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  • Themen-Fokus :: Clown | Mime

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    Marcel Marceau – der Meister der Stille


    Rückschau auf sein Leben

    Am 23. September 2007 verstarb der berühmte Pantomime Marcel Marceau im Alter von 84 Jahren. Aus diesem Anlass widmen wir ihm hier ein ausführliches Portrait. Es erzählt von seinem Werdegang und Wirken, welches die Mime-Szene nachdrücklich geprägt hat.

    Marcels Anfänge

    Marcel Mangel wird am 22. März 1923 in Strasbourg im Elsass als Kind einer jüdischstämmigen Familie geboren. Sein Vater, Charles Mangel, ist Fleischer, seine Mutter Anne Werzberg stammt aus dem Elsass, sodass Marcel zweisprachig aufwächst.

    Seine Kindheit und Jugend verbringt er in Lille und Strasbourg, die Familie ist Kunst und Musik sehr zugetan. Schon als Kind hegt Marcel große Begeisterung für Charlie Chaplin. 1939, bei Kriegsbeginn, muss die Familie vor den Nazis nach Perigueux flüchten (dorthin, wo heute das internationale Mimenfestival Mimos stattfindet).

    Früh erlernt Marcel Englisch und beherrscht nunmehr drei Sprachen. Er will zunächst Maler werden und besucht die Kunstgewerbeschule in Limoges.

    1943 schließen sich Marcel und sein Bruder Alain der Resistance an und werden von der Gestapo verfolgt. In Marcels gefälschtem Pass steht der Name Marceau, den er von nun an behält. Sein Vater wird von den Nazis deportiert und in Auschwitz ermordet. Marcel und Alain verhelfen vielen verfolgten Kindern zur Flucht in die neutrale Schweiz. Marcel wird Übersetzer für Englisch–Französisch im Dienste der Alliierten.

    Durch die Resistance bekommt Marceau eine Stelle als Zeichenlehrer im Kinderheim. Die Kinder inspirieren ihn durch ihre Spielfreude zum Theaterspiel, sodass er viele Stücke mit ihnen erarbeitet. Daraufhin fasst er den Entschluss, sich für eine Ausbildung zum Schauspieler zu bewerben. Er spricht mit der Rolle des Smerdjakow aus „Die Gebrüder Karamasow“ vor und wird akzeptiert.

    1944 beginnt Marceaus Ausbildung an der Schauspielschule von Charles Dullin. Marceau möchte lernen, Geschichten zu erzählen, Menschen zu zeigen. Seine Vorbilder sind Chaplin und Debureau. Marceau: „Chaplin war mein Held und war mein Gott und er bleibt mein Gott,

    weil er tief ist.“ Er arbeitet hart, probt und trainiert 8 Stunden täglich.

    Das französische Militär zieht ihn ein, er kämpft und zieht in Süddeutschland ein, wo er als Besatzer bleibt, bis er 1946 wieder nach Paris zurückkehren kann. Während seiner deutschen Zeit organisiert er, ganz Theatermensch, gemeinsam mit anderen Auftritte vor französischen Soldaten.

    In Paris kehrt er zur Schule Dullins zurück.

    Die Mime

    Einer seiner Lehrer an der Schauspielschule ist Etienne Decroux. Dieser entwickelte die Geometrie der Bewegung. Das sind z. B. isolierte Bewegungen von Kopf, Hals, Schultern, Becken, die man jeweils drehen (Rotation), beugen (Inklination) oder verschieben (Translation) kann. Er schuf die „Mime statuaire“, d. h. die Kunst der menschlichen Haltung, sowie die „Mime objectiv“, d. h. das Sichtbarmachen von Gegenständen durch das Spielen von Gewicht, Größe, Kraft, Geschwindigkeit mittels Gegengewicht im Körper des Mimen.

    Paul Pörtner: „Der Ausgangspunkt dieser neuen Mimenschule war die Befreiung des Schauspielers von der naturalistischen Überladenheit mit Kostüm, Requisiten und eine Bewusstmachung der wesentlichsten Ausdrucksmittel der Haltung und Geste, des körperlichen Mimens, statt der nur auf das Gesicht beschränkten Mimik.“

    Decroux und Jean Louis Barrault, welcher wie Marceau auf der Schule von Dullin die Mime erlernt hatte, gehen als Hauptdarsteller im Film „Die Kinder des Olymp“ in die Kino-Geschichte ein.

    Marceau ist fasziniert. Er widmet sich mehr der Mime als dem Schauspiel und begreift Decroux als seinen Maitre Mime. Marceau: „Wenn man einen Meister hat, kann man ein Meister werden und wenn man nicht mit einem Meister arbeitet, ist man auch kein Meister.“

    Marceau entwickelt die Kunst der Mime, die Geometrie des Körpers weiter. Seine Mime ist poetisch – Marceau: „ Mit der Pantomime zeigt man die Tiefe des Lebens – die Essenz.“ Und: „Man muss die Leute rühren.“ Er schafft es, Komik und Tragik, Herz und Intellekt zu verbinden, wie sein Vorbild Chaplin. So entwickelt er eine Figur, einen Jedermann, der ähnlich Chaplins Tramp unverdrossen scheitert und so die Herzen der Menschen erreicht: Am 22. März 1947, es ist der 24. Geburtstag von Marceau, erblickt der Clown Bip auf einer Pariser Bühne das Licht der Welt. Bip ist Marceaus große Rolle, Marceaus Markenzeichen. Bip trägt ein gestreiftes Hemd, eine weiße Hose, einen Hut mit Blume. Sein Gesicht ist weiß geschminkt. Mit Bip spielt Marceau im Laufe seines Lebens 48 verschiedene Nummern. Die bekanntesten Nummern von Marceau sind: „Jugend“, „Reife“, „Alter“, „Tod“, „Duell in der Finsternis“, „Der Maskenfabrikant“, „Der Mantel“, „Der Volkspark“, „David und Goliat“ sowie „Bip als Löwenbändiger“.

    Er entwickelt viele Pantomimen-Techniken weiter, eine davon ist das Laufen gegen den Wind, welches als Moonwalk durch Michael Jackson populär wird.

    Im Alter lebt er auf seinem Landsitz in Cahors, in der Nähe von Paris. Täglich trainiert er seine Routinen, um fit und beweglich zu bleiben. Mit Erfolg! 2001 spielt er in Berlin seine Klassiker mit bewundernswerter Geschmeidigkeit. Seine Figuren sind leicht und beweglich. Erst, als er sich am Ende verbeugt, wird sein wahres Alter sichtbar.

    Mit 82 Jahren geht Marceau 2005 ein letztes Mal auf Tournee. Im Laufe seines Lebens gibt er 15.000 Vorstellungen in über 90 Ländern. Im Alter von 84 Jahren verstirbt Marcel friedlich im Kreis seiner Angehörigen.

     

    2008-03-15 | Nr. 58 |