Die Welt ist der blanke Wahnsinn, und wir haben uns daran gewöhnt. Auch daran, dass all das, was da auf dem Brettl passiert, schon etwas durchgeknallt sein muss. Weniger ist nicht lustig. Und diese Überzeugung verführt zu Übermut mit dem Ergebnis, dass da vieles nicht mehr komisch ist, sondern arg zum Albernen neigt. Die Komik jedoch erzeugt man am besten mit dem kleinen Finger und nicht mit dem Arm. Vor allem kann man sie nicht zwingen. Was man aber allzu oft auf den kleinen oder größeren Bühnen immer wieder erlebt: Die Stars und Sternchen wollen ihr Publikum weniger überraschen als glatt überrennen. Das macht den Eindruck, man wolle auf der sicheren Seite sein und Eventualitäten gar nicht erst zulassen. Aber es geht auch anders.
Das Chemnitzer Kabarett hatte im November das Programm „Der Nächste bitte!“ vorgestellt. Ein Programm über nicht weniger als die Gesundheitspolitik. Hier kann man erleben, dass man das Publikum nicht unbedingt mit Ulk zuschütten muss. Es ist ganz nah am Geschehen dran, wenn es merkt, dass es nicht Objekt, sondern Partner im Geschehen ist. Bei Ellen Schaller, Eckard Lange und Gerd Ulbricht entsteht eine kommunikative Atmosphäre, und die reißt mehr mit als aller Jux vom Fass. Zu erleben bekommt man im Keller der Chemnitzer Markthalle kabarettistische Variationen zu Gesundheit und Politik. Eine Analyse ist das nicht, aber ein Programm, in dem sich das Publikum wiederfindet.
Neues gibt es auch wieder von den academixern zu vermelden. Das Programm heißt „Einfach mal abschalten“, auf der Bühne stehen Ralf Bärwolff und Peter Treuner, die auch die Texte geschrieben haben, und eingerichtet hat das Ganze für die Bühne Frank Voigtmann. „Einfach mal abschalten“ ist eine Überschrift, die viele Deutungen zulässt. Da das Programm sich die Unarten der Mediengesellschaft zum Thema gesetzt hat, wird das Abschalten auf die Gerätschaften, Radio oder Flachbildschirm, bezogen sein. Jedoch, wenn man dann sicher ist, dass mit Medien nur Unterhaltung gemeint ist, drängt sich mehr und mehr das geistige Abschalten als Erklärung auf. Der Inhalt des Abends ist dünn, das liegt am Thema, und die Parodie zeigt einerseits, dass man das sehr wohl weiß und sich deshalb spottend distanziert. Mutig ist das nicht. Formal sind schöne Szenen zu erleben, so die fast auf Pantomime reduzierte Parodie einer Seifenoper oder wie Bärwolff und Treuner Muster von Herricht und Preil oder von Loriot zitieren. Doch das Ganze ist zwiespältig. Man unterhält mit dem, von dem man sich ja inhaltlich eigentlich distanziert. Das ist ein Prinzip, welches bei den academixern momentan so praktiziert wird. Politisches Kabarett nicht ganz, aber doch, und Spaß vom Fass schon, aber auch nicht ganz. Sie wollen das eine nicht lassen und das andere nicht tun. Lieber sollten sie sich zu ihrer Spielart bekennen, der publikumswirksamen Unterhaltung ohne tiefgründigere Absichten.
Auf der gleichen Bühne hatte am 31. Januar die Schwarze Grütze aus Potsdam Premiere. Ein Beleg auch für ihr enges Verhältnis zur Szene der Lachmessestadt. Das neue Programm haben sie „Bühnenarrest“ genannt. Das ist wieder so eine Überschrift, bei der man eine plausible Erklärung sucht. Aber genau das wollen sie nicht. Um es vorwegzunehmen: Es ist ein ausgesprochen gutes Programm. Und das nicht nur deshalb, weil Stefan Klucke und Dirk Pursche wirklich gute Musiker sind, die es verstehen, die Bühne im Handumdrehen in einen lebendigen Schauplatz zu verwandeln. Sie leisten auch in ihren Texten grandiose Wortarbeit. Ob Kalauer, kleine Albernheiten, gezielte Pointen oder einfach nur Quatsch – sie wissen alles in einer wirksamen Dosierung zu verabreichen. Das Komische und Alberne bleiben säuberlich voneinander getrennt. Vor allem gelingt es ihnen, immer wieder zu überraschen. Da gibt es keine Pointen von der Stange oder Heiterkeit vom Fass. Das Publikum hängt den beiden an den Lippen, dennoch, sie lassen sich vom Erfolg getragen nicht von ihrem Konzept abbringen. Und zeigen trotz aller Heiterkeit Haltung. Nicht durch Gardinenpredigten, Klucke und Pursche bleiben ihrem Genre treu und erzählen in ihren Liedern Geschichten, in denen im passenden Moment sinnträchtige Katastrophen geschehen. Und damit beschreiben sie die Welt. Ein Abend, an dem Kopf und Bauch gleichermaßen bewegt werden. Apropos Bühnenarrest: So gut, wie das Programm ist, wird die Schwarze Grütze sobald von der Bühne nicht wieder herunter kommen.
Redaktion: Harald Pfeifer
11.03. Herkuleskeule: Budenzauber
15.05. Kaisersaal Erfurt: Salzburger Stier Gala-Abend
16.05. Kaisersaal Erfurt: Salzburger Stier Preisträger-Abend
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