Trottoir Online Magazin / Künstler und Eventattraktionen

--- Trottoir Admin Ebene ---

 
 
 
Trottoir Header
Suche im Trottoir

Kategorien Alle Jahrgänge




Admin Bereich K10


Artikel - gewählte Ausgabe
Meist gelesen
Statistik
  • Kategorien: 66
  • Artikel: 3596
  • Szenen Regionen :: Südwest

    [zurück]

    „Leute, die klatschen, haben den besseren Sex!“

     

    Statt Nummernkabarett der alten Schule gibt es in diesem Jahr wieder ein satirisches Theaterstück als Hausprogramm im Renitenztheater. „Hysterikon“ nimmt die Konsumwelt aufs Korn, mit all Ihren falschen Glücksversprechungen. Unter der feinfühligen Regie von Christian A. G. Elkarim mit tatkräftiger Unterstützung von Anne Hoffmann entstand ein Produkt, das die Vorgängerproduktionen der letzten Jahre übertrifft. Und das ist auch der großen Präsens des Ensembles zu verdanken. Wenn Christine Prayon als Karikatur einer Ökologin auf die Bühne tritt, nimmt sie mit ihrer kabarettistischen Erfahrung sofort den ganzen Raum für sich ein. In der Rolle der Frigitte spielt sie mit den Augen, grimassiert, flirtet und jammert, dass es eine Freude ist. Daniela Pöhlmann brilliert in ihrer Darstellung der Gucci-Frau mit ihrem Können; jeder kleine Drehpunkt, jede Pause, jedes Mimenspiel, jede Geste ist stimmig. Dalila Abdallah als schwarze Blondine – bis auf die Haare – füllt ihre Rolle als Selbstzweiflerin und Powerfrau in ihrer ersten satirischen Profirolle gekonnt aus, kann mit den alten Hasen locker mithalten. Andreas KlaueAls da wären: Der Hausherr Sebastian Weingarten – nomen est omen – der wie alter Wein immer besser wird, und Martin Theuer, dieses Schauspieljuwel, der die ganze Klaviatur von leisen Tönen bis zum hysterischen Poltern mit einer Leichtigkeit meistert, die bewundernswert ist. Michael Foerster bleibt konsequent in der Rolle des alten Mannes mit vermummten Gesicht, dieser Jedermann unseres Alltags, für den der Bühnentod im Finale eine Befreiung ist. Kurz: Die besten schauspielerischen Leistungen im Renitenz seit langem, die beste Regie. Hingehen und schlampig mitfiebern!

      Augenzwinkernd charmant, selbstironisch und frech, das ist die Kanzlerinnen-Flüsterin Simone Solga, die den Untertanen ihrer Chefin Merkel im Renitenztheater einen bunten politischen Abend serviert. Bei ihren politischen Kabarettnummern geht sie bis an die Grenze. Das Publikum bezieht sie mit ein und geht liebevoll mit den Zuschauern um. Simone steht jeden Morgen um sieben Uhr auf, um neben der geflüsterten Merkel-Supervision all ihre Nebenjobs erledigen zu können: Diseuse, Waldbrandlöscherin, Karussell-Sprecherin, Modell für Kindermode oder Maskottchen bei der Eröffnung des Bitterfelder Spaßbades durch den Altkanzler. Das Publikum wird nie beleidigt, eher die, die es verdient haben, die Politriege in Berlin. Schöne Wortspiele pflastern ihren Weg, wenn sie über das Parkett des Kanzleramtes schlittert. Wäre Hildebrand nicht weiter so aktiv, könnte man sie für seine Wiedergeburt halten. Konsequent geht sie ihren Karriere-Weg: New York, Paris, Bitterfeld, Stuttgart-Untertürkheim – der thüringische Tornado, mit 1,58 m die größte Kleinste im Kabarettzirkus. Nachdem sie mit dem Satz „Leute, die klatschen, haben den besseren Sex“ das schwäbische Applausverhalten schlagartig geändert hatte, beendeten die Stuttgarter die Vorstellung mit einem frenetischen Schlussapplaus.

        Ein rappelvoller Galgenstrick-Keller an einem Donnerstag. Wer hat das hinbekommen? Backblech aus Stuttgart, Rock-Comedy und Kabarett der Sonderklasse. Stimmlich und musikalische einfach „Perfect!“.

    Wunderbar der Wechsel von Szenen mit tobendem Applaus zum krassen Gegenteil, ruhigen Passagen, die nachdenklich machen. Ein Stück, durchkomponiert wie eine gute Sinfonie. In den Zweierbeziehungsdialogen erkennt sich das Publikum wieder. Kann man und frau es nach Ent-Täuschungen und Ver-Lieben ein drittes oder viertes Mal versuchen? Die Prototypen Karin und Ralph begeben sich nach erfolgreich verlorenem Zweierclinch wieder einmal auf den Schlingerkurs des Beziehungskarussells. Kurz vor der Diskussions-Explosion sorgt der nächste Popsong für einen dramaturgischen Befreiungsschlag. Und das beherrschen Sigi Gall und Cherry Gehring aufgrund diverser Banderfahrungen im Schlaf, sensibel auf der Gitarre begleitet von James X.

    Das nostalgische Schwärmen der Zuschauer, das Mitsummen wird gebrochen durch die ironisierende Art des Vortrags, der die Illusion zertrümmert und die Zuschauer wieder in der Realität landen lässt, auf den harten Stühlen im Galgenstrickkeller. Warum sich mit Plagiaten zufriedengeben, wenn das Original so nahe liegt: Backblech in Stuttgart, die regelmäßig im Wilhelmatheater gastieren. Aber Vorsicht. Dieses Backblech ist heiß, man kann sich die Finger verbrennen in der Liebe! Klar: „Love Hurts!“ Augen zu und durch! Rein in den Spiegelsaal, wo jeder sich im Zerrspiegel selber finden kann, ohne suchen zu müssen!

    Eine Neuendeckung der Stuttgarter Szene: Ingrid Kipper und H.P. Zein (der auch satirisch für das Freie Radio arbeitet). „Vorsicht bissiger Mund“ mischt Politkabarett mit frechen Songs im Folk-Stil. Das Duo huscht vom Papst zum Wohlfühlmotivationstrainer, von scharfen Pointen zum Mitmachkabarett. Auch Beziehungen und Sex sowie lokale Anspielungen haben in diesem ständig weiterentwickelten Programm einen festen Platz. Eine Gruppe, deren weiteren Werdegang man aufmerksam verfolgen sollte!

    Im Theaterhaus läuft in Neubesetzung „Das Interview“ mit Larissa Iwlewa und Holger Kraft. Ein wunderbarer verbaler Schlagabtausch mit Überraschungen.

    Hier hat auch Stephan Moos mit dem behinderten Schauspieler Daniel Irschik „Eldorado“ aufgeführt. Zwei Männer treffen sich beim Angeln und ein lebensphilosophischer Dialog entsteht, in dem sich Irschik als der arbeitslose Schauspieler Otto dem Direktor als ebenbürtig erweist. Eine tolle Leistung für einen jungen Mann, der mühsam das Sprechen lernen musste. Ein humorvolles Schauspiel unter der Regie von Renate Volk, die seit Jahren die Behindertenschauspielgruppe „Fast normal“ betreut.

    Esther Ofarim und Maria Joao feierten mit ihren Songprogrammen umjubelte Erfolge.

    Das 16. Stuttgarter Kabarett-Festival mit dem Wettbewerb „Stuttgarter Besen“ läuft vom 11. bis 20.4.08 im Renitenztheater, in der Rosenau, im Theaterhaus und an anderen Spielorten.

     

    Termine:

    Heilbronn-Sontheim, Altes Theater

    13.03.  Premiere   i-dipfele „Und ewig schockt das Weib“

     

    Stuttgart, Renitenztheater:

    26.-30.03.08   i-dipfele

    01.–03.04.08   Distel

    12.04.08          Stuttgarter Besen

     

    Stuttgart, Theaterhaus:

    26.04.08          Sigi Zimmerschied

     

    Esslingen, Kabarett Galgenstricke

    09.04.08          Erich Koslowski

    18.04.08          Martin Sommerhoff

    07.05.08          Backblech

     AdNr:1088 

    2008-03-15 | Nr. 58 |