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    Molière uff hessisch …

     

    Der hoch gewachsene und stark geschminkte Mann in barocker Kleidung blickt scheinbar unschlüssig ins Publikum. „Wie war noch mein erster Satz …? Ach so, morsche werd geheiratet“, sagt er dann und erntet damit auch gleich den ersten Lacher und Applaus seines Auditoriums. Das quittiert er mit dem Ausruf: „Na, net klatsche jedes Mal, sonst werde mer net fertisch!“

    So und nicht anders haben sich die Zuschauer ihren hessischen Molière vorgestellt: spontan-witzig und nicht theatralisch-bierernst. Schließlich hat sich Hauptdarsteller Michael Quast nicht nur im Theater, sondern auch im Kabarett weit über hessische Grenzen hinaus einen Namen gemacht. Im Sommer war der Frankfurter Allround-Künstler erstmalig in „Die Schule der Frauen“, einer Molière-Bearbeitung von Wolfgang Deichsel, beim Molière-Festival im Höchster Bolongaro-Garten zu sehen. Drei Tage lang boten Quast und Kollegen ein äußerst vergnügliches „Vorspiel 2005“ auf das, was in den kommenden Jahren vor der historischen Kulisse des Palastes folgen soll: ein Barockfestival am Main, der hessische Molière in Mainkultur.

    Regisseur Deichsel hatte mit seinen Molière-Inszenierungen nach Hessen-Manier bereits vier Jahre lang in Bad Vilbel Theaterbesucher und Kritiker begeistert; mit der Premiere in Höchst gelang ihm erneut eine umwerfende Mischung aus Pathos und Komik, großen Worten und hinreißendem Gebabbel. Quasts Texthänger-Gag vom Anfang hat einen Hintergrund: Die Schauspieler hatten tatsächlich nur vier Tage Zeit zum Proben, das Geld für Ausstattung und Technik war knapp. Also verzichteten die Akteure auf die Gage und probten entsprechend kurz.

    Dieses Engagement freut insbesondere Organisator Ralf Ebert vom Neuen Theater Höchst, der das erfolgreiche Duo Deichsel-Quast in den Einzugsbereich seiner Wirkungsstätte holte. Ebert gefiel schon immer Deichsels Mischung aus Kunstanspruch und Unterhaltung. „Er verbindet klassisches Theater und Mundart, das bringt Ironie und Spannung, und dennoch wird Molière ernst genommen.“ Das ungewöhnliche Ambiente des Bolongaro-Palastes trägt noch mehr zur Stimmung bei. Laut Ebert ist der Barockbau der erste in Europa, welcher von einem Bürgerlichen errichtet wurde. „Das ist genau das Ambiente, in dem auch Molière gespielt hat“, so der Höchster Theatermacher. Nach 20 Jahren erfolgreichem Kleinkunstprogramm im Neuen Theater, das demnächst saniert wird, sieht Ebert das Barock-Festival auch als Zugeständnis an das Frankfurter Randgebiet Höchst. „Wir wollen neue Wege aufzeigen“, sagt er. „Ein Festival auf einer Naturbühne gibt es in Frankfurt nicht.“

    Von 2006 an will Ralf Ebert gemeinsam mit Wolfgang Deichsel, Michael Quast und dem Ensemble nicht nur „Die Schule der Frauen“, sondern auch andere Molière-Stücke auf der Bretterbühne vor dem Palast präsentieren. „Drei bis vier Wochen Programm wäre unser Ziel“, sagt Ebert. Der Anfang wurde bereits bravourös gemeistert.

    Hoch her ging es auch bei der ersten Open-Air-Comedy-Nacht des Rüsselsheimer Kulturvereins Das Rind. Laut johlend begrüßten die Zuschauer den mit Plateauschuhen, Stretchhose und Steckernase ausgestatteten Burschen, der soeben als Elektro-Man angekündigt wurde. Und auch wenn der Kerl trotz Stoffhase und magischen Accessoires nicht zaubern kann, auf die Lachmuskeln seiner Zuschauer wirkt er mit magischen Kräften.

    Der schräge Humor des Elektro-Mans alias Roberto Capitoni und seiner drei Kompagnons, Frank Fischer, Achim Knorr und Johannes Flöck, war Trumpf bei der nunmehr vierten Rüsselsheimer-Comedy-Nacht des Kulturvereins. Der Austragungsort des Spektakels, erstmalig die Festung, trug ebenfalls zum ungewöhnlichen Ambiente des Abends bei. Kleiner Wermutstropfen für die Veranstalter und den Lokalmatador und Moderator des Abends, Frank Fischer: Nur etwa 75 Zuschauer fanden den Weg in den lauschigen Innenhof auf dem Festungsgelände.

    Elektro-Man Roberto Capitoni stört das wenig, er hat seine ganz eigene Art, Stimmung zu verbreiten: Zwischen seinen Zaubertricks geizt er nicht mit Konfetti, „das ist ganz wichtig, denn es lenkt von der Scheiß-Nummer ab.“ Bühnenkollege Johannes Flöck hingegen fühlt sich als Raucher ausgegrenzt. Die wohlgemeinten Tipps der Nichtraucher, „versuch’s mal mit ’nem Raucherkaugummi“, überzeugten ihn wenig: „Als ich versucht habe, den anzuzünden ...“ Auf jeder Party fühlt sich Noch-Raucher Flöck nicht willkommen. „Auf jeder Zigarettenpackung steht, Rauchen schadet ihrer Umgebung“, so der Comedian. „Kein Wunder, wenn du immer damit rechnen musst, dass der Balkon, auf dem du mit 200 anderen Rauchern stehst, gleich abstürzt.“

    Achim Knorr wiederum nimmt die alltäglichen Widrigkeiten des Lebens einfach mit dem Humor eines Heinz Erhardt auf die Schippe. Seinem „geistigen Hausfriedensbruch“ begegnet der sympathische Chaot und Wortakrobat mit irrwitzigen Erzählungen und aberwitzigen Liedern, die er selbst auf der Gitarre begleitet. Und auch, wenn er von seiner Sportverletzung erzählt, die er sich beim Fußball zugezogen hat, „eine Schleimbeutelentzündung vom Zappen vor dem Fernseher“, behält Knorr seinen Humor.

    Und der Rüsselsheimer Frank Fischer schüttelt an diesem „K-und K-Abend, alle auftretenden Künstler, außer mir, kommen aus Köln oder Koblenz“, dann doch noch ein paar andere Vertreter des Bühnen-Genres aus dem Ärmel: Gekonnt persifliert er Reinhard Mey und Alfred Biolek. Wobei er sich beim Stichwort Biolek noch beim Publikum dafür entschuldigt, dass bei der ersten Comedy-Nacht in der Festung zwar humoristische Häppchen, aber keine belegten Schnittchen serviert wurden. Außer hinter der Bühne, versteht sich. Den Zuschauern war das egal: Sie kamen auf ihre Kosten.

    Viel leisere, aber umso harmonischere Töne stimmte die Chansonsängerin Suzanne Lacan bei ihrem Auftritt auf der Open-Air-Bühne des Stalburg-Theaters im Frankfurter Günthersburgpark an. Virtuos begleitet wurde sie dabei von Gisèle Kremer am Piano und Christoph Paulssen am Kontrabass. Das französisch-luxemburgisch-deutsche Trio steht seit sechs Monaten gemeinsam auf der Bühne und überzeugte die Zuschauer im Park im Handumdrehen. Mit samtweicher Stimme präsentierte Lacan französische Chansons verschiedener Interpreten. Die zierliche Französin kam vor sechs Jahren „der Liebe wegen“ aus Bordeaux nach Deutschland und erprobt sich seit drei Jahren auf Frankfurter Kleinkunstbühnen. Gut so, denn das Zuhören lohnt sich.

    Lauter wurde es im Anschluss an Suzanne Lacans Auftritt, als April King die Bühne für sich eroberte. Die stimmgewaltige Wahlfrankfurterin, aber gebürtige Amerikanerin, und ihre Band brachten die Stimmung im Parkpublikum innerhalb kürzester Zeit zum Kochen. Ein Glück, bei den herbstlichen Temperaturen an diesem Sommertag. Auch wenn die Lady den Blues singt, bringt sie ausschließlich gute Laune hervor.

     

    Abschied

    Nicht nur aus Kinderaugen flossen bittere Tränen. Ende Mai hieß es endgültig: Klappe zu für das Klappmaul Theater. Wer jemals eine Produktion des bei Großen und Kleinen beliebten Puppentheaters genießen durfte, weiß, was fortan in Mainhattan fehlen wird. Nach dreißig überaus erfolgreichen Bühnenjahren haben sich die Akteure nun zurückgezogen. Verdientermaßen für sie, schade für ihr Publikum!

    Vorblicke

    Das Stalburg Theater präsentiert am 1. Oktober eine neue Produktion von Michael Herl. In der laut Ankündigung „zauberhaften Politsatire“ geht Ilja Kamphues als „Neumann nach Berlin“. Ihm folgt das Frankfurter Schulorchester mit der Shanghai-Show am 10. sowie 11.10. „Abschalten“ heißt es dann für Matthias Keller von den U-Bahn-Kontrollören in tiefgefrorenen Frauenkleidern in seinem Soloprogramm am 7.11.

    „Brüskiert!?“ zeigt sich Christoph Brüske am 12.10. im Garniers Keller in Friedrichsdorf. Dort tritt auch Kabbaratz unter dem Motto „Hauptsache, wir sind alle gesund“ auf. Termin ist am 2.11. Und nicht zu vergessen: Eine Wundertüte der Künste hat der Garniers Keller am 14.10. sowie am 9.12. zu bieten. Künstler, die an einem Auftritt bei der Offenen Bühne interessiert sind, melden sich unter 0179-4 91 59 49.

    Einen guten Start in die Herbstsaison für Künstler und Veranstalter wünscht

    Redaktion: Kiki Krebs

    2005-09-15 | Nr. 48 | Weitere Artikel von: Kiki Krebs