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    Kunst zum Nulltarif?

    von Dr.Klaus-Peter Pfeiffer

    TROTTOIR-Redakteur „Zauberkunst“ und selbst aktiver Zauberkünstler

    In Deutschland sind sie inzwischen überall vertreten, in kleineren und größeren Orten, manchmal mehrere in derselben Stadt: die „Offenen Bühnen“. Das sind Shows, in denen verschiedene Künstler für ca.10 oder 20 Minuten ihre Darbietung zeigen können. Die Veranstalter sind kleine Theater, aber auch Kneipen und Restaurants. Auftreten darf – im Prinzip – jeder. Dadurch erhalten Newcomer eine Chance, Bühnenerfahrung zu sammeln und Material auszuprobieren. Eine gute Sache, so scheint es. Doch der Schein trügt.

    Es ist zumindest nicht überall ganz einfach, bei solchen „Mixed Shows“ auftreten zu dürfen. Ein gewisser Anspruch wird erhoben, es hilft, wenn man empfohlen wird, und lange Wartelisten gibt es auch. Nur bei der „offenen Wunde“, einer Veranstaltung in Köln, kann jeder – auch spontan – mitmachen. Das führt zuweilen dazu, dass ein Paar auftritt, welches als Erstes verkündet, es habe sich nicht vorbereitet und wolle jetzt irgendwas machen. Das Ganze führt natürlich zum großen Erfolg, denn den eigenen Fanclub aus Freunden und Bekannten haben sie ja dabei.

    Die Entwicklung zeigt: Bei den offenen Bühnen treten zunehmend gestandene Profis auf. Und hier wird es problematisch. Denn die Auftretenden erhalten keine Gage. Manchmal bekommen sie einen Teil des Eintrittsgeldes und ein warmes Essen nebst 2 Freigetränken. Da der Eintrittspreis auf alle Künstler verteilt wird, kann man dies getrost vergessen oder als einen Zuschuss zum Fahrgeld, das auch nicht übernommen wird, betrachten. Gewinner ist der Veranstalter: er hat ein volles Haus, macht sich einen Namen im Bereich Kultur und seinen Umsatz mit Essen und Getränken. Verlierer sind die Kunst und alle Künstler (auftretende und nicht auftretende), die versuchen, von der Kunst zu leben – was keine leichte Kunst ist.

    Gewiss: keiner betreibt die Zauberei professionell, um das große Geld zu verdienen. Die Motivation ist eine künstlerische und sollte es auch bleiben. Vieles was wir tun – zum Beispiel stundenlanges Üben über Jahre hinweg – ist unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten oft sinnlos. Die Gagen können das gar nicht einspielen. Wir haben Spaß an unserer Arbeit und das soll auch so bleiben. Eines ist aber klar: Wer oft auf solchen Bühnen auftritt, nimmt sich und den Kollegen die Existenzgrundlage. Warum sollte ein Veranstalter für einen Künstler relativ viel Geld bezahlen, wenn er ihn – und noch einige mehr – für einen Bruchteil der Summe haben kann?

    Daher das Plädoyer: entweder solche Shows klar als Anfängershows betreiben – siehe „offene Wunde“ – oder die Sache professionell aufziehen, z. B. mit Umsatzbeteiligung der Künstler oder festen Honoraren.

    „Aber wir müssen doch mal neues Material ausprobieren“, höre ich als Einwand. Gerade in der Zauberkunst muss man manches einfach spielen, um zu sehen, ob und wie es wirkt. Manche Kunststücke „lernt“ man erst auf der Bühne. Wo sind eigentlich die Auftritte in Altenheimen und Krankenhäusern geblieben? Das war früher unter Zauberern gängig. „Zehn Mal im Altenheim vorgeführt und du hast die Routine drauf“, höre ich noch die Worte eines alten Profis. Im Altenheim bekam man keine oder nur eine geringe Gage (sie hatten einfach nicht das Budget dafür), es gab etwas zu essen und man hatte ein dankbares Publikum. Das war vielleicht nicht das „ideale“ Publikum, aber in einer überalterten Gesellschaft das Publikum der Zukunft. Und man tat ein gutes Werk und zauberte Lachen in Gesichter von Menschen, die sonst nicht viel zu lachen hatten.

    Und dann ist da noch die Mär vom „Bekanntwerden“. Natürlich können Sie auf offenen Bühnen bekannt werden: als jemand, der umsonst auftritt und offensichtlich nicht allzu viele bezahlte Jobs hat. Sonst hätte er ja keine Zeit. Sicher: irgendwann sitzt ein großer Firmenboss, Varieté-Agent oder TV-Produzent im Publikum und engagiert Sie vom Fleck weg. Sie kommen groß raus und machen eine Karriere wie Copperfield. Träumen Sie weiter. Wir sehen uns dann bei Hartz IV.

    (Leserbriefe zu diesem Thema bitte per Mail an: maltha-verlag@t-online.de)

     

     

    2007-12-15 | Nr. 57 | Weitere Artikel von: Dr. Klaus-Peter Pfeiffer