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  • Szenen Regionen :: Hamburg

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    Gelobt sei, was Hartz macht

    Manchmal erinnert es an asiatische Schriftzeichen, was das Handstand-Damenduo Azalé mit seinen Körpern in die Luft unter der Spiegelzeltkuppel malt: Auf jeden Fall ist es poetisch getönte Ästhetik in Vollendung. Das Programm seiner alljährlichen „Palazzo“-Dinnershow, mit dem Eckart Witzigmann neben Düsseldorf, Frankfurt, Köln und München nun erstmals auch in der Hansestadt gastiert, beweist, dass bei dem in München ansässigen „Jahrhundertkoch“ nicht nur an Töpfen und Pfannen Künstler agieren. Geschäftlicher Urheber des Geschehens ist übrigens der Frankfurter Konzertveranstalter Matthias Hoffmann („Die drei Tenöre“).

    Vor allem mit erstklassigen Artisten wie der Seiltänzerin Molly Saudek oder dem Trapezduo Artimiev begeistert es das festlich tafelnde Publikum. Der Comedy-Teil bietet ebenfalls Highlights wie die Clowns Chizhoc und Kolomiets, ist aber zum Teil, etwa mit Stimmungskanone Sanja Shihora („Inderwahnsinn“), auch flacher besetzt.

    Verantwortlich für das Hamburger und Münchner Showprogramm zeichnet der amerikanische Pantomime-Star, Regisseur und Tony-Preisträger David Shiner (50), der u. a. bei Roncalli, Cirque du Soleil sowie am Broadway reüssierte. Im Trottoirgespräch berichtete Shiner von den Castings, bei denen für Hamburg rund 15 Künstler aus Kanada, Russland, der Ukraine, Italien, England und Indien ausgewählt wurden. Der starke deutsche Nachwuchs würde langsam rar, und das läge nicht nur an der Konkurrenz u. a. aus Osteuropa: „Hier fehlt eine klare Ausbildung mit guten Lehrern“, meinte Shiner. „Junge Talente sind genügend da. Jetzt brauchen wir Investoren.“

    Auffallende Terminplanung: Fast zeitgleich mit Witzigmann werden in Hamburg auch noch der „Wohlfahrt Palazzo“ sowie der „Dinner-Zirkus Hagenbeck“ geboten. Zu welchem wirtschaftlichen Ergebnis dies in Zeiten der Krise wohl führen mag ...

    Den eigentlichen Hamburger Saison-Start markierten zuvor zwei funkelnde Gala-Abende auf Bühnen, auf denen so etwas schon Brauch ist: In Alma Hoppes Lustspielhaus (Platzausnutzung in der 10. Spielzeit 2003/2004 nach eigener Aussage: knapp unter 80 Prozent) sorgten Etablierte wie Alma Hoppe höchstselbst, Hans Scheibner, Henning Venske, die Männergestalten und aus München Jörg Maurer, aber auch gut gewählte neue Talente wie Ludger K., Florian Schröder und Jens Neutag für Abwechslung, Hirnmassage und Lacherfolge.

    Dagegen fiel in der darauf folgenden Woche die erste Eigenpremiere des Hauses eher ab: Das Traditions-Quartett Alma Hoppe/Scheibner/Venske präsentierte sich als Die Spitzenberater, nahm mit einiger Berechtigung das inflationäre Beratungswesen hierzulande aufs Korn. Nicht jeder Sketch war dabei so ein Treffer wie der Auftritt des Paares SPD (Venske) und Gewerkschaften (Petersen) beim Ehe-Therapeuten Dr. Sommer (Loenicker) – „Du kannst mich doch jetzt nicht verlassen – nach all den Jahren!“ Anderes wirkte wie mit heißer Nadel gestrickt – vielleicht täte dem Old-Boys-Network frischer Wind in Form neuer Bundesgenossen gut. Gerade ein weibliches Element könnte sicher nicht schaden.

    Herrn Wallers Gespür für Qualität wurde einmal mehr deutlich bei der Gala in Thomas Colliens St. Pauli-Theater, wo der frühere Kammerspiele-Chef seit einem Jahr als künstlerischer Leiter fungiert: Kabarettisten wie Matthias Deutschmann und der Conferencier des Abends Heinrich Pachl („Gelobt sei, was Hartz macht“), singende Schauspieler wie Maria Bill (Brel, Piaf), Sabrina Ascacibar (Tango), Burghart Klaußner (Charles Trenet) und Peter Lohmeyer (Johnny Cash), dazu Panik-Legende Udo Lindenberg mit seiner Atlantic-Affairs-Revue boten herrliche Happen, die Appetit auf ihre kommenden Auftritte machten. Einfach wunderbar auch wieder einmal Robert Kreis mit virtuosen Reminiszenzen an die Schlagerkunst der Weimarer Republik. Nicht in gewohnter Top-Form wirkte einzig Horst Schroth, der seinen Text schlicht vom Blatt las. Eine echte Hamburg-Entdeckung dagegen – trotz anfänglicher Plattitüden unterhalb der Gürtellinie: der junge, schon mehrfach ausgezeichnete Musik-Kabarettist Hagen Rether aus Essen. Seine Grönemeyer-Parodie als eitel gackernder, geldgeiler Gockel-Mensch kann man nur als Geniestreich bezeichnen.

    Und dass Thomas Collien/Ulrich Waller in ihrem nicht subventionierten Haus auch kauf- und weltmännisch geschickt agieren, bewies das reiche Aufkommen smart gekleideter Besucher mit Klatschspalten-bekannten Gesichtern: Mitglieder des bis jetzt rund 300 Privatpersonen und Firmen umfassenden „Förderkreis des St. Pauli-Theaters e. V.“. Zum Pausen-Sekt im ersten Stock lud außerdem das hanseatische Unternehmen Hapag-Lloyd (selbstredend verwandt mit dem Theater-Gönner, der Hapag-Lloyd-Stiftung) seine Geschäftsfreunde. Und unter denen waren – wen wundert das noch – wiederum viele Förderkreis-Mitglieder. Fazit: Genau so muss Sponsorenpolitik heute aussehen!

    Redaktion: Ulrike Cordes

     

    Termine

    29.11.         Weihnachtsmusical „Kumpel Jesus“ mit „LaLeLu“,
                     Alma Hoppes Lustspielhaus

    22./23. u.
    25.–28.12.   Hans Scheibner:„Wer nimmt Oma?“,
                     Alma Hoppes Lustspielhaus

    11.12.        Steife Brise: „Die Impro Weihnachtsshow“, BIB
                     (früher AGMA-Zeitbühne)

    jeden 2. Montag im Monat bis 15.1.
    Steife Brise: Theatersport, Royal-Theater am Holstenwall „Eckart Witzigmann Palazzo“: Dinnershow, histor. Spiegelzelt an der Trabrennbahn Bahrenfeld

    bis 25.1.     „Palazzo“, Harald Wohlfahrt

    bis 1.1.       Dinner-Zirkus, Alte Dressurhalle, Hagenbecks Tierpark

    27.-29.01.   3. Hamburger Comedy Pokal in den Stadtteil-Kulturzentren

     Show!Time 

    AdNr:1087  

     

    2004-12-15 | Nr. 45 | Weitere Artikel von: Ulrike Cordes