Eberhard Riese, Vizepräsidentin des Magischen Zirkels von Deutschland, freute sich: Bereits zum fünften Mal richtete die sehr rührige Stuttgarter Gruppe, deren 1. Vorsitzender er ist, das Festival der Illusionen in der Stadthalle Sindelfingen aus. Auch Topas, hervorgegangen aus dieser Stuttgarter Gruppe und von Eberhard Riese sozusagen entdeckt, freute sich: Mit seiner Brillen-, Karten- und Glocken-Manipulation, mit der er einst die Weltmeisterschaft gewann, stand er ganz zu Beginn seiner Karriere auf eben dieser Sindelfinger Bühne. Treffen sich hier doch schon seit langem Zauberer aus vielen Ländern zum Jahresbeginn, um sich über ihre Kunst auszutauschen. Was lag da näher als diese nach wie vor zum Besten gehörende Nummer, die auch bei häufigem Sehen nichts von ihrer Dynamik und Faszination verliert, gleich zu Beginn des Zweieinhalbstundenprogramms erneut zu präsentieren, allerdings nicht ohne vorher in der Daimler-Stadt einen echten, roten Ferrari sozusagen als "kleiner" Jubiläums-Gag, auf die offene Bühne zu zaubern.
Etwa ein Drittel des diesjährigen Festivals der Illusion bestand aus Elementen von Magic Affairs, der großen abendfüllenden Show, mit der Topas mit seinen Partnern Roxanne und Fisselspecht erfolgreich durch die Lande tourt. Roxanne, in mehreren Topas-Nummern Partnerin, war mit ihrem ebenfalls schon mehrfach preisgekrönten Solo "Rendezvous im Spinnennetz" dabei. Fisselspecht, ausnahmsweise in der letzten Vorstellung, die ich sah, für seinen Kollegen Dirk Losander (Schwebeeffekte und Seifenblasen) eingesprungen, der Sindelfingen schon vorzeitig verlassen musste, trank fast bis zur Erschöpfung zwei Gläser leer, die sich auf zauberhafte Weise immer wieder von neuem füllten. Der Showblock vor der Pause wurde von einem weiteren Stuttgarter Preisträger verstärkt, der in Topas’ Magic Affairs sonst nicht dabei ist: Von "Enterbrainer" Andy Häussler, der sich nicht nur um die Organisation des Festivals verdient gemacht hat, sondern auch mit magischen Quadraten, blitzschnellem Multiplizieren und Ziehen dritter Wurzeln demonstrierte, weshalb er sich dreifacher deutscher Meister und weltbester Mentalist nennen darf. Dass er auch zu beliebig zugerufenen Daten ebenso blitzschnell den richtigen Wochentag nennen kann, wurde dann schon fast als selbstverständlich hingenommen. Bei seiner zweiten Nummer, der Parodie auf die wieder zu Quoten gelangten Fernseh-Quiz-Shows, war er so ganz Quizmaster und Entertainer, dass man den eigentlichen Zaubertrick bei der Geschichte, nämlich das Ziehen der Fragen durch seine beiden Kandidaten aus dem Publikum, fast übersah.
Nach der Pause waren dann die magischen Gäste an der Reihe. Aber Topas, der ja auch als Conferencier durchs Programm führte, wäre nicht Topas, würde er nicht vorher noch seine neueste Illusion präsentieren, die ich mal vorläufig "der Meister und die drei grünen Männchen von einem anderen Stern" nennen möchte. Ich bin gespannt, ob sie den Grundstock für ein neues Programm bildet, wozu sie durchaus das Format hat, oder ob sie in Magic Affairs eingebaut werden wird. Ich hoffe jedenfalls, sie noch öfter sehen zu können. Natürlich wünsche ich mir das auch bei dem Stargast des Abends, bei dem Japaner Shimada, dessen japanisch trippelnde Partnerin kaum nachkam, die unzählichen bunten Schirme von der Bühne zu schaffen, die der Meister, mitten auf der sonst leeren Bühne stehend, ständig hervorzauberte. Doch bei dem internationalen Ruf, den diese Legende der Zauberkunst genießt (viele Jahre schon Headliner in Las Vegas) fürchte ich, dass dies ein Wunsch bleiben wird. Bei dem vierköpfigen Zauberteam Flick Flack, den amtierenden deutschen Meistern der Sparte Großillusion, stehen die Chancen vielleicht besser, dürfte die Damen und Herren doch immer wieder so etwas wie Heimweh überkommen.
Der, last but not least, letzte noch zu nennende Magier der Show ist der Brasilianer Eduardo Peres, dessen erster Auftritt in Deutschland, im Kern eine Manipulation vor einer kleinen Bar als Requisit, sehr an den jungen Topas erinnerte. Er gewann mit seiner Darbietung aber "nur" den 3. Preis bei der Weltmeisterschaft 2000 in Lissabon in der Sparte Manipulation. Was bei Topas die Brillen, sind bei Peres Tauben. Vielleicht liegt es daran, dass es nur ein dritter Preis wurde. Denn auch ich gestehe, dass ich Nummern, bei denen lebende Tiere wie Requisiten eingesetzt werden, mit gemischten Gefühlen betrachte. Wenn Tiere auf der Bühne sind, möchte ich wenigstens ansatzweise etwas von einer Tier-Mensch-Beziehung sehen, da mögen sonst sämtliche Vorschriften des Tierschutzes eingehalten und auch die Haltung untadelig sein. Die Verwendung eines Tiers als bloßes Requisit verletzt in meinen Augen seine Würde. Und ich mag Tiernummern zum Beispiel im Circus sehr! Aber das ist so ziemlich die einzige Einschränkung, die mir zu diesem begeisternden Festival der Illusionen einfällt. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr. Der Termin steht schon fest; vom 03. bis 05.
Januar 2003 wiederum in der Stadthalle Sindelfingen.
Redaktion: Manfred Hilsenbeck
2002-03-15 | Nr. 34 | Weitere Artikel von: Manfred Hilsenbeck