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    Mozart in Berlin

    Am 250. Geburtstag Mozarts wollte auch der Wintergarten nicht vorbeigehen, ohne ihn auf seine Art zu würdigen, und so rückte das neue Programm „Mozart am Trapez“ jemanden aus Mozarts Umfeld in den Mittelpunkt, an den sonst wohl niemand gedacht hätte: seinen Hund Pimperl. Die Verbindung von Artistik und symphonischer Musik ist schon mehrfach erprobt worden und kann durchaus faszinierende Bilder ergeben. In der Wintergarten-Produktion wurde solches leider nicht durchgängig erreicht. Pimperl redete zu viel und das von Christoph Hagel dirigierte Mozart Kammerorchester 2006 füllte fast die gesamte Bühne aus und ließ den Darbietungen der Artisten auf der Bühne wenig Raum. Trotzdem setzten diese sich in der Wirkung aufs Publikum durch, und die vier Sänger hatten es mitunter schwer, wenn mitten in ihren Vortrag der Beifall für die Artisten platzte.

    Der russische Clown Sergej Maslennikov ging als Mozart durchs Programm, ein gelungener Einfall, die Darbietungen und die Musik mit ihm ein wenig zu konterkarieren. Vier akrobatische Darbietungen arbeiteten nach den Klängen Mozartscher Musik, begleitet vom Orchester und den Sängern – dadurch war der Ablauf der Nummer nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen: die englische Jongleurtruppe Gandini; La Spina an Vertikaltüchern (eine Arbeit, die sich zu solcher Musik perfekt umsetzen lässt); die ausgezeichnete Äquilibristik der Grynchenko Brothers aus der Ukraine und das Duo Artemiev am Trapez.

    Seit vergangenem Jahr hat Harry Owens Traumtheater Salomé einen Platz am Kulturforum bezogen und am 3. April sein neues Programm „Schöne Träume – Was der Wind uns in den Sand geschrieben“ vorgestellt. Wie schon in der letzten Inszenierung ist Owens der Märchenerzähler, der den Zuschauern verspricht, sie mit ins Wunderland der Träume zu nehmen. Das 22-Personen-Ensemble ist sehr vielseitig, das Bühnengeschehen bunt und märchenhaft. Pierrot, Fabeltiere und Gaukler bevölkern die Bühne. Eine Geigenspielerin wird Partnerin eines Artisten und spielt kopfunter, ein Jongleur wirft fünf Keulen, zwei andere zeigen ein originelles Spiel mit Gummibällen. Ein Akrobat an Strapaten ist zu sehen, ein Schlappseilakrobat (der bedauerlicherweise wegen eines technischen Problems seine Darbietung erst im Finale nachholen konnte), eine Kautschukartistin, ein Zauberkünstler. Am überzeugendsten das Äquilibristikduo, u. a. mit einem Einarmer auf dem Kopf des Untermanns, und der Devil-Stick-Jongleur (die Namen sind leider nicht veröffentlicht). Die Tanzszenen sind opulent farbig, etwa das China-Bild oder die an Figurinen Schlemmers erinnernden Figuren.

    Einiges an inszenatorischen Einfällen und Choreografien wurde aus der letzten Inszenierung übernommen, im Vergleich dazu fiel der erste Programmteil ein wenig schwach aus, der zweite Teil war deutlich stärker. Die Produktion ist bis 28. Mai zu sehen.

    Das Chamäleon hatte am 6. April Premiere seines Programms „eMOMENT“. Drei Zeitgeister, die „emoMEN“, geistern durch das neue Programm, äußerlich eine Mischung aus Wichteln im Bergwerk und russischen Pelztierjägern. Angetan mit Stirnlampen, sollen sie – nachdem zu Beginn verkündet wird, die Bühne sei am Ende, es gäbe nur Wiederholungen, nur Althergebrachtes – sich auf die Suche nach neuen Ideen, Kreativität und Energie begeben. Im Ergebnis stoßen sie auf viele Überraschungen in Gestalt der übrigen Mitwirkenden. Aufgefordert wurden sie per Bildschirm von Goethe, der sich am Ende – mit der Stimme Reich-Ranitzkis – ganz zufrieden zeigt. Verkörpert werden die drei von Karl Heinz Helmschrot, Boris Arquier und Ernesto Terri. Es gib einige nette Einfälle, etwa wenn die drei Akteure auf einem Laufband über die Bühne rollen oder unaufhörlich spielend mit dem Bass auf das Musikerpodium klettern, aber so ganz deutlich wird im Laufe des Abends nicht, was die „emoMEN“ über die Bühne treibt. Die Spritzigkeit fehlt, die Helmschrot in anderen Programmen vor allem mit seinem Wortwitz immer wieder unter Beweis stellte, auch wenn die drei vielseitig agieren – jonglierend, musizierend, pantomimisch und akrobatisch.

    Aber es gibt ja noch die Artistik, und die ist in diesem Programm sehenswert. Ernesto Terri etwa zeigt eine ausgezeichnet choreografierte Arbeit auf dem Federseil, eine Kombination aus Seiltanz mit Sprüngen, so den Sprung zum Handstand auf dem Seil und den Salto rückwärts. Das Duo Azalé – Julie Lavergne und Erika Lemay, beide absolvierten die Zirkusschule in Québec – besticht durch eine kraftvolle, ästhetisch ausgewogene Äquilibristik, u. a. mit dem Knotenhandstand auf dem gestreckten Bein der Partnerin und dem Stand Schuler auf Schulter.

    Der Jongleur Jochen Schell verblüfft durch originelle Ideen. So sind seine Spiele mit Kreiseln, die sich zu Pyramiden auftürmen, auf seinem Körper, einem biegsamen Fächer oder auf einem Säbel laufen, im weiten Feld der Jonglerie eine bemerkenswerte Seltenheit. Ungewöhnlich auch seine zweite Darbietung: über die Bühne rollende Reifen im wechselnden Spiel der Beleuchtung.

    Die Arbeit von Erika Lemay am Luftring überzeugt durch schnelle Kombination der Luftarbeit mit Kautschuktricks. Sehr schön in Tricks und Ablauf auch die Vertikaltucharbeit von Julie Lavergne (ab 16. Mai ist dafür Sylvain Genois am Vertikalseil im Programm).

    Unverkennbar ist die Schule von Kiew bei Ernest Palchikov, eine tänzerische Handstandakrobatik mit einem Tuch, in der Choreografie, Musik und Bewegung perfekt übereinstimmen.

    Boris Arquier, bekannt durch seine Figur des Clowns „Bobo“, stellt sich als Geräuschimitator vor, und Cristina Perera mit Tanzeinlagen, sie hat auch die Choreografie des Programms. Regie führten Karl Heinz Helmschrot und Harald Jacob.

    Von einigen inszenatorischen Schwächen bei den Zeitgeistern abgesehen, ist „eMOMENT“ ein vergnügliches, artistisch überzeugendes Programm geworden – zu sehen bis 9. Juli.

    Im Wintergarten beginnt am 27. April die Produktion „Lollipop“ (bis 30. Juli) mit einem „Private Public Viewing“ während der Fußballweltmeisterschaft, vom 10.8. bis 28.10. folgt „Kuriositäten“. Im Chamäleon werden ab 13.7. wieder the 7 fingers mit einer neuen Show zu erwarten sein.

    Salomé kündigt ab 9.10. ein neues Programm an.


    Redaktion: Dietmar Winkler

    2006-06-15 | Nr. 51 | Weitere Artikel von: Dietmar Winkler