TROTTOIR: Die einen bezeichnen Dich als Kabarettisten alter Schule wie Dieter Hildebrandt. Zum anderen bist Du als Stand-up-Comedian bekannt geworden durch RTL Samstag-Nacht. Wo siehst Du Dich selbst?
Jess Jochimsen: Die Beobachtung ist richtig. Wenn ich auf der Bühne politisch werde, ist schnell die Assoziation zum traditionellen Kabarettisten da. Comedy macht mir aber genau so viel Spaß. Mit 28 Jahren verkörpere ich natürlich meine Generation. Das bin ich einfach - Stand-upper und Kabarettist in einem. Funktioniert prima für mich.
T: Irgendwann im letzten Jahr bist Du mit Deinem Programm „Die Entkernung des Pudels“ „durchgestartet“ vom Off-Künstler der Freiburger Szene kreuz und quer durch die deutschen Kabaretthäuser.
JJ:Kreuz und quer getourt bin ich seit 1992. Allerdings habe ich parallel mein Germanistik- und Politikstudium betrieben. Mit dem Examen letztes Jahr habe ich meiner konventionellen Bürgerlichkeit genüge getan. Das gleichzeitige „Durchstarten“ auf der Bühne hat mich vor dem Referendariat bewahrt.
T: Was bedeutet Dir das Leben auf den Bühnenbrettern Deutschlands?
JJ:Na die Welt. Im Ernst: Die Bestätigung auf großen Bühnen zeigt mir, daß ich mit meiner Arbeit auf dem richtigen Weg bin. Kleinkunst lebt aber auch und vor allem von der Intimität der kleinen Bühnen. Die werde ich immer brauchen und schätzen.
T: Die Liste Deiner Preise kann sich sehen lassen: Kleinkunstpreis Baden-Württemberg 1996, Münchner Kabarett-Kaktus 1996, Passauer Scharfrichterbeil 1997, Kleinkunstpreis der Stadt Lüdenscheid 1998 und jetzt der Förderpreis Deutscher Kabarettpreis 1998. Welche Wichtigkeit haben Wettbewerbe und Preise für Dich?
JJ:Jede Bühne vergibt ja mittlerweile einen Preis. Diese Tatsache hat mir in manchen bekannten Häusern die Möglichkeit zum Spielen gegeben, in denen sonst kein Hahn nach mir gekräht hätte. Es ging mir immer ums Spielen. Erstens habe ich so ganz viele Kolleginnen und Kollegen kennengelernt und zweitens haben sich - mit oder ohne Preis - fast immer Folgeauftritte ergeben. Gütesiegel wie Passauer Scharfrichterbeil oder Deutscher Kabarettpreis sind natürlich toll. Die schreibt mein Agent dann im Info auf die Imponierliste.
T: Die Premiere Deines neuen Programms findet im Frühjahr 1999 sowohl im Freiburger Vorderhaus als auch in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft statt. Ein Bogen zwischen Deinem Wohnsitz Freiburg und Deiner Heimatstadt München?
JJ:Irgendwie schon. Das Freiburger Vorderhaus ist „meine Heimatbühne“. Im übrigen wohnt mein Regisseur direkt darüber, also eine beschützende Werkstätte. Die München-Premiere in der Lach- und Schießgesellschaft zu machen ist klasse.
T: Dein neues Programm hat den Titel: „Friß, vögel oder stirb!“ Um was geht es?
JJ: Um mich. Die Generation X. Wo sie herkommt, wie sie aussieht, wo sie hinführt.
Wie man Gewalt beim Öffnen einer Dosenmilch erlernt, wie man in der Schule anhand eines antiautoritären Krippenspiels auf die Gesellschaft vorbereitet wird oder warum Menschen bereit sind, für ein Bonanza-Fahrrad zu sterben. Wie der Kindergeburtstag zum brutalen Drill wird, warum Winnetou der letzte Wahrer der Werte ist und um die Pubertät in Bayern.
Wieder mit dabei ist das Akkordeon und eine Mini-E-Gitarre.
T: Dein zentrales Thema ist die „Generation X“. Waren Deine Eltern wirklich die einzigen bayrischen 68er?
JJ:Klar. Nichts liegt näher als die Realität. Der ganze Bekanntenkreis nennt meine Eltern inzwischen Eberhard und Renate.
Meine Themen entstehen immer aus meinem persönlichen Umfeld. Beobachten, überspitzen, ad absurdum führen - davon erzählen meine Lieder und Geschichten.
Tourplan Jess Jochimsen
15.11.98 Chemnitz, 1. Chemnitzer Kabarett
18.-21.11.98 Stuttgart, Rosenau
25.11.98 Esslingen, KUZ Dieselstraße
26.11.98 Schwäbisch-Gmünd, Café Spielplatz
27.11.98 Landshut, Kulturforum
28./29.11.98 Passau, Scharfrichterhaus
1.-4.12.98 Hannover, Theater am Küchengarten
11.12.98 Bonndorf, Folkclub
12.12.98 Bad Wurzach, Adler live
13.12.98 Neu-Ulm, Konzertsaal
16./18.12.98 Karben, Kulturscheune
17.+19.12.98 Pforzheim, Kulturhaus Osterfeld
14.1.99 Nürnberg, Burgtheater Verleihung Dt .Kabarettpreis 1998
15.1.99 Lörrach, Nelly Nashorn
20.1.99 Bad Vilbel, Alte Mühle
23.1.99 Massenheim, König Künstlerhaus
28.-31.1.99 Freiburg, Vorderhaus
5.2.99 Lüdenscheid, Verleihung Kleinkunstpreis 1998
6.2.99 Osnabrück, Lagerhalle
18.2.99 Augsburg, La Piazza
19.2.99 Radolfzell, Milchwerk
26.2.99 Bayern 3 Ottis Schlachthof
27.2.99 Ebersberg, Altes Kino
15.-27.3.99 Müncher Lach- und Schießgesellschaft
28./29.3.99 München, Lustspielhaus
1998-12-15 | Nr. 21 |