Dieser Frühling in Berlin ist ziemlich flau. Immerhin bringt eine kräftige Comedienne die Lachbühnen der Stadt immer lauter zum Erbeben: Cindy aus Marzahn. Einheimische müssen schon über diese Kombination gnickern. Marzahn gilt den meisten als Plattenbauhölle am östlichen Stadtrand, bevölkert von Nazis, Proleten und eben – Zindis. Diese Cindy heißt aber eigentlich Ilka Bessin und spielt nur die unterhalb jeder Gürtellinie, dafür aber über jede Schmerzgrenze berlinernde Arbeitslose aus dem Hochhaus. Im wahren Leben hat sie Kantinenköchin im VEB Wälzlagerwerk Luckenwalde gelernt und später als Animateurin auf einem Clubschiff gearbeitet. Ein Witz von Kurt Krömer über „Shakira aus Hohenschönhausen“ hat sie zu ihrer Figur inspiriert. So geht die Sage. Als „Cindy aus Marzahn“ gewann Ilka Bessin zuerst das Jahresfinale der offenen Bühne „Talentschmiede“ im Quatsch Comedy Club, seit einiger Zeit moderiert sie dort nun selber eine Talentshow. 2006 bekam sie zudem den Publikumspreis des Kleinkunstfestivals in den Wühlmäusen. Im April hat sie jetzt ihr erstes Soloprogramm vorgestellt: „Schizophren – ick wollte ’ne Prinzessin sein“. Vielleicht die erste authentische Vertreterin der Harz IV-Comedy?
Apropos Kurt Krömer: Nach diesem hat es nun auch das Team vom Kookaburra-Club bundesweit ins Fernsehen geschafft – ebenfalls mit einer Art Talkshow, die in eine Rahmenhandlung eingebaut ist. Allerdings ist die Stimmung in dem Comedy Club in Prenzlauer Berg, vom indischen Komiker Sanjai Shihora und seiner deutschen Frau – der Komödiantin Svenja Shihora – betrieben, eine völlig andere als bei dem galligen Krömer. Im Kookaburra geht es meist multikulturell, chaotisch-bunt und sehr fröhlich zu. Seit dem 20. März ist „Kookaburra – Der Comedy Club“ jeden Dienstag um 21 Uhr auf dem Digitalsender „Sat.1Comedy“ zu sehen. Die ersten 16 Folgen wurden im Februar und März live im Club aufgezeichnet. Dabei waren Bühnengäste wie Lilo Wanders, Thomas Nikolai, Sebastian Krämer und Horst Evers.
Das Chamäleon Theater in den Hackeschen Höfen, nach guter Berliner Sitte zwischendurch auch immer mal wieder pleite, hat eine neue Direktorin. Die bisherige Pressesprecherin und stellvertretende Leiterin Anke Politz hat die Leitung im Frühling übernommen. Als Erstes verlängerte sie die Preview-Phase der neuen Produktionen: Vier Wochen lang kann das Publikum nun vor der offiziellen Premiere die letzte Probephase live miterleben. In dieser Zeit werden noch letzte Makel an den Produktionen ausgefeilt und korrigiert. Das Publikum hat also die Möglichkeit, einem „Work in Progress“ der Artisten beizuwohnen. Für viele dürfte das reizvoller sein, als eine perfekt geschliffene Show zu sehen. Und ermäßigte Preise gelten dafür obendrein. Die erste Produktion der neuen Leitung, das Badewanne-Varieté-Spektakel „Soap“, läuft noch bis zum 19. August. Regie führen Markus Pabst und Maximilian Rambaek.
Zum Schluss gibt es noch einen Doppel-Geburtstag anzukündigen: Am 5. Juni 2007 feiert die Bar jeder Vernunft ihren 15. Geburtstag! Zum Zehnjährigen schenkten sich die Betreiber Holger Klotzbach und Lutz Deisinger ja bekanntlich selber das Zelt-Theater TIPI am Kanzleramt. Dieses feiert also gleichzeitig seinen 5. Geburtstag. Begangen werden die Jubiläen mit einer Gala im Juni. Ein wenig schade ist nur, dass das Bar-Programm bis dahin fast ausschließlich aus Wiederaufnahmen besteht. Neben dem Musical-Dauerbrenner „Cabaret“ spielen Pigor und Eichhorn zum mehrfach wiederholten Mal ihre Volumen 2 und 3, Malediva sind mit ihrem – gleichwohl zauberhaften – 2006er-Programm „Ab heute verliebt“, und die Geschwister Pfister mit ihrer vorjährigen Reunion-Show „Home, Sweet Home“ zu Gast. Ach ja, und Klaus Hoffman singt noch Jacques Brel, sowie Mouron ein – immerhin neues – Piaf-Programm, am Piano begleitet von Terry Truck. Schade eigentlich. Aber wahrscheinlich erkennt man daran den Erfolg: dass alles so lange gespielt werden muss, bis es auch wirklich jeder gesehen hat, der es sehen will, und das dauert eben. Beschweren wir uns also nicht, sondern freuen uns auf den Sommer. Der wird doch hoffentlich wieder heiß.
Redaktion: Susann Sitzler
Quatsch Comedy Club:
ab 01.06. Club Mix (Stand-up-Comedy mit wechselnden Gästen)
01.06. Cindys Talentschmiede (Newcomershow mit Cindy von
Marzahn)
11./12.06. Michael Mittermeier: „Mittermeier Back to the Roots!“
(Stand-up-Comedy)
19./20.06. Rick Kavanian: „Kosmopilot“ (Stand-up-Comedy)
Admiralspalast
01./15./29.06. „Lokalrunde“ (Bunter Abend mit Tube, Micha Ebeling und
Dürken Tirk)
08.06. Ades Zabel: „Ediths Palastrevolte“ (Trash Comedy)
Mehringhof
01.–08.06. Fil & Sharkey: „Die Sharkey-Show“ (Comedy)
12.–23.06. Horst Evers: „Gefühltes Wissen“ (Comedy)
31.08.–22.09. Thomas Reis: „Machen Frauen wirklich glücklich?“ (Kabarett)
Zebrano-Theater
01./02.06. Faltsch Wagoni: „Deutsch ist dada? Und obst!“ (Sprach-
Poesie-Komik)
15./16.06. Ohne Rolf (Komik-Theater)
19.06. Bodo Wartke: „Achillesverse“ (Kabarett)
2007-06-15 | Nr. 55 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler