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    Mit der Satire ist es wie mit der Liebe

    Die Schandmäuler im Bonner Pantheon feiern Geburtstag

    Fünfzehn Jahre ist es her, da eröffnete am Rande der ehemaligen Bannmeile im Bonner Regierungsviertel ein kleines Theater namens Pantheon. Das Heiligtum aller Götter unmittelbar neben dem Sitz der Regierenden. Die sind mittlerweile nach Berlin auf und davon, während das Pantheon zur bundesweiten Institution in Sachen »Kabarett, Komik, Komedie« geworden ist. Welche Stadt da wohl die bessere Karte gezogen hat?

     Kontor für Kunst und Kultur»Es gibt viele große Städte, die sich ein Pantheon wünschen würden«, erklärt Rita Baus, die beinahe seit der ersten Stunde Leiterin der Bühne ist. Gegründet wurde das Pantheon im Juni 1987 aus den Fundamenten des städtischen Kulturforums Bonn-Center, das die Stadt zu viel Geld kostete. Beate Uhse oder Möbelcenter sollten Einzug halten. Woraufhin der Kabarettist Rainer Pause gemeinsam mit seinem Kollegen Heinrich Pachl, dem Musiker Richard Herten, früher Ton Steine Scherben und Schröders Roadshow (jaja, so was gab es schon lange vor dem Bierflaschen-Kanzler), und dem Kleinkunst erfahrenen Bonner Wirt Richard Nilges »ohne eine müde Mark« das Pantheon aus der Taufe hoben.

    »Geistig-moralische Wiederaufbereitung im Bermudadreieck von Provinz, Wasserwerk und Kanzleramt« und »Kabarett, Theater, Show, Musik, Spezialprogramme zu den Wesensfragen unserer geteilten und gebeutelten Nation« stand von nun an auf dem Programm. Die Eröffnungsfeier fand vom 2. bis zum 4. Oktober 1987 statt. »Wir hätten am 3. Oktober Geburtstag feiern können«, sagt Rita Baus nicht ohne Ironie, »aber das wollten wir dann doch nicht.« Immerhin hätten die Pantheoniken ältere Ansprüche als die ehemaligen Nachbarn auf das Datum geltend zu machen.

     

    »Darf ich da mal auftreten?«

    Der Anfang jedoch war nicht einfach. »Mir hat damals jemand gesagt, das dauert sieben Jahre bis der Laden läuft«, blickt Rita Baus zurück. Nach der erfolgreichen Eröffnungsrevue vor 400 geladenen und zahlenden Gästen, pendelte sich die Besucherzahl bei 20 bis 40 pro Abend ein. »Nach einem halben Jahr hätten wir eigentlich zumachen müssen.« Aber dann begann die zweite Erfolgsstory des Pantheons: die Tanznächte. »Die Leute haben bis Köln Schlange gestanden«, lacht Baus. Zwar war in kürzester Zeit der Teppichboden von Zigarettenkippen ruiniert. Aber dem Pantheon hat die Disco das Überleben gesichert - bis heute. Außerdem habe man ein völlig neues Publikum für die Kleinkunst gewonnen. »Viele waren das erste Mal zur Disco im Pantheon und sind nach und nach auch zu den anderen Veranstaltungen gekommen - das funktioniert auch heute noch«, erklärt Baus den unerhofften Werbeeffekt.

    Nach ungefähr drei Jahren sei man schließlich über den Berg gewesen, auch wenn es immer mal wieder knapp war. Und diejenigen, die von Beginn an ins Pantheon kamen, hatten schon manche Sternstunde der Kleinkunst erlebt. So einen denkwürdigen Auftritt eines Helge Schneider, der in Bonn zum ersten Mal außerhalb des Ruhrgebiets in Erscheinung trat. Baus erinnert sich noch gut an die Bewerbung des späteren Katzenklo-Sängers: »Lieber Veranstalter, ich habe gehört, in Bonn gibt es ein neues Theater. Darf ich da mal auftreten...«

     

    Wer hier auftritt, ist unser Gast

    Dass Größen wie Helge Schneider oder Gerhard Polt bis heute im Pantheon zu Gast sind, während sie längst die großen Hallen füllen, liegt zum einen daran, dass sie immer noch wissen, wer ihnen vor vielen Jahren eine Auftrittsmöglichkeit gegeben hat. Aber viel wichtiger ist wohl die Philosophie Baus, dass wer im Pantheon auftritt Gast und »bei uns zu Besuch« ist. Nach den Aufführungen geht sie mit ihren Gästen zum Essen und sorgt für Übernachtungsmöglichkeiten. »Ich möchte die Menschen kennen lernen«, sagt Baus. »Das ist mit ein Grund, warum mir die Arbeit hier seit fünfzehn Jahren Spaß macht.«

    Aber auch neugierig muss man bleiben, um eine Bühne wie das Pantheon über eine so lange Zeit zu führen. »Das erhalte ich mir unter anderem auch, indem ich hier ausbilde«, sagt Baus. Zwei Auszubildende beschäftigt sie zur Zeit. »Das ist ja eine andere Generation, die neue Anstöße gibt.« Und wenn doch einmal die Erschöpfung siegt? »Dann denke ich mir ganz neue Sachen aus - wie den Prix Pantheon zum Beispiel.«

    Der wird seit 1995 jährlich veranstaltet und prämiert »die Größe der sogenannten Kleinkunst«. In einer offen ausgetragenen Auseinandersetzung werden drei Preise vergeben: ein Jurypreis »frühreif & verdorben«, ein Publikumspreis »beklatscht & ausgebuht« und einen Sonderpreis außer Konkurrenz »reif & bekloppt«. Zu den Preisträgern zählen bis heute so unterschiedliche Künstler wie Ars Vitalis, Michael Mittermeier, Robert Gernhardt, Matthias Brodowy oder Harald Schmidt, über den Gerd Köster 1998 treffend sagte, dass er »trotz seines Mega-Erfolgs als Kabarettist und Radiomoderator, die Zeit finde, seiner heimlichen Liebe, dem Fernsehen zu frönen.«

    Redaktion: Christoph Pierschke

    AdNr:1047b 

    2002-12-15 | Nr. 37 | Weitere Artikel von: Christoph Pierschke