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    Aktuelle Kritik: Heiteres Verzweifeln: Stella Helvetia im BKA

    Bei der Ankündigung ist man sich nicht sicher: Ist Stella Helvetia ein Mann, eine Frau? Schweizerin? Berlinerin? Dann kommt das Wesen auf die Bühne und ist klar ein Er. Aber kein aufgetuffter Transvestit, wie es auf den Berliner Bühnen einige gibt. Eine große und doch zerbrechlich wirkende Gestalt in einer schönen Tracht. Stella Helvetia kommt aus der Schweiz, im wahren Leben betreibt er ein Kleintheater in der Nähe von Zürich, und nach Berlin ist er gekommen, um Chansons zu singen und etwas Artistik zu zeigen. Begleitet wird Stella von den „Taugenichtsen“ – einem hervorragenden Jazz-Trio bestehend aus dem Pianisten und Arrangeur Christoph Reuter, dem Bassisten Steffen Illner und dem Schlagzeuger Jens Dohlen, der in seiner gelegentlichen Ekstase ein bisschen an das „Animal“ aus der „Muppet Show“ erinnert. Der Pianist Thomas Grunder, mit dem Stella in der Schweiz allein auftritt, hat hier nur eine Statistenposition und wird auch noch als „Walter Röschti“ vorgestellt. Kein Wunder dass er die ganze Zeit reglos und missmutig hinter seiner elektrischen Orgel sitzt.

    Zwischen den meist selbstgeschriebenen Chansons erzählt Stella vom Überdruss in der Schweiz und ihrer Sehnsucht nach der Freiheit in Berlin. Es fehlt an Dramaturgie, die Pointen sind zu angedeutet für die bissigen Berliner. Aber trotzdem gelingt der Abend. Denn Stella hat Mut und liefert sich dem Publikum in ihrer ganzen Unsicherheit aus. Die ist sowieso verschwunden, wenn sie singt. Da ist Stella ein Profi mit einer kraftvollen und doch intimen Stimme. Manchmal erinnert sie an Tim Fischer, aber ohne dessen Pathos. Zwischendurch balanciert Stella ein ganzes Chanson lang auf einem Bein über ein Seil oder klettert auf sieben aufeinandergestellten Stühlen an die Decke des Theaters. Im Frauenkleid setzt der Mann Stella Helvetia kein Getue auf, um feminin zu wirken. Sondern er forscht ganz innerlich nach seiner Weiblichkeit und findet sie in kleinen Gesten. Und damit gelingt ihm und ihr etwas sehr Seltenes: Stella Helvetia weckt den Beschützerinstinkt im Berliner Publikum.

     

    Redaktion: Susann Sitzler

    2004-03-15 | Nr. 42 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler