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    Schlümpfe im Staatsdienst und Tränen in den Beinen

     

    Es gibt Dinge, die lassen sich nur schwer miteinander vergleichen. So lässt sich beispielsweise die Frage, was denn nun eigentlich besser sei, ein Taxi oder eine Rolle Toilettenpapier, so recht nicht beantworten. Dass Ähnliches auch für die Begriffe Comedy und Kabarett gilt, werden sicherlich nicht wenige bezweifeln. Wer jedoch das Programm des Wettbewerbs um den Kabarett-Kaktus in München verfolgt hat, wird sich nur schwer entscheiden können, ob eine der beiden Unterhaltungsformen nun wirklich besser ist als die andere. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren, als jeweils zwei Sieger gekürt worden waren, galt es in diesem Jahr einen Gewinner und einen Zweitplatzierten zu bestimmen. Eine überaus schwierige Aufgabe für die Jury, die wohl am liebsten bei der alten Regelung geblieben wäre. Am Ende hat Comedian Vince Ebert vor dem Kabarettisten Claus von Wagner gewonnen. Was so aussieht wie ein Votum für den Nonsens, beruht letztlich auf der Bewertung der Tagesform der zwei Künstler, die ihre Wettbewerbsbeiträge am selben Abend präsentiert haben. Dabei spielte sich Ebert in einen regelrechten Rausch. Der Irrwisch aus Hessen konnte erzählen, was er wollte, das Publikum lag ihm zu Füßen. Vom Ärger über das kaputte Auto, bei dem der Fehler immer in der defekten Lichtmaschine liegt, über seine Mutter, die so oft nach innen geweint hat, dass sie Wasser in den Beinen hat, über seelische Probleme, an denen ebenfalls die Lichtmaschine schuld ist, bis zum Adilettenstepptanz, jeder der unzähligen Gags funktionierte.

    Mit einer – wie es ein TV-Unterhaltungschef formulieren würde – derart hohen Gagdichte kann Claus von Wagner nicht aufwarten. Er überzeugt durch in gemessenem Tempo vorbereitete Pointen. Die aber haben es in sich. Er erzählt von einer Begegnung mit zwei hübschen Politessen, die er mit „Na, ihr Schlümpfe!“ anzumachen versucht, worauf er sich vor einem bayerischen Gericht verantworten muss. Auf die Frage des Richters, ob er denn aus den Verfahren etwas gelernt habe, meint er: „Ja, kleine Farbige sind in Bayern ein Schimpfwort und völlig ungeeignet für den Staatsdienst.“  Das Publikum legt eine kurze Denkpause ein, dann erst wird gelacht. Ein neuer Kabarettphilosoph scheint geboren, einer der scheinbar gar nicht anders kann, als um die Ecke herum zu denken. Die nur scheinbar belanglosen Plaudereien aus der Studentenbude von Wagners Kunstfigur Isaak Nix sind eine neue Form des Politischen Kabaretts: Jung und ohne schwarzen Rollkragenpullover. Es wird noch viel zu hören sein von einem der Preisjäger des vergangenen Jahres. Denn neben dem Vizetitel beim Kabarettkaktus gewann Wagner auch die St. Ingberter Pfanne sowie den in diesem Jahr erstmals vergebenen Nachwuchspreis des Regierungsbezirks Oberbayern.

    Nun mag sich sicher so manch einer fragen, was eigentlich so ein gestandener Komikprofi wie Vince Ebert mit einem Nachwuchspreis wie dem Kabarett-Kaktus anfangen will. Zunächst sei auf seinen Lebenslauf hingewiesen, aus dem hervorgeht, dass er erst seit etwas mehr als vier Jahren Comedian ist, somit durchaus noch als Nachwuchs bezeichnet werden kann. Zum anderen darf nicht verschwiegen werden, dass sich viele Künstler, die sich im Rest der Republik, sprich bei den Preußen, einen Namen gemacht haben, schwer tun, in München Fuß zu fassen. Der Sieg beim Kaktus kann da von großem Nutzen sein, denn der Preis besteht neben der Teilnahmeberechtigung beim größten österreicherischen Kabarettfestival in Wien, in einem Gastspiel auf den Brettern der guten alten Drehleier in München-Haidhausen. Im Februar kann Ebert dort nun seine Visitenkarte abgeben.

    Bis dahin dürften dort auch die Feierlichkeiten beendet sein, die anlässlich des 25. Programms des hauseigenen Variete Spectaculum den Jahreswechsel bestimmt haben. Hausherr Werner Winkler hat wie immer seine ganze Lust am Quatsch auf die Bühne gestellt. Erstmals wurde die Show sogar von einem Drei-Mann-Orchester begleitet. Die „Tschübili Sürprise“ – eine „Super-Turbo-Proper-Show“, die ihresgleichen sucht in der Stadt.

    Im Hinterhoftheater setzen die Programmmacher auf den Humor aus dem südlichen Nachbarland. Unter dem Motto „Jenseits der Scherzgrenze“ präsentieren sich im ersten Sechstel des Jahres junge österreichische Kabarettisten, die ihre Programme teilweise zum ersten Mal in Deutschland vorstellen. Die schrillen Weibsbilder von den Freaky Nylons stehen ebenso im Programm wie die puppenspielenden Powerkabarettisten von KaBud. Dazu gibt es in der Alpenrepublik bewährte Solokabarettisten wie O. Lendl oder Leo Lukas. Ein Hoch auf das Schengener Abkommen, das auch den grenzüberschreitenden Humorverkehr ermöglicht.

    Traditionell gehen im Januar im Fraunhofer die Volksmusiktage über die Bühne. Die alternative Folklore, bringt immer noch Typen hervor, die es einfach nur in Bayern geben kann. Ein Veteran, der Rolling Stone des Folklore-Rock’nRolls, der Zither-Manä beweist, dass er immer noch nicht brettlmüde ist. Und der Tiger-Willy aus dem Schlachthofviertel beweist, dass man um Kult in town zu werden, nicht unbedingt immer den richtigen Ton treffen muss. Darüber hinaus gibt es jede Menge ernst zu nehmender Volksmusik, von der unverwüstlichen Fraunhofer Saitenmusi bis hin zur musikalischen Weltreise der ureigensten bayerischen Musik, präsentiert von Robert Zollitsch, dessen Zither sich manchmal anhört, als wäre sie eine arabische Laute. Bayerische Kleinkunst auf Weltmusikniveau!

    Redaktion: Andreas Rüttenauer

    Agentur Olivia Reinecke
    AdNr:1089 

    2003-03-15 | Nr. 38 | Weitere Artikel von: Andreas Rüttenauer