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    Von Hammondorgeln, Domspatzen, Stars und Newcomern

    Das Geld sitzt nicht mehr so locker im Geldbeutel wie einst. Das merken die Veranstalter ebenso wie die Musiker. Dennoch scheint sich nach wie vor musikalische Qualität zu rentieren. Und neue Initiativen gibt es gottseidank auch noch. Auch der Nachwuchs hat immer wieder selbst fernab von der Superstarsuche noch Chancen, ins Geschäft zu kommen. Etwa der „Ray Collin's Hot Club”, der die swingenden Fünfziger im passenden Nachkriegsoutfit wieder zum Leben erweckt. Die 9 jungen Kerle sind das Zuhören wert. Tolle Bläsersets und eine deftige Rhythmusgruppe verkünden: „Ain’t nothing but the blues“.  

    Seit dem Jahr 2000 gibt es die Mannheimer „Boogaloo Kings“, seit 2002 werden sie unterstützt durch den New Yorker Gitarristen und Leiter der Harlem Gospel Singers J.-C. Doo - Kingue. Für mich war die Band eine echte Entdeckung. Die Boogaloo Kings lassen in ihrer Show den Blues bluesharpmäßig triefen und frönen vor allem dem Boogie.

    Sidney Youngblood , Altmeister und platinveredeltem Soul –Star ist immer noch gut  für eine spitzenmäßige  American-Soul-Party.  1989 gelang ihm mit „If only I could“ der Durchbruch. Auf seiner derzeitigen Tournee reiht er singend und querflötend seine großen Hits aneinander wie Perlen auf einer Schnur. Besondere Power zeigt aber auch seine philippinische Sängerin Tess, die vokal voll auf der Höhe ist. Nicht nur bei „We are family“ lässt diese energiegeladene Frau die Menschen vor der Bühne zu einer Riesenfamilie zusammen wachsen.

    Stimmig und stimmgewaltig lassen derzeit  auch die „Big Brothers Of Blues“ aufhorchen. Mit eigener 3-köpfiger Band sind Wilson Blount und Greg Copeland  in der Lage, kreativ aus drei Grundakkorden das musikalisch Machbare zu entwickeln. Sonnenbebrillt und mit tief in die Augen gezogenen Hüten zelebrieren die Brothers den urgewaltigen Blues bis zum mitreißenden „I feel good“.

    Die acht  „Swingin' Fireballs“  nehmen die Fans bei ihren Konzerten mit auf eine Zeitreise in das Amerika der 50er und 60er Jahre. Glaubwürdig und mit Eleganz jazzen die dem Swing verpflichteten Fireballs unter dem jubelnden Beifall ihrer Zuhörer Titel wie „Leroy Brown“ oder „Manyana“.  Robbie Williams, Frank Sinatra &Tony Bennett scheinen dabei mit von der Partie zu sein. „Real golden Oldies!“

    Erstmalig habe ich auch die Krakauer Formation „The Crackers“ gesehen, die beweisen, das  funkiger Soul auch aus Polen importiert werden kann. Vor allem dann, wenn es um balladiöse Songs wie „I wanna be so funky“ geht, bei denen die Sängerin irgendwie an Sade erinnert.

    Deborah Woodson, Vocaltrainerin bei Bohlen und Co., ist in der Tat die „Queen Of Blues“ Bei ihr lassen die Zuhörer die Seele baumeln. „What a different a day makes“ singt diese Frau über 3 bis 4 Oktaven und verleiht dem „Georgia on my mind“ mit der chamäleonartigen Anpassungsfähigkeit  ihrer einzigartigen Bluesstimme Unsterblichkeit. 

    Gottseidank durfte ich auch Tyree Glenn Jr. erleben. Sein Vater spielte bei Armstrong Posaune und legte seinem Sohn die Musikalität in die Wiege. Dieser Ausnahme-Saxophonist und  Entertainer ist über jeden Zweifel erhaben. Was er macht, ist brillant. Fest im Genre-Sattel sitzend  wechselt Glenn zwischen Jazzstandards, Funk, Soul und eigenen Werken. Mitreißend. Entertainment at it’s best! Spitzensoul der legendären 70er Jahre.

    Mein Gefühl trügt nicht. Spätestens seit  Robbie Williams boomt vor allem der Swing, auch der Sinti – Swing. Einer der exaltiertesten Vertreter dieses Genres ist Wolkly Rosenberg. Der regeneriert den Sinti-Swing, lässt dem hämmernden Two-Beat seinen Lauf und zieht sein Publikum ausnahmslos in den Bann. Ob mit seinem Terzett oder in der Quartett-Besetzung: Wolkly ist einfach nur gut.  Ungewohnt aber betörend klingen die Saxofon-Tiraden des Lulo Weiß, der in dieser Formation dem Sound neue freiere Facetten hinzufügte. Das Ganze wird noch übertroffen; Wolkly präsentiert in der Quintett-Besetzung den Gitarristen Joe Pawolino, der weltweit Jazzgeschichte geschrieben hat. Ihn hält es nicht auf dem Stuhl. Joe begeistert mit tollen Riffs und einer sichtbaren Freude am gemeinsamen Musizieren, bei dem sich die Musiker die Soli wie Bälle zuwerfen. Ein weiterer Sinti-Swing-Aktivist  ist  Dietrich-Geldern mit seinem Swingtett. Titel wie  „Moonglow“, Duke Ellingtons „In a mellow tone“ oder der berühmte „St.Louis Blues“ sind wirkliche Höhepunkte. Einfach beeindruckend ist das Zusammenspiel der Band um den Klarinettisten und Saxofonisten Geldern. Der besondere Kick der Präsentation wird ausgelöst durch Armin Schäfer, der ebenso souverän wie lässig Pfeife rauchend das Vibraphon bedient.

    Auch Wedeli Köhler ist ein wahrhafter musikalischer Tausendsassa. Er ist der Teufelsgeiger,  der schon die Queen und den Papst begeisterte. Mit legendären Swing-Nummern, mit Sinti-Waltz, schmachtenden Melodien und rasantem Csardas gewinnen Köhler und sein „Hot Club da Sinti“ bei jedem Gig neue Fans dazu.

    Faszinierend ist dabei auch die problemlos mögliche Umbesetzung an den Instrumenten. Vater Wedeli spielt da auch schon mal meisterhaft Klavier oder Sologitarre, während Sohn Benjamin an der Geige in die Fußstapfen seines Vaters tritt.

    Ich sprach bereits von neuen mutigen Initiativen. Zwischen Koblenz und Köln hat Manfred Schmidt in der Bendorfer Concordiahütte, einer ehemaligen Fabrik und jetzigem Industriedenkmal, die Reihe „Jazz am Freitag“ ins Leben gerufen. Sowohl „local heroes“ als auch weithin bekannte Formationen werden dort auf die Bühne gehen. Der Veranstaltungsauftakt war trotz ausgebliebenem großen Publikumsandrang erfolgversprechend. Und die Bühnenpremiere der neuen Formation Hammondexx auch . Kreativ kreierter Jazz, gespielt von drei Musikern, die tief hineingehen in die Geschichte des Jazz und jeden einzelnen Titel mit Herz aufbereiten, fand die ungeteilte Begeisterung des Auditoriums. Armin Franz spielt virtuos die legendäre elektro-magnetische Hammond – Orgel samt Fußpedal, lässt sein Instrument erzählen, kreischen, schickt  melodischen Gesang durch die Leslie-Box. Joachim Marmann an der Gitarre fühlt sich zu Hause in der Jazzakkordik und produziert solistisch gleißende Slides und Läufe. Und Manfred Schmidt an den Drums ist nicht nur für den Rhythmus zuständig, sondern komplettiert den gemeinsamen Sound auf kongeniale Weise. Zusammen erzeugt das Trio einen Jazz, der selbst bei Standards wir dem Latin „Manha de Carneval“ überzeugend frisch klingt. Bei all dem reduziert  Hammondexx sein Repertoire nicht nur auf Mainstream und Swing, den sie bei „Setting doll“ souverän grooven und swingen lassen. Auch ihre Umsetzung von Modern Jazz bis zum exaltierten Funk ist großartig. Bleibt zu hoffen, dass „Jazz am Freitag“ Erfolg hat.

    Ein paar Worte noch zur Klassik.

    Ihr guter Ruf eilt ihnen derart voraus, als würden es die Spatzen von den Dächern pfeifen. Die Regensburger Domspatzen sind immer gut für vollbesetzte Veranstaltungsräume. Unter der Leitung von Domkapellmeister Roland Büchner zelebrieren die Knaben und jungen Männer des ältesten und renommiertesten Knabenchores der Welt Werke von der Gregorianik bis zum 20. Jahrhundert, von Palestrina bis Nystedt.

    Authentizität der Darbietung scheint die Maxime der musikalischen Boten aus Regensburg zu sein. Souverän, strukturierend und eindeutig führt Büchner den Chor in der Konzertsituation zu maximaler Sangeskunst. Nur so – und mit dem nötigen Feingefühl für klangliche Feinheiten und dynamische Entwicklungen entstehen Klanggebilde von teilweise bizarrer Schönheit. Lauridsens „O nata lux“ bleibt offen in den Harmonien. „Singet dem Herrn“ von Heinrich Schütz kann als bewegtes und bewegendes Werk erspürt werden. Und Felix Mendelssohn-Bartholdys „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren“ oder das berühmte „Warum toben die Heiden“ fasziniert in den harmonischen Klangsäulen mit leuchtend schillernden Tonkristallen. Und die Domspatzen singen wie wohl kaum ein Chor schöner singen kann. Die Sänger sind mitgerissen von dem, was sie kunstvoll darbieten – und sind bei allem beherrscht von der Freude am Gesang. Und die Zuhörer klatschen Beifall ohne Maßen.

    Frohe Weihnachten - und bis demnäx.

    Euer Bernhard Wibben

     
    2003-12-15 | Nr. 41 | Weitere Artikel von: Bernhard Wibben