Peter Grohmann versuchte wie in jedem Jahr, im Theaterhaus seine private Maifeier zu veranstalten. Verkleidet als Arbeiterführer, die verstaubte DDR-Fahne im Koffer, die dann auch kräftig geschüttelt wird, damit die erste Reihe auch eine Ahnung davon bekommt, was eine Staublunge ist. Scharfe Satiren, improvisierte Abläufe, schockierende Passagen, wo der Zuschauer ständig überlegen muss, ob das nun ernst oder satirisch gemeint ist. Der Ausnahmekabarettist, der im letzten Jahr zum zweiten Mal nach 1945 aus Dresden in den Westen flüchtete, schreckt nicht davor zurück, in der Pause den potentiellen Senkrechtstarter Hans Giesenhaus ohne Vorwarnung auf die Bühne zu holen, dessen Spontanauftritt sich angenehm vom üblichen Comedyflachsinn abhebt.
Erwähnenswert auch die Premiere von Bert Drechsler und Michael Hohnloser vom Theater Schräglage, die mit „Bin kurz hier gewesen" an den amerikanischen Arbeitersänger Woody Guthrie erinnerten. Guthries Tochter war zur Premiere anwesend. Für Bert Drexler die vierte Produktion innerhalb weniger Monate. Er hat schon mit mit seinen Duoauftritten und Chorgeschichten mehrfach sein 60. Lebensjubiläum gefeiert. Eine weitere Premiere, die verschoben worden war, hatte das neue Hausprogramm „I want to hold your Hendl", das 1. Fast-Food-Musical. Bericht im nächsten Trottoir.
Im Laboratorium trat der Londoner Blues & Soul-Poet Paul Millns auf, dessen Stimme immer wieder mit der von Cocker verglichen wird. Paul, der schon viele Filmmusiken komponiert hat, ist im Club ein guter alter Bekannter. Im August ging das 20. Lab-Festival mit Pachl, Konejung, Renft Combo und Timna Brauer über die herrliche Freilichtbühne im Park.
Der Circus Calibastra, ein Zusammenschluss ehemaliger Schüler der Waldorfschule Stuttgart-Vaihingen, präsentierte sein artistisches Programm in einem riesigen Zirkuszelt. Die bunte Mischung aus Clownerie, Jonglage, Tanz und fliegenden Menschen begeisterte wie jedes Jahr Jung und Alt. Ob Salsa, ironische Lieder, die Arbeit am witzigen roten Faden, Menschenpyramiden oder Seiltanz, das monatelange Training hat sich bezahlt gemacht.
Im Treffpunkt Rottebühlplatz fand ein MundArt-Wochenende statt. Unter der fachkundigen Conference von Helmut Pfisterer traten zum Abschluß Sven Sonntag und Anton Tauscher auf, die ihr kabarettistisch-musikalisches Feuerwerk abbrannten.
Im Landespavillon rockte Wolle Kriwanek zum Nulltarif. Von „Ich fahr Daimler, d`Schdroß gehört mir" bis zu „Gugg, i han a Ufo gsä" spielte Wolle mit Unterstützung von Paul Vincent und Band einen Mix aus alten Hits und neuen Songs. Thomas Felder, einer der profiliertesten Liedermacher der süddeutschen Szene und einer der politisch konsequentesten, brachte einen Querschnitt durch die Programme der letzten Jahre.
„Creation" heißt das neue Stück vom piccolo Teatro, das als Benefiz-Veranstaltung für die Stiftskirche neu inszeniert wurde.
Uwe Steimle sitzt im Sessel, liest, spielt zwei Rollen: Frau Bähnert und Herr Zieschong. In seiner szenischen „Ostalgie – uns fracht ja keener"-Lesung kommt Uwe immer wieder raus. Er war leicht verunsichert, denn im Renitenz hat man hautnahen Kontakt zum Publikum, es gibt kein schwarzes Loch, in das man theatermäßig hineinspielen kann. Er mußte seine witzig durchgearbeitete Show mehrfach unterbrechen, was den Sympathiebonus im Publikum noch steigerte. Ein Hagel von Alltagsgags, angesiedelt zwischen Kabarett und Comedy, Gespräche mit dem Publikum, Uwe als Aufklärer der Wessis, die einige Ossi-Gags nicht verstehen, aber auch Apelle: „Jetzt muss ich mal wieder moralisieren!". Im flotten Wechsel werden die beiden Rollen gut und präzise gespielt, seine Stärken sind Stimme und Mimik. Da er auf Blackouts verzichtet, signalisiert er das Ende seiner Episoden mit einem Schluck Wasser. Es gibt viel zu kichern, wenn es um den real-demokratischen Ost-Alltag geht. Nachdem er zum Abschluss im Honecker-Tonfall „Brüder zur Sonne, zur Freiheit" gemeinsam mit dem Publikum geschmettert hat, entpuppt er sich noch als der schnellste Kabarettist Deutschlands. Vor dem ersten Zuschauer verließ Uwe das Theater durch den Zuschauerausgang und verschwand Handy schwingend in Richtung Fußgängerzone.
Seit drei Jahren veranstaltet Georg Kreisler mit Barbara Peters seine Abschiedstourneen. Dieses Mal soll es definitiv die letzte gewesen sein. Zu Gast war er im Mercedes-Forum, um noch mal die guten, alten, bösen Liedern im überfülltem Saal zu präsentieren. Nachdem er ziemlich rüde den Bildjournalisten das Fotographieren verboten hat, glänzt er mit seinen alten Songs, die auch nach gut 40 Jahren so politisch sind, das sie der Fischer-Schröder-Connection locker die Leviten lesen können.
Redaktion: Bruno Schollenbruch
Stuttgart:
Laboratorium
06.10.01 Christian Überschall
26.10.01 Thomas Reis (Neues Programm)
29.11.01 Mittwochsfazit: Maurenbrecher & Freunde
Renitenztheater:
2.10.-04.11.01 Robert Kreis: Blitzlichter der Zeit
5.-11.11.01 Maul & Clownseuche
12.-18.11.01 Christioph Sonntag: Reich und schön...
20.-22.11. Honey Pie: Best of
23.-25.11.01 Bernd Lafrenz: Minne, Mord und Memmen
26.11.-8.12.01 Desiree Nick: Neue Show
Theaterhaus:
11.-13.10.01 Acapickels: Die Homestory
1.12.01 Götz Alsmann: Filmreif
Esslingen: Dieselstrasse 26
13.10.01 Matthias Brodowy: Kaltstart
27.10.01 Thomas Philipsen: Wahre Helden
7.-8.11.01 Mushin Omurca: Tagebuch eines Skinheads
17.11.01 Helge Thun & Udo Zepezauer
Brackenheim: Kapelle im Schloss
21.10.01 Pe Werner: Herzkönigin
04.11.01 Matthias Belz: Eigenes Konto
17.11.01 Pippo Polina
Pforzheim: Kulturhaus Osterfeld
2.10.01 Marlene Jaschke
12.10.01 David Leukert
21.11.01 Queen Bee
27.11.01 Hannes Wader
29.11.01 Azizah Mustafa-Zadeh
01.12.01 Franz Hohler
AdNr:1082