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    Rückblicke

    Sie waren das Traumpaar der hessischen Kabarettistengarde, er der sympathische Loser, sie seine schrille Lebensgefährtin, und ihr Name war Programm: Das Frankfurt Fronttheater hat mit seinem letzten Programm „Nabelschau“ seine Abschiedstournee gegeben, und viele Fans werden Hendrike von Sydow und Dieter Thomas sowie ihren höchst amüsanten Beziehungsclinch auf der Bühne wohl schmerzlich vermissen. Um falschen Schlussfolgerungen vorzubeugen: Hendrike und Dieter sind weiterhin privat ein Paar, aber nach 25 Jahren als Duo ist mit den Paargeschichten im öffentlichen Raum endgültig Schluss. „Wir hören auf, weil wir thematisch alles abgegrast haben, was es zu Beziehung, Liebe und Trennung zu sagen gibt“, so Hendrike von Sydow. „Wenn man dann den Schnitt nicht macht, wird man zum Fachidioten“, fügt Dieter Thomas an. Auch wenn die beiden nicht mehr im Duo auf die Bühne wollen, ihre Zusammenarbeit ist damit nicht beendet. „Der Dieter macht dann ein Soloprogramm unter dem Titel Seniorenhippie, und ich führe Regie“, erklärt Hendrike und schmunzelt. „Bei so einer Zusammenarbeit kann man sich auch streiten – aber hinter verschlossenen Türen.“ Es mache auch viel Spaß, vor der Bühne zu sitzen und zu jemandem zu sagen: „So kannst du das machen.“ Insgesamt 28 Jahre lang standen Hendrike von Sydow und Dieter Thomas zusammen auf der Bühne. „Und schon immer haben wir als Paar das Paar gespielt“, sagt Hendrike. 1977 bis 1982 gehörten sie zum „Karl Napp’s Chaos Theater“, laut Dieter Thomas „mit den Drei Tornados das erste nichttraditionelle Kabarett, bei dem auch Selbstironie und eigene linke Standpunkte eine Rolle spielten.“ Von 1982 bis 1987 waren Hendrike und Dieter im Trio mit dem leider allzu früh verstorbenen Matthias Beltz als „Vorläufiges Frankfurter Fronttheater“ erfolgreich. Von 1987 an stritten Hendrike und Dieter dann ganz öffentlich als Duo: Das Frankfurter Fronttheater war geboren – und lebte erfolgreich bis Ende 2005. Und so ist es doch tröstlich, dass zumindest Dieter Thomas den Zuschauern mit seinem Programm „Seniorenhippie“ auf der Bühne erhalten bleibt. Und dass Hendrike und Dieter noch immer ein echtes Paar sind. Schließlich haben sie noch einiges vor. Denn wie sagte Hendrike bei ihrer Abschiedsvorstellung beziehungsweise Nabelschau im Neuen Theater Höchst: „Wahre Liebe beginnt da, wo die dritten Zähne zusammen im Wasserglas schwimmen!“

    Auch sie waren lange ein Paar im Leben und häufig ein Duo auf der Bühne: Anne Bärenz und Frank Wolff. Im vergangenen Jahr wurden die Zusammenarbeit und das Zusammenleben dieser beiden außergewöhnlichen Musiker auf dramatische Weise beendet: Anne Bärenz starb am 28. August 2005 nach kurzer, schwerer Krankheit. Sie wurde 54 Jahre alt. Die Sängerin und Musikerin gehörte ebenso wie ihr Lebensgefährte Frank Wolff zu den lokalen Größen im hessischen und insbesondere Frankfurter Musikleben. Anne Bärenz machte bereits im Alter von fünf Jahren erste Übungen am Klavier, als Siebenjährige erhielt sie den ersten Unterricht. Später studierte sie an der Frankfurter Musikhochschule. Doch anstatt Klavierlehrerin oder Konzertpianistin zu werden, ging Anne völlig neue Wege. Sie entwickelte eine humorvolle Synthese zwischen klassischer Musik, Literatur und Pop. 1981 gründete Anne mit dem Cellisten Frank Wolff das Frankfurter Kurorchester. Aus der musikalischen Liebe zum Musiker Frank wurde auch eine private. Darüber hinaus galten Anne und Frank als ideales Bühnenpaar, so dass sich sogar Frankfurts Dichter Robert Gernhardt einen Reim auf die beiden machte: „Cello und der Frank sind so verschwistert wie Anne und Klavier, weshalb es knistert, wenn das Allzuviert im Duo musiziert.“ Gemeinsam mit Jos Rinck und Willi Kappich begeisterten Anne und Frank ihr Publikum. Die Mischung aus Rock, Blues, Jazz und Klassik kam an. Das Frankfurter Kurorchester schrieb nicht nur in der Mainstadt Kulturgeschichte. Im Jahr 2002 gründeten Bärenz und Wolff das Neue Frankfurter Schulorchester und holten Sabine Fischmann, Ali Neander und Markus Neumeyer mit ins Boot. Und mittendrin war Anne Bärenz mit Herz und Seele, als musikalisches Energiebündel mit rauchiger Stimme und vielen Fähigkeiten. Von leisen Balladen über Tom Waits bis hin zu Janis Joplin oder auch Liesl Karlstadt auf Chinesisch: Wenn Anne spielte und sang, ging das unter die Haut. Und so passte es zum Abschiednehmen von dieser Ausnahme-Künstlerin, dass die etwa 200 versammelten Familienmitglieder, Freunde und Kollegen bei der Trauerfeier für Anne auf dem Frankfurter Hauptfriedhof noch einmal ihre Stimme vernahmen, mit dem Tom-Waits-Song „Time“, wenn auch nur vom Band. Wir alle vermissen sie.

    Anne Cazier, Französin, Sängerin und Schauspielerin, geht immer wieder neue Wege. So auch in einem Programm, mit dem sie in Frankfurt im Internationalen Theater Premiere feierte. „Rencontre – Begegnung“ nennt die Allround-Künstlerin ihr Werk, das in erster Linie durch südamerikanische Klänge und Rhythmen geprägt ist. Bei einem Agenturevent hatte Anne Cazier, die sonst mit einem Pianisten und Akkordeonisten auftritt, den argentinischen Gitarristen Tony Osanah kennen gelernt. Beim abendlichen Zusammensein und gemeinschaftlichen Singen im Anschluss an die Show entdeckten Cazier und Osanah musikalische Gemeinsamkeiten und beschlossen: „Daraus sollte ein Programm werden.“ Gesagt, getan! Und so hörten die Zuschauer im Internationalen Theater ein Klangerlebnis der besonderen Art: Osanahs südamerikanisch geprägte Fingerfertigkeit auf seinem Instrument mischen sich mit Caziers warmer Stimme und französischem Charme zu einem Gesamtbild, das französische Klassiker in neuem Licht erstrahlen lässt. Ob „Jolie Mome“ von Leo Ferré, „Tu verras“ von Claude Nougaro oder „Je suis venu te dire, que je m’en vais“ von Serge Gainsbourg: Anne Cazier wirkt ernsthafter in diesem Programm, verlässt sich weniger auf ihre durch französischen Akzent geprägten Zwischentexte, die, wenn auch unabsichtlich, immer für Lacher aus dem Publikum sorgten. Was zählt, ist Stimme und Stimmung rein musikalischer Art. Durchaus ein musikalisches Experiment, das Lust macht, noch mehr von diesem Duo präsentiert zu bekommen.

    Ganz und gar Ungewöhnliches hatte auch das Daphne Zahn Trio zu bieten, als es mit der Premiere seines neuen Programms „Das zweite Ja“ im Frankfurter Gallus Theater und in der Interkulturellen Bühne in Bornheim aufwartete. Wie bereits im ersten Programm des Trios, „Das Geheimnis von Momtschilgrad“, bezaubert bereits das Bühnenambiente das Auge des Betrachters: Denn es ist ganz einfach bunt! Kostüme und Dekor, wie Kunststoffhocker, Plastikblumen und Obst, sind in schrillen Gelb-, Grün- und Rottönen gehalten. Ebenso schrill sind auch die Spielszenen, eben passend zur bunten Fernsehwelt, welche die Darsteller auf der Bühne persiflieren. So zappen sich Georg Keim, Musiker Philipp Höhler und Riki Breitschwerdt als Daphne Zahn mit Vollgas durch Science-Fiction-Folgen, Krimiserien, Lottospiele und das Verkaufsfernsehen und spicken ihr Soap-Ambiente zudem mit schrägen Songs und aberwitzigen Phrasen. Da fragt sich Daphne Zahn, geläutert durch das Toll-Wohnen-TV-Duo, das ungefragt ihre Küche umgestaltet hat: „Was ist aus den Küchen dieser Welt geworden? Hab ich denn ein Herz aus Edelstahl?“ Und Wisch und Weg hilft garantiert am Tatort. In der Gerichtsshow wird die nur vordergründige Ernsthaftigkeit der Serien dieser Art ad absurdum geführt, und bei allem bleibt die Frage offen: Ist Soap wirklich so grell? Leider, aber im Fernsehen nicht so schön verpackt wie beim Daphne Zahn Trio. Und nicht so schön gespielt wie hier auf der Bühne!

    Das Frankfurter Improtheater Äppler Express wagte ebenfalls ein Experiment und verlagerte seine Spielstätten in Museen der Mainstadt. In Anlehnung an verschiedene Ausstellungen boten die Akteure themenbezogenes Theater, und machten dabei auch einen Abstecher ins Struwwelpeter-Museum. Davon profitierten vor allem kleine Zuschauer, die sonst nicht unbedingt zur Zielgruppe der Impro-Schauspieler gehören. Da spazierte Hans-guck-in-die Luft geleitet durch Anweisungen des jungen Publikums über die Bühne, bis ihn Struwwelpetra auf eine abenteuerliche Bootstour mitnahm, deren Ziel ebenfalls vom Auditorium bestimmt wurde. Museumsambiente und lebende Bilder, das passt. Bitte mehr davon!

    Viel Spaß beim Schauen und selber Produzieren wünscht

     

    Redaktion: Kiki Krebs


    2006-03-15 | Nr. 50 | Weitere Artikel von: Kiki Krebs