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  • Szenen Regionen :: Köln-Bonn

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    Revolution im Rheinland

    Die erlebnisreichste Schifffahrt, die ich je unternommen habe, fand am 5. Juni mit der MS Bonna von Köln nach Bonn statt und gab Aufschluß über die Revolution im Rheinland. Eine geniales Gespann, bestehend aus dem Kabarettisten Rainer Pause alias Fritz Litzmann und dem Historiker Martin Stankowski, berichtete vom Überlebenswillen eines geprügelten Volksstammes, der seine Niederlagen stets in  Siege umzumünzen verstand. Selbstverständlich ging somit auch diese Fahrt gegen den Strom, d.h. nach Bonn und nicht nach Düsseldorf. Auf sehr hohem Niveau, mit Witz und Ironie erfuhr der Fahrgast viele geschichtliche Details, direkt am Ort des damaligen Geschehens. Spontan zu Fahrtbeginn verschwanden die dunklen Regenwolken und die Sonne beleuchtete z.B. die Schwenkbrücke, an der Willi Millowitschs Großvater regelmässig Puppenthaeter spielte, das die Bürger, die unbedingt auf die rechte Rheinseite wechseln wollten, über sich ergehen lassen mußten. Untermalt mit Revolutionsliedern wie "Mecki Messer" informierten und begeisterten  die streitlustigen Wegbegleiter und erzeugten eine Bombenstimmung, die bei der Rückfahrt per Sonderzug bei einem Kölsch vertieft wurde.

    Am 30. Juni hatte das Programm "Keiner kennt Coco" Senftöpfchenpremiere. Und diese Aussage änderte sich spätestens an diesem Abend, als Coco Camelle in orangem Catsiut mit Rüschenvolant und wuscheliger Hochsteckfrisur das Publikum für sich eroberte. Mit von der Partie war ihre große Liebe Winfried, eine Matrosen-Quietscheente. Er hat drei Vorteile: In der Badewanne nimmt er keinen Platz weg, er hört immer zu und glaubt alles, z.B. wenn sie von Tante Hildegard, den harten Zeiten im Wilden Westen oder warum man Meerjungfrauen niemals anfassen darf, erzählt. Als solche erscheint sie dann auch mit Fischschwanz und Gummiflossen nach der Pause und laviert sich gekonnt über den Flügel. Ihre beachtliche Musikalität kommt ebenso beim Spiel der Ukulele wie auch der Gitarre und natürlich dem Gesang zum Zuge. Die witzigen, ironischen und intelligenten Texte über den VHS-Trommel-Workshop, die Liebe oder ABBA schrieb ihr Anna Winkels vom Senftöpfchen wie auf den Leib.   Wobei wir bei dem wesentlichen Highlight des Kölner Herbstes wären.

    40 Jahre Senftöpfchen

    Das Senftöpfchen feiert vom 9.9.99 bis zum 26.9. in einem historischen Spiegelzelt auf dem Kölner Alter Markt mit einem Kabarettfestival unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Norbert Burger sein 40jähriges Bestehen.

    Zur Geschichte: 1959 gründete der gebürtige Rheinländer Fred Kassen, Komponist, Arrangeur und Texter und von 1934 - 1940 als flüsternder "Tenor-Buffo" Mitglied der Commedian Harmonists in der Diaspora Köln mit seiner Frau Alexandra ein erstes politisch-satirisches, literarisches Kabarett mit festem Ensemble. Mit dem ersten Programm, "Wir Wundersünder" gaben sie (u.a. Brigitte Mira, Fred Kassen) ihren Senf zu den aktuellen Geschehnissen des zur Musterrepublik mutierten Nachkriegsdeutschlands ab. Klug und risikofreudig präsentierte Fred Kassen ein breites Spektrum vom klassischen literarisch-politischen Kabarett der Weimarer Republik über die erotischen "Chansons extra-ordinaire", dargeboten von Helen Vita bis hin zu frechen Boulevardstücken.

    Fred Kassen, in dessen Theaterbar sich Kaiser, Könige, Bettelmann, Nutten, Gangster, Zuhälter, Politiker und fromme Bürger trafen, war der unumstrittene Prinzipal des Senftöpfchens und als Texter, Komponist, Regisseur, Pianist und Direktor gab er dem ersten Kölner Kabarett sein unverwechselbares Gesicht. Seine um 20 Jahre jüngere Frau Alexandra, eine wohlbehütete (originelle Hütchen sind auch heute ihr Markenzeichen) Frau aus liberalem Hause erlebte im Schatten ihres Mannes etwas völlig Neues und das machte sie neugierig. Diese Eigenschaft ist ihr bis heute geblieben  und hat ihr Kraft gegeben, als ihr Mann 1972 unerwartet starb, weiterzumachen.

    1974 kam Alfred Biolek auf sie zu und schlug ihr vor, eine Live-Talk-Show "Wer kommt, kommt"  mit prominenten Gästen zu machen, daraus entstand später die Fernsehsendung "Kölner Treff",  für die der WDR das Senftöpfchen originalgetreu im Studio nachbaute.

    Fortan war das Senftöpfchen eine beliebte Adresse für prominente Künstler und solche, die es noch werden sollten. So steht das Senftöpfchen auch heute noch in dem Ruf, nicht nur berühmte Künstler wie Dieter Hildebrandt, Hanns Dieter Hüsch, Sissi Perlinger, Georgette Dee und Konrad Beikircher  auf die Bühne zu holen, sondern auch dem noch unbekannten Nachwuchs den Eintritt in die Kleinkunstwelt zu ermöglichen.

    Mit dem mutigen Engagement der "Garcon terribles" aus Paris machte Alexandra Kassen hierzulande die Revue-Travestie salonfähig.

    Dass Alexandra Kassen, die sieben Tage in der Woche von morgens bis tief in die Nacht ihr nicht subventioniertes Theater am Leben hält, das richtige Händchen hatte, finanzielle Risikobereitschaft und ein hohes Maß an Weitsicht zeigte, wurde mehrfach honoriert: 1978 Verdienstkreuz am Bande   vom Kölner Oberbürgermeister  van Nes Ziegler 1993 Verdienstorden des Landes NRW von Ministerpräsident Johannes Rau 1996 Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Köln 1999 Rheinlandtaler Landschaftsverband 1999           Deutscher Verdienstorden 1. Klasse von Roman Herzog.

    1986 zog das Senftöpfchen-Theater aus der Pipinstraße in das "Centre Pompidou de Cologne", vis à vis dem Dom. 1987 gründete Alfred Biolek den "Förderverein Senftöpfchen-Theater", dem mittlerweile 700 Mitglieder hat.

    Die Tochter Alexandra Franziska Kassen hat sich mit den jährlichen "Azvenzkranzfirlefanz"-Matinées, die sie mit Kleine und Linzenich präsentiert, in die Herzen des Senftöpfchen-Publikums "gebrettlt" und ist Schöpferin der unter Kabarett-Liebhabern als Sammelobjekt gehandelten Programmhefte.

    Von dieser Stelle aus meinen herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum an Frau Alexandra Kassen und Frau Alexandra Franziska Kassen und mögen Sie noch viele Jahre weiterhin von der Kleinkunst begeistert sein und Zuschauer und Presse zu begeistern verstehen

    Redaktion: Helga Korthals

     

    Termine

    Köln

    9.-26.9. Senftöpfchen  Festwochen im Spiegelzelt, Info: 0221 / 258 1058

    26.9.     Prime Club      Die Reimreiter - Live    90 Min. Comedy & HipHop

    20.10.   Bürgerhaus Stollwerck  Madeleine Sauveur + Clemens Maria Kitschen

    20.-30.10.  Köln Comedy Festival   Festival-Büro: 0221 / 936 830

    14.-19.11.  Comedia Colonia          25 Jahre Ömmes & Oimel

     

    Bonn

    21.-25.9. Pantheon                      Wise Guys - A Capella

    23.9.      Haus der Springmaus       Richard Rogler "Freiheit West"

    27.+28.9. Pantheon                      Rainer Pause "Das letzte Gericht"

    18.+19.10. Haus der Springmaus      Duo Malediva "große kundsd"

    16.-23.11. Pantheon                      Rainer Pause + Norbert Alich - Premiere

     

    1999-09-15 | Nr. 24 | Weitere Artikel von: Helga Korthals