschland noch viel mehr Varietés gab. Da haben die Sprechjongleure in allen Häusern gearbeitet und wenn sie damit fertig waren, sind sie wieder beim ersten angefangen. Auch in England gab es viele Theater in denen Sprechjongleure arbeiten konnten. Irgendwann waren die Theater dann verschwunden und man konnte sich nicht mehr auf ein Land beschränken sondern musste weltweit reisen und so sind vermehrt Musikdarbietungen entstanden.

    T.: Für Sie kam es nie in Frage in Richtung Sprechjonglage etwas zu unternehmen ?

    Kris Kremo: Eigentlich nicht. Es sind verschiedene Situationen, die verschiedene Probleme bereiten, auch wenn man z.B. etwas Neues hinzunimmt. Man wird irgendwann einmal ein Produkt. Wenn ich angefragt werde, dann für genau das, was ich mache. Es gibt viele Beispiele. Ich habe schon verschiedene Routinen zusammengebaut, die ich eigentlich ganz gut fand und auch eine Menge Geld für Musik ausgegeben und bin dann zum Auftrittsort gekommen, wo sie gesagt haben mach das genau so wie immer. Und das war typisch, ich konnte also nicht groß meine Show verändern.

    T.: Wann ist die Darbietung, so wie Sie jetzt von Ihnen vorgeführt wird entstanden ?

    Kris Kremo: Die ist schon vor langer Zeit entstanden. Das Fundament dafür habe ich von meinem Vater bekommen, einfach durch Jonglieren und Ausprobieren. Die Gags habe ich 1981 als ich in Las Vegas engagiert war eingebaut und sind über die Jahre hinweg immer wichtiger geworden, weil ich damit den größten Kontakt zum Publikum herstellen konnte.

    T.:Sicherlich sehr eindrücklich sind Ihre Pirouetten in der Schlusssequenz mit den drei Zigarrenkisten. Wie ist dieses wohl einmalige Finale entstanden?

    Kris Kremo: Es gab mal einen Jongleur namens Peter Wudrov der parallel zu meinem Vater gearbeitet. Die beiden haben sich einander nicht gestört und damals war es noch Ehrensache, das man von Kollegen nichts klaut, im Gegensatz zur heutigen Zeit. Peter Wudrov hatte die Pirouetten erfunden und ich habe damals Bilder von ihm gesehen, die diese zeigten und wovon keiner wusste, was es eigentlich zu bedeuten hatte, bis es mir mein Vater erklärt hat. Ich habe dann aus Spaß angefangen zu üben. Dann gab es einen deutschen Jongleur namens Rudi Schweitzer, der diese Pirouetten von Peter Wudrov kopiert und weiterentwickelt hat. Zu Hause habe ich dann heimlich geübt und das erste mal habe ich die Pirouetten bei den Amateurgalas in Zürich noch während meiner Ausbildung vorgeführt. Da war Peter Wudrov allerdings schon tot. Über die Jahre hinweg hat sich das dann weiterentwickelt, zunächst mit einer Pirouette. Es war sehr schwierig, weil ich kein Ballettunterricht gehabt habe und mein Vater konnte mir auch nicht helfen, da er sich damit nie beschäftigt hatte. 1972/73 als ich in Asien war und viel Zeit hatte, habe ich die Idee gehabt eine doppelte Pirouette mit drei Kisten vorzuführen und dann habe ich das dort geübt. Damals gab es keine Videos, wo man sich das hätte anschauen können. Für die dreifache Pirouette habe ich zwei Jahre gebraucht, wobei mir Leute aus dem Ballett geholfen haben die Drehungen richtig hinzubekommen.

    T.:Mit dieser Weltklassedarbietung sind Sie nun um die ganze Welt gereist. Welches waren die interessantesten Stationen für Sie ?

    Kris Kremo: Im Prinzip ist mir jeder Auftritt wichtig. Es gibt besseres und schlechteres Publikum und das hat nichts mit dem Land zu tun. Die erste Vorstellung kann hervorragend sein und die zweite nicht. Da gibt es verschiedene Faktoren an denen das liegt. Das kann man nicht so genau sagen. Höhepunkte waren im Palladium London vor der Königin, die Shows in Las Vegas, wo ich längere Zeit bleiben konnte und es einen Luxus darstellte nicht immer reisen zu müssen, dann natürlich das Lido in Paris. Ich habe natürlich auch Circus gemacht, z.B. Knie und Krone, das waren alles schöne Auftritte.

    T.: Was halten Sie von der Varietétheaterentwicklung in Deutschland ?

    Kris Kremo: Jedes Mal wenn ein neues Varieté oder ein neuer Circus aufmacht ist das natürlich gut für einen Künstler. Es hat sich aber immer entwickelt, an einigen Plätzen wurde etwas Neues eröffnet an anderen etwas geschlossen. Die Geschichte der Namen der Varietés wird beibehalten und es wird darüber gesprochen und an die Tradition angeknüpft. Für Deutschland ist das sehr gut. Es gibt immer irgend etwas z.B. auf  Kreuzfahrtschiffen. Hier werden Schiffe gebaut mit Theatersälen wo bis zu tausend Leute hineinpassen usw. Vor dreißig Jahren hätte ich nie daran gedacht Kreuzfahrten zu machen und heute gehört das mit dazu.

    T.: Halten Sie es für legitim, wenn junge Jongleure etwas aus Darbietungen erfolgreicher Kollegen übernehmen und in ihre Darbietung miteinbauen ?

    Kris Kremo: Es kommt immer darauf an, wie es gemacht wurde. Ich bin schon dafür, das es weitergeht und die entsprechenden Elemente auch weitergegeben werden. Das ist wie bei einem Arzt der etwas neues entwickelt und nicht für sich behält, sondern anderen Ärzten zur Verfügung stellt. So sollte es auch in der Artistik sein. Manchmal ist es allerdings schon traurig zu sehen, das die Leute keine eigenen Ideen haben und die Kostümfarbe oder die Requisiten nachgemacht werden, das die selbe Musik genommen wird. Das ist einfach, aber es stört mich nicht. Ich habe das selbst erlebt kopiert worden zu sein. Da gab es einen deutschen Artisten, der sogar in einer Fachzeitschrift inserierte „wie Kris Kremo„. Ich habe damit gelebt zwanzig Jahre nicht kopiert worden zu sein und danach tauchten Kopien auf.

    T.: Sie stammen aus einer traditionsreichen Artistenfamilie. Waren alle auch Jongleure ?

    Kris Kremo: Ich bin die vierte Generation. Sie haben Mikadesch gemacht. Mein Vater war beides und hat sich mit 22/23 Jahren von der Familie getrennt und wurde Jongleur. Mein Großvater begann mit Seillauf von Haus zu Haus und hat dann Trapez mit seiner Frau vorgeführt. Da man das Trapez nicht überall hinhängen konnte hat er Stelzen gebaut und es dort angebracht. Meine Onkel und Tanten haben eigene Darbietungen aufgebaut.

    T.: Woher stammt Ihre Familie ?

    Kris Kremo: Ursprünglich kommt mein Großvater aus Böhmen und hat sich in der Schweiz niedergelassen und ist auch Schweizer Staatsbürger geworden. Ich bin gleichfalls in der Schweiz zu Hause.

    T.: Was wünschen Sie sich für die Zukunft ?

    Kris Kremo: Das sind viele Sachen. Weltfrieden. Das die Leute miteinander besser auskommen. Wenn man viel reist, ist es erschreckend zu sehen, wie sich alles verändert hat, vor allem die letzten zehn Jahre.

    T.: Glauben Sie mit Ihrer Kunst dazu beitragen zu können ?

    Kris Kremo: Das glaube ich schon. Die Leute kommen zu uns um für zwei Stunden ihre Sorgen vergessen zu können. Das sehe ich auch als Aufgabe der Künstler an. Es bereitet einem große Freude, wenn man das Publikum gut unterhalten hat. Das Glück, das vom Publikum zurückkommt macht einen selber wieder glücklich.

    T.: Herr Kremo, ich bedanke mich für das Interview.

    Kris Kremo: Ich danke auch.

    Das Interview führte Hartmut Höltgen-Calvero

     

     

     
    2002-12-15 | Nr. 37 | Weitere Artikel von: Hartmut Höltgen-Calvero