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    Deutschalnds Ver-Schröderung in Mainz


    Es waren vor allem hochrangige Gastspiele, die in Rhein-Main die Eröffnung der Herbst/Winter-Saison in Sachen Kleinkunst und Grosskunst  Eindruck machten. So hätte man die Vorstellung von Meret Becker in der Alten Oper  Frankfurt gleich mehrfach verkaufen können. Die ,,Nachtmahr“-Tour bewies, dass die bekannte TV-Schauspielerin mit ihrer zweiten CD wie ihre Bruder Ben Becker, der vor allem im Genre Rock und Punk zuhause ist, zu den wenigen deutschen Künstler-Doppelbegabungen zählt. Zusammen mit ihren Mitmusikern konnte man in Frankfurt eine fasziniernde Song-Performance sehen, die mit einer ulkigen Dia-Show und britischen Witztexten angereichert war. Ars Vitalis ist auch so ein Kleinkunst-Planet aus fernen Welten. In der Alten Mühle in Bad Vilbel stellt das Trio Huber, Sacher und Wilmanns wieder unter Beweis, dass man mit Kämmen, Plastikhandschuhvogelschwärmen, Miniventilatoren, Jazz-Standards, Zittern und wüsten Blicken ziemlich viel erreichen kann. ,,Muziques con crêtes“ widmet sich konkreten Inhalten wie dem Thema Steine und dem Liebeskummer ohne jedoch Klassiker wie „I hob a Hobby“ zu vernachlässigen. Der SWR drehte beim Auftritt von Robert Kreis und den Extravaganten in den mainzer kammerspielen mit. Was soll man zu dieser perfekten Kombination aus Entertainer und Meisterklasse-Orchester noch schreiben? Was ganz wunderbar an dem Programm ,,Es ist alles Komödie“ ist, ist die Direktheit und die Liebenswürdigkeit seiner vergangenen Solo-Zeiten, die Robert Kreis in seinen Starstatus hinüberretten konnt. Im Gegensatz zu den gängigen Plagiatoren im Genre Schellack konnte man Song-Interpretation, Moderation und vor allem das fabelhafte Spiel der Extravaganten voll geniessen!

    Neuzugänge in Rhein-Main: Im Wiesbadener ,,Thalhaus“, das diesen Winter sein Einjähriges an neuer Spielstätte feiert, hat man das Kleinkunstprogramm aufgestockt. Zur Premiere vom ,,Kleines Mittwochs-Varieté“ präsentierten sich Dirk Losander, Klohn Rudi und als Gast Luna Shemada mit ihren Zauber-Akrobatiken in absoluter Bestform. Fast jeder der Zuschauer musste mal als Assistent oder Demonstrationsobjekt auf die Bühne. Die Tricks der Illusionskunst hautnah in einem 100Plätze-Saal zu erleben  machte die Sache nur umso spannender. Dass man mit einer Revue zum Thema 50 Jahre BRD einen Publikumsrenner landen kann, ist nicht gerade zu erwarten. Claudia Wehner, Regisseurin und Dramaturgin diverser Kleinkunstabende und Kindertheater-Msuicals, hat es mit ihrem Ensemble geschafft. In den mainzer kammerspielen tummelt sich einen Abend lang unter der Devise ,,Zeitgeist“ das Trio Brigitte Simons, Rino Galiano und Achim Stellwang. Von der Geburtsstunde dieser unserer Republik bis zur Ver-Schörderung von Deutschlands lässt eine Mixtur aus Schlagern, Liedern, Evergreens und Spielszenen kein Highlight und Fettnäpfchen aus. Das Publikum verdrückt so manche Erinnerungsträne, die zur 50% auchimmer Lachträne ist. Geschickt arbeitet die Produktion mit dem Element Kontrast und entwirft ein höchst ambivalentes Deutschlandbild: Apo-Demonstranten skandieren ihr ,,Ho-Tschi-Ming“. Eine Mutterstimme aus dem Off ruft entsetzt zu ihren Sohn herunter, der plärrend in Heintjes ,,Maaaama!“ einstimmt. Gegenwärtige Witzkultur á la Harald Schmidt wird angerempelt, indem ein Alleinunterhalter der fünfziger Jahre später noch einmal als Comedy-Man ein Revival erlbet und die gleichen kryptorassistischen Nummern cool und groovy an den Mann bringt. Was für ein Bild, wenn Achim Stellwang (der Dirk Bach aus Mainz) als dicke ,,Tante“ BRD die in einem Kinderställchen hockende DDR (krasse Klasse: Rino Galiano) mit der Banane lockt! Mehr als nur eine Quotenfrau ist Brigitte Simons mit ihren darstellerischen Facetten von einer steifer Protokolldame bis zu einem postfeminstischem Karriere-Girlie. Persiflagen von Grössen wie den Beatles, Guildo Horn, Elvis, Hannes Wader, Tic Tac Toe tragen sorgen satirisch aufgedonnert für 1a-Stimmung bei den Zuschauern, die sich in ihrer Vergangenheit aus Nierentisch, Palestineserfeudel, Jute-statt-Plastik und Love-Parade freudig ertappt fühlen.

    Redaktion: Kathrin Schwedler

    1999-12-15 | Nr. 25 | Weitere Artikel von: Kathrin Schwedler