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    Barocke Bierbauchengel und ein magischer Schrei

    Es gibt Rätsel, die wohl nie gelöst werden können. Fragen, die nicht zu beantworten sind. Eine solche stellen sich Jahr für Jahr die Besucher des Lustspielhauses, wenn sie das Theater nach einer Aufführung des Hausensembles verlassen. Wie ist es nur möglich, so fragen sich die Menschen mit heiser gelachter Stimme gegenseitig, wie ist es nur möglich, jedes Jahr aufs Neue völlig neuen Blödsinn aus dem Hut zu zaubern? „Occams Rache No 8 – aus Liebe zum Irrsinn“ heißt das Programm in diesem Jahr sinnigerweise. Die Gaudimaschinen aus München treten erstmals wieder als Sextett auf: Helmut Schleich, Michael Altinger, Manfred Kempinger, Gabi Rothmüller, Andreas Giebel und Alexander Liegl zelebrieren ein bayerisch-barockes Humorhochamt.

    Zick Zack Traum TheaterJa, sie tun es tatsächlich, sie treten sogar als Putten auf, als Bierbauch-Engelchen, die vom Deckenfries gefallen sind, und streicheln sich selbstverliebt über die ein wenig prall gewordenen Bäuchlein. Was die sechs sagen, ist einfach lustig. Da muss selbst der verbissenste Verachter des gepflegten Wortspiels lachen. Wer kann schon an sich halten, wenn ein Michael Altinger den eigentlich verbotenen Satz: „Im Wirtshaus ist es wia z’Haus“ sagt? Das kann nur einer machen, der sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Und genau das scheint das Erfolgsgeheimnis der Schwabinger Gaudifabrik zu sein. Es werden nur bewährte Pointen und Gags auf die Bühne gebracht; Worte, Gesten und Kostüme, über die die Künstler bestimmt selbst schon lauthals gelacht haben. Und was kann besser sein, als ein Scherz, über den gestandene Humorarbeiter selbst lachen müssen?

    Die Regisseure Martina Schnell und Werner Winkler hatten sicher reichlich Arbeit, die Vollblutkomödianten im Zaum zu halten. Es ist ihnen trefflich gelungen. Der Irrsinn im Lustspielhaus war eine runde Sache.

    Nur eine Straßenecke weiter wird – ähnlich wie im Lustspielhaus – Jahr für Jahr auf eine ganz bestimmte Premiere gewartet. Denn traditionell im Sommer haben die Programme der Lach- und Schießgesellschaft ihre Erstaufführung. Ein paar Mal hat man schon vergeblich gewartet, das Ensemblekabarett im Stile von Dieter Hildebrandt und Co. für tot erklärt. Dann hat man es wiederbelebt und noch einmal neu gestaltet. Und siehe da – mit einem Mal scheint wieder ein wenig Kontinuität in die Haustruppe des so genannten „Ladens“ zu kommen. Die Gruppe mit Sonja Kling, Ecco Meinecke, Michael Morgenstern und Thomas Wenke hat nun ihr zweites Programm auf die Beine gestellt. Und endlich kommt wieder zum Tragen, was in früheren Zeiten immer die Stärke der Lach- und Schießabende war. Da wird auf die Bühne gestellt, was in der Gruppe selbst entstanden ist. Autor des absurden Theaterkabaretts rund um den Diebstahl des Gemäldes „Der Schrei“ von Edward Munch ist einer der Bühnenakteure. Der Münchner Kulturtausendsassa Ecco Meinecke hat mit „Abgehängt“ sein kabarettistisches Meisterstück hingelegt. Er hat den Beweis angetreten, dass engagiertes Politkabarett möglich ist, ohne sich der Requisiten aus dem Kabarettmuseum zu bedienen. Kein drohender Zeigefinger, keine Lehrerattitüde und alles andere als ein verbitterter Politrundumschlag. Und all das aufgehängt an der Story eines abgehängten Bildes. „Der Schrei“, der ja unlängst wirklich entwendet worden ist, sei, so die Lach- und Schieß-These, aus der Öffentlichkeit entfernt worden, weil das Bild – mit magischen Kräften versehen – in der Lage ist, politischen Unmut zu erzeugen. Eine unglaubliche Geschichte, unglaublich absurde Politcomedy.

    In der Stadtmitte poltert derweil ein Urgestein der Münchner Bühnengilde über die Bretter des kürzlich äußerst gelungen aufmöblierten Theaters im Fraunhofer. Jörg Hube, der Meisterschauspieler mit dem scheinbar schläfrigen Dackelblick, gibt in „Sugardaddy“ Seite an Seite mit Beatrix Doderer einen alternden Quälgeist, der seiner viel jüngeren Frau einst versprochen hatte, sie zum großen Sangesstar zu machen. Und ihr doch nicht mehr bieten konnte als ein Leben als Krankenschwester an der Seite eines immer merkwürdiger und immer fieser werdenden, sich im Stadium des nicht enden wollenden Siechtums befindenden Mannes.

    „Machen wir uns nichts vor: irgendwo tropft es immer“, heißt es im Infotext zum neuen Programm von Faltsch Wagoni. Die Musik und Sprachakrobaten Silvana Prosperi und Thomas Busse präsentieren mit „Nicht ganz Dichtung“ ihr neues Programm am 11. Oktober im Lustspielhaus und versprechen eine Wortbeat-Satire. Was unter Wortbeat zu verstehen ist, wird natürlich an dieser Stelle erklärt: Wortbeat ist, wenn sich aus heiterem Himmel Text zu Rhythmus verdichtet. Das hört sich doch gut an, das hört sich ganz nach Faltsch Wagoni an.

    Tief im Westen der Stadt, in der Pasinger Fabrik, freut man sich ja bekanntlich das ganze Jahr über auf die Adventszeit. Denn da findet traditionell der Wettbewerb um den Kabarett-Kaktus statt. Doch das große Kulturzentrum am Rande der großen Stadt hat auch übers Jahr etwas zu bieten. Ein schnuckeliger, plüschiger Raum für 99 Personen wurde hergerichtet und beherbergt von Mitte bis Ende Oktober die Chanson-Musik-Kabarett-Tage, an denen sich lokale Stars wie Luise Kinseher oder Unsere Lieblinge ebenso präsentieren wie Geheimtipps, z. B. das bayerische Rocktheater Zinner und die Hurricans oder der in St. Ingbert ausgezeichnete Liedermacher und Geschichtenerzähler Fabian Schläper.

    Redaktion: Andreas Rüttenauer

    Agentur Olivia Reinecke


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    2005-09-15 | Nr. 48 | Weitere Artikel von: Andreas Rüttenauer