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  • Szenen Regionen :: München

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    Unmögliche Orte und das Phänomen der Größe

    Wenn Stadtteilplaner etwas planen und dabei an Kultur denken, dann denken sie nur allzu oft an Veranstaltungen, die durchgeführt werden müssen, an die Versorgung der Bevölkerung mit Kultur. Es entstehen Aufführungsorte, bei denen zunächst an die Beschilderung der Notausgänge und zuletzt an ein stimmungsvolles Ambiente gedacht wird. Der Haidhauser Bürgersaal in der Rosenheimer Straße ist so ein Raum gewesen, der nicht nur zweckmäßig war, sondern auch so ausgesehen hat. Eigentlich hat es kaum einer für möglich gehalten, dass aus der ungemütlichen Halle einmal ein gemütliche Kleinkunstbühne werden könnte. Woran andere scheiterten ist den Betreibern der Drehleier gelungen. Nach der Vertreibung aus dem angestammten Lokal in der Balanstraße, hat es zwar eine Zeit lang gedauert, bis die Münchner ihre Drehleier am neuen Ort wieder angenommen haben, nun aber freut sich die Kleinkunstgemeinde schon auf den Mai. Da wird nämlich ein ganz besonderes Jubiläum gefeiert: Ein Vierteljahrhundert gibt es die Drehleier inzwischen und in ganz München wird sich wohl kaum einer finden, der bestreiten wird, dass dieser Kabarett- und Kleinkunsttempel aus München so wenig wegzudenken ist wie das Rathaus vom Marienplatz. Das weiß wohl auch Münchens wortgewandter  Oberlehrer und  Oberbürgermeister Christian Ude, der das Jubiläumsprogramm in der Drehleier eröffnen wird. Diejenigen, die mit ihren Gastspielen München einst zur Kabarettmetropole gemacht haben – Sigi Zimmerschied oder die  Biermöslblosn – fehlen bei den Festwochen ebenso wenig wie diejenigen, die die Kabarettszene an der Isar heute prägen: Valtorta etwa oder Helmut Schleich und Michael Altinger.

    Herzlichen Glückwunsch Drehleier - und – weiter so!

    Den Beweis, dass man an eigentlich unmöglichen Orten auch Kabarett möglich machen kann, hat das Hinterhof-Theater längst erbracht. Unmöglich weit draußen im unmöglichen Münchner Norden gibt es seit Jahren schon eine Bühne, deren Ruf immer noch so groß ist, dass derjenige, dessen Name dort einmal im Programmheft gestanden hat, über so etwas wie ein Adelsprädikat verfügt. Ende März gab ein gewisser Arthur Senkrecht dort seine Visitenkarte ab, ein wahrhaft bayerischer Comedian, dessen Phrase „Also, folgende Situation“, mit der er jede halbwegs neue Situation auf der Bühne einleitet, derart im Gedächtnis des Publikums haften bleibt, dass an so manchem Münchner Frühstückstisch, in so mancher Besprechung und in der Kneipe sowieso nicht wenige Gespräche mit dem kultverdächtigen „also, folgende Situation“ beginnen dürften. Der schlaksige Riese Senkrecht, steht derart wackelig auf seinen spillerigen Beinen auf der Bühne wie eine Marionette, bei der beinahe alle Fäden gerissen sind. „Ein Verlierer will gewinnen“ heißt das Programm, in der ein ewig scheiternder Dauerlehrling in der Gastronomie von seiner Erfolglosigkeit berichtet, während er nebenbei zaubert und jongliert und sich selbst drüber zu wundern scheint, dass seine Tricks bisweilen erstaunlich gut gelingen. Eine Frau sucht er, der senkrechte Trottel, ein Blick auf die Bühne genügt, und jeder weiß, warum er keine findet. Zu Beginn wird der Tollpatsch noch verlacht, am Ende hat man Mitleid mit dem ewig suchenden armen Wicht. Ein tragikomischer Abend von wahrer (Körper)größe.

    Über die Größe, die des Raumes, dürften sich all diejenigen gewundert haben, die nach der rekordverdächtig kurzen Renovierung den „Laden“, die altehrwürdige Lach- und Schießgesellschaft, betreten haben. Großzügig wirkt der Raum, über den man noch vor nicht allzu langer Zeit gerüchteweise zu hören bekam, das Publikum werde - ähnlich wie die Fahrgäste in die Tokioter U-Bahn - von Sumoringern nicht unähnlichen Muskelpaketen in den Zuschauerraum hereingestopft. Begeisterung allüberall über den Neuanfang in der Ursulastraße, Begeisterung auch über das Programm: Massimo Rocchis Circo Massimo machte den Anfang. Nicht fehlen durfte das Kriminal-Kabarett Parole 73 von Valtorta, trockenen norddeutschen Humor präsentiert der Vorzeigevorlesekabarettist Horst Evers. Frank-Markus Barwasser und Georg Schramm traten wortgewaltig auf, stimmgewaltig trällerten die swingenden Comedien-Ladies der String of Pearls. Dass der Neuanfang in Schwabing kein Bruch mit der Vergangenheit ist, auch das geht aus den ersten Programmheft unter neuer Führung hervor. Dieter Hildebrandt findet sich dort ebenso wie Bruno Jonas.

    Till Hofmann, der Mann, der die „Lach-und Schieß“ zu neuem Leben erweckt hat, konnte in seiner ursprünglichen Heimat, dem Lustspielhaus, im ersten Quartal sein Publikum mit einer Vielzahl von Premieren verwöhnen. Die Kabarettfans wurden mit den neuen Programmen von Andreas Giebel, dem bayerischen Eckkneipen-Joyce, Django Asül, der niederbayerischen Pointenmaschine, sowie von Mathias Beltz der sein „Eigenes Konto“ erstmals in München eröffnet hat, wahrhaft verwöhnt. Peter Spielbauer, der seine Wortakrobatik mit akrobatischen Übungen zu unterstreichen versteht, präsentierte sein „Schla-Schla!“ zum ersten Mal, ein optisch-akustischer Leckerbissen.

    Traditionell stellen sich die Gewinner des Passauer Scharfrichterbeiles im Fraunhofer dem Münchner Publikum vor. Ludwig W. Müller aus dem österreichischen Gmunden, der das 2000er Beil gewinnen konnte, ist allerdings schon lange kein Unbekannter mehr in München. Seinem „gewöhnlichen“ Gastspiel im Hinterhoftheater im März ließ er im Mai seinen Siegerauftritt im Fraunhofer folgen. Hutter und Radl, die Drittplatzierten im Passauer Wettbewerb, präsentierten ihre Gesichtsakrobatik am selben Ort. Sie müssen vom Münchner Publikum erst noch entdeckt werden. Viel Spaß dabei!


    Zum König Ludwig Jahr

    präsentiert die Agentur Skarda aus Hohenschäftlarn noch das Sahnehäubchen obendrauf: Günther Grauer - wie der Prinz im richtigen Leben heißt - führt in München ein Prominentenlokal, wurde am Starnberger See geboren und ist Interpret der CD „Ein bayerischer Traum“. Begleitet wird er von den Musikern „Die Kaiserlich Böhmischen“, in der Musikszene bekannt mit ihren Hits „Servus, Gruezi und Hallo“ oder „Die alte Dampfeisenbahn“ - kurzum die Münchner feiern ihren Märchenkönig und dies ist wahrlich kein Scherz, um nur das Sommerloch zu füllen!

     

    2001-06-15 | Nr. 31 |