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    Millenium-Fever und andere Katastrophen!

    Was sich im zweiten Halbjahr im Renitenztheater in Stuttgart abspielte, hört sich wie ein Kabarett-Festival an, dabei ist es der ganz normale Gastspielbetrieb.

    Im November trat Jockel Tschiersch mit „80 Tage nackte Panik“ auf, eine Lesung aus abgelehnten Filmdrehbüchern. Seine Programme zeichnen sich durch eine enorme Bühnenpräsenz, durch seine emotionale Spielweise aus. Jockel verläßt immer wieder die Haltung des Lesenden und schlüpft in die Rollen seiner Drehbuchgestalten. Vor unserem geistigen Auge entsteht ein ganzer Film mit all seinen Akteuren auf der Bühne. Tschiersch schlägt das Publikum in seinen Bann, mit einem Schuß Selbstironie, mit doppeldeutigen Anspielungen, die immer wieder Lachsalven auslösen. Nach spannenden 90 Minuten heißt es dann: Fortsetzung folgt. Und das erinnert an seine diversen Rollen als Schauspieler in Film und Fernsehen, z.B. „Rosa Roth“.

    Reiner Kröhnerts „Honni`s Rache“ hat die Wende in Bonn bzw. Berlin schadlos überstanden. Kohl und Schäuble auf der Anklagebank, ein Programm, das 1998 Uraufführung hatte. Da hat die Realität des Spendenkarussels die Satire mal wieder überrundet. Schön, wenn Kabarettisten so einen Weitblick haben. Im Renitenz war dieses Programm mit hervorragenden Parodien eine Woche lang praktisch ausverkauft. Manche Politiker erkennt man erst im Fernsehen, wenn man vorher Kröhnerts Parodien gesehen hat.

    Kurz vor der Jahrtausendwende gastierte das Düsseldorfer Kom(m)ödchen mit dem Endzeitprogramm „Die letzten Tage von Erkrath“. Mysteriöse Prophezeihungen auf einem Bierdeckel deuten in Erkrath eine Katastrophe an. Autos bleiben stehen, Ampeln funktionieren nicht mehr.

    Drei junge Stadträte aus drei Fraktionen versuchen, das Übel aufzuhalten.

    Christian Ehring, auch für die Texte mitverantwortlich, und Volker Diefes von den „Scheinheiligen“ haben sich noch mal gesteigert, wenn das nach der letzten Produktion überhaupt noch möglich war. Nicole Ankenbrand ist die dritte im Bunde, perfekter Gesang, gekonntes Spiel. Kay Lorentz hat mit seiner neuen Truppe einen Glücksgriff getan. Qualitätsmäßig erinnert diese Produktion an die guten alten Zeiten des Kom(m)ödchens.

    Ingo Börchers ist sich für „Nichts zu schade“. Ein junger Kabarettist, der mit der Sicherheit eines langjährigen Routeniers seine satirischen Gerichte serviert. Ausgiebige Rundschläge mit aktuellen Bezügen, Puppenspiel im Kabarett über Rinderwahn, Clinton und Tappert in der Wortspielmühle, mal Satire, mal in der Nähe von Comedy. Der mit einigen Kabarettpreisen Ausgezeichnete wird mit seinen scharfen Formulierungen, einer Portion Mutterwitz in dieser Republik weiterhin für gute, kritische Unterhaltung stehen.

    Zum Abschluß des Jahrtausends dann das neue Hausprogramm „The Last Night Show“. Wie immer unter der Federführung von Gerhard Woyda, der einen Teil der Texte schrieb und für die Gesamtproduktion verantwortlich ist. Regie führte wieder Nico Rabenald, der mit dem Darsteller Michael Frohwin ebenfalls textete. Das Hausensemble, zu dem noch Myriam Pleva, Sebastian Weingarten und Nicolas Gerdell gehören, spielten in gewohnter Professionalität eine Parodie auf die gigantischen Milleniumsfeiern, eine satirische Vorwegnahme von dem, was wir an der Jahreswende erlebt haben, wo jede Metropole die andere mit Mega-Festen übertrumpfen wollte. Auch hier übertrumpfte die Böllernachts-Realität die Satire. In Stuttgart ging es so zur Sache, dass ähnliche Feiern in Zukunft von der Stadt ausgeschlossen worden sind. Auf den Brettern dagegen ein schöner Jahresabschluß auf einer der renomiertesten Kabarettbühnen der Republik.

    In der Stuttgarter Besenwirtschaft Krug ging die erste Runde des neuen Jahrtausends über die Bühne. Seit zwanzig Jahren lassen Karin und Jürgen hier die Puppen tanzen: Mundartdichter, Musiker, Kabarettisten, Staatsschauspieler bevölkern vier bis fünf Tage in der Woche die drei Quardratmeter Bühne in einem wohnzimmergroßen Zuschauerraum. Ernst Konarek las Opern auf bayrisch, brachte eine Parodie auf den ewigen Kampf zwischen Einheimischen und Preußen in Form einer Heimatgeschichte über Enzian, Berge, Seen und die dazugehörenden Touristen. Genial begleitet von den „Sirenen“, die extra für diesen Abend klassische Lieder und bayrische Songs einstudiert hatten. Den Abend beendete der Hausherr mit einem Stück von Karl Valentin, in dem der edle Ritter einen aussichtslosen Kampf gegen den Beleuchter verliert.

    Bernd Kohlhepp gastierte in der Stuttgarter Rosenau. Ein Erzkomödiant, der alle Register seines schauspielerischen Könnens zieht. Seine Spezialität sind die kleinen Verlierertypen, allen voran „Hämmerle“, der in diesem Programm „Allein zu Haus ist“. Er kämpft mit den Tücken des Alltags, überall lauert die Gefahr, ja der Tod, z.B. auf der Küchenleiter. Eine Realsatire, denn im Haushalt verunglücken mehr Leute als auf der Straße. Der Horror der Straße ist ausgeklammert, die eigenen Grenzen werden von Haustüre und Mülltonne makiert. Stark in der Stimme, variationsreich im Gesang. Kein Wunder, Kohlhepp fast ein Dutzend Hörspiele und Tonträger für Kinder produziert.

    Ein absurdes Gedicht, ein Tanz mit dem Bügelbrett oder dem Quirl, der gefährlich um seinen Kopf saust, Kohlhepp ist immer für eine Überraschung gut.

    Im Landespavillon präsentierte eine pfiffige Petra Förster, die ständig in neue Rollen schlüpft, „Mit den Waffeln einer Frau“. Die feine Dame, die nichts gegen Ausländer hat, aber als Weltreisende im Ghettohotel halbverhungerte Hunde durchfüttert, während ihr einheimische, ausgemergelte Gestalten dabei zusehen und ihr mit schlechten Zähnen den Ausblick auf das Meer verschandeln. Mal als dauerplappernde Diva, die sich die Fußnägel lakiert und immer das Gefühl hat, nicht richtig zu Wort zu kommen. Präzise gespielt, ein begeistertes Publikum, und die selbstbewußte Absage: Keine Zugabe, Sie haben heute schon genug des Guten gesehen. Ein wahres Wort, gelassen ausgesprochen. Erwähnenswert das neue Soloprogramm von Jörg Kräuter „Landunter“. Schwarzer Humor, eine wunderbare Doppelrolle mit ausgezeichnetem Dialogwechsel, Wortspiele, kommentierende Lieder mit Hüftschwung und dem schönen schwäbischen Kernsatz: „Man ischt, wie man wischt!“ Feuchte Katastrophen für Fortgeschrittene.

     

    Termine

     

    Stuttgart:

    Merlin:

    25.2. Faltsch Wagoni: „Liebe macht blond“

    29.-31.3. Bukowski Waits for us

     

    Makal City Theater:

    22.-23.2. Giselle: Pantominme Pastorale

    4.-5.4.     Peter Makal: Exe – Caricatura

     

    Theaterhaus:

    20.-22.2. Marcia Haydee, Ismael Ivo: Tritan & Isolde

    26.2. Tango Five spielt wie Waldi – Premiere

     

    KKT:

    18.3. Impro-Show: Neckarwerke

    7.-8.4. Hans Spielmann: Lieder aus heiterem Himmel

     

    Renitenz:

    21.-27.2. Matthias Deutschmann: Finalissimo

    8.-14.4. SWR Kabarettfestival und 40 Jahre Renitenz

     

    Brackenheim, Kulturforum:

    8.4. Bodo Wartke

    13.5. Queen BEE

     

    Pforzheim. Kulturhaus Osterfeld:

    24.2. Theater Wilde Bühne: Die Weißen und die Pinken

    25.2. Huthmacher: Lass den Kopf nicht hängen, Gertrud - Premiere

    2000-03-15 | Nr. 26 |