Trottoir Online Magazin / Künstler und Eventattraktionen

--- Trottoir Admin Ebene ---

 
 
 
Trottoir Header
Suche im Trottoir

Kategorien Alle Jahrgänge




Admin Bereich K10


Artikel - gewählte Ausgabe
Meist gelesen
Statistik
  • Kategorien: 66
  • Artikel: 3588
  • Szenen Regionen :: Stuttgart

    [zurück]

    Ein heißer Sommer im Schatten der Kleinkunst

     

    Stuttgart: Schon im April wurde in Stuttgart der Stuttgarter Besen 2014 – ein Nachwuchspreis zum Thema U 35 – ausgespielt. Der Abend wird vom SWR aufgezeichnet. Diesmal moderierte der Kabarettist und Pantomime Christoph Sieber. Das Bewerberfeld war ausgeglichen wie nie. Diesmal gewannen Maxi Schafroth & Markus Schalk, beide in „Bergbauernkleidung“, da sie in einem kleinen bayrischen Dorf aufgewachsen sind. Den silbernen Besen gewann René Sydow mit seiner Poetry Slam Show, den bronzenen Jens Neutag und den Publikumspreis Sascha Korf.

    Acht Künstlerinnen und -Künstler aus den Genres Satire, Kabarett, Musik-Kabarett, politischem Kabarett und Poetry Slam waren nominiert. Sie stellten sich am Dienstag, 1. April 2014 im Stuttgarter Renitenztheater der Jury und dem Publikum.


    Ebenfalls an diesem ehrwürdigen Spielort, der schon mehr als 50 Jahre auf dem Buckel hat, die Geschwister Pfister. Inhalt: Eine Traumreise der Deutschen zu den heißgeliebten Stränden Italiens in den 50er bis 70er Jahren. Es ist die elfte Show der Truppe, der Titel: „Wie wär`s, wie wär`s? Ist das Comedy? Ist das Entertainment? Nein! Eine Musik-Revue! Sicher: Perfekter Gesang und interessante und witzige Choreographien. Was will man mehr? Man wünscht sich, wenn es um dieses Thema geht, einen Hauch von Sozialkritik. Aber da herrscht bei den Wahlgeschwistern Windstille! Da könnten sie sich erheblich steigern. Sie bräuchten sich nur mal die Doppel-LP oder die Konserve des Maren Kroymann Programms „Auf Du und Du mit dem Stöckelschuh“ reinziehen, die die Hits der 50er und 60er Jahre mit genialen persönlichen und politischen Conferencen verbunden hat. Eigentlich kein Problem, denn die Begleitband der Geschwister ist genau dieselbe wie damals bei Kroymann: Das Jo Roloff Trio.

    Im zweiten Teil der Revue wird die Gruppe zu Kostümwechsel-Weltmeistern, mal springen die Männer knapp bekleidet als Revuegirls auf die Bühne, dann treten alle drei als bekannte Schlagersängerinnen auf. Viel fürs Auge, durchaus was auf die Ohren und eine klatschwütige Stimmung wie in der längst gestorbenen ZDF Hitparade oder in einem Bierzelt auf den Stuttgarter Wasen!


    Im Stuttgarter Theaterhaus gab es eine Premiere von Gauthier Dance: Alice (im Wunderland) (Bild). Hohe tänzerische Qualität zeichnet die Truppe aus, die sich auch in Altenresidenzen und Schulen stark sozial arrangiert. Die Idee, mal ein ganzes Stück auf die Bühne zu bringen, zahlt sich aus.  Choreograph war diesmal Mauro Bigonzetti. Der Stoff ist ideal bearbeitet. Der Chef der Truppe, Eric Gauthier, kommt zu Beginn im Gehrock als Lewis Carroll auf die Bühne. Er rezitiert sehr gut, bringt auch einen eigenen Song  wie in seinem Programmen als Rockmusiker. artbild_610_Alice

    Unterstützt wird die Gruppe diesmal mit Live-Gesang von dem italienischen Trio Assurd, das mit den Songs eine wunderbare Atmosphäre erzeugt. Ernste, verrückte und satirische Teile wechseln in einer bunten Mischung. Besonders bemerkenswert ist auch das Lichtdesign von Carlo Cerri. Dadurch werden große Umbauten überflüssig. Im Großen und Ganzen wieder ein toller Erfolg dieser sympathischen Truppe in ihrem Stammhaus in Stuttgart.

     

    artbild_250_staehlinChistoph Staehlin (Bild) spielte im evangelischen Gemeindehaus in Hechingen, ein Solidaritätsauftritt für die neue Kirchenglocke. Bei Christoph muss man gut zu hören, intelligente poetische texte werden von ihm vertont. Erträgt es mit einem seltenen Saiteninstrument vor, ein Gemisch aus Laute und Gitarre. Die Zuhörer sind gebannt, ernster der erste Teil, sehr humorvoll der zweite. Nach zugaben darf Staehlin endlich die Bühne verlassen, um sich noch intensiv mit den Zuschauern auszutauschen. Wo gibt es diese wundervolle Einstellung heute bei Künstlern noch?

     

    Im Großraum Stuttgart gibt es jede Menge Freilichtbühnen, die im Sommer wochenlang meistens ausverkauft ihre Programme spielen. Besonders bekannt ist die Truppe von Hildegard Plattner, die nach vielen Jahren die Leitung und die Regie  bei diesem theater abgibt. Keine leichte Aufgabe, rund 100 Laien und Halbprofis für die aufwendigen Produktionen bei der Stange zu halten. Dieses Mal wurde ein Stück in Kooperation mit dem berühmten Autor Felix Huby erarbeitet: „55 Sommer - Ein Schrebergarten erzählt Geschichten(n)“. Und da geht es in dieser vierstündigen Produktion im Sauseschritt vom Kriegsende 1945 über die „goldenen 50er Jahre“, die Flower Power Sechziger mit den Studentenunruhen bis in das Jahr Zweitausend. Die Geschichte der Familien mit Verlieben, Hochzeiten, Trennungen, Freude und Kummer, Spaß und Verzweifelung wird lebendig erzählt. Sehr berührende Momente, wenn nach dem Krieg ein Spätheimkehrer nach Hause kommt und feststellen muss, dass seine Frau jetzt mit seinem besten Freund zusammenlebt. Immer wieder kreuzen auch die Fahrzeuge aus den verschiedenen Epochen auf, vom Plastikbomber über uralte Motorräder, alte Käfer oder Mercedeskarosse bis zum obligatorischen VW Bus der Hippiegeneration. Eine ausverkauftes Freigelände, ein wunderbares Publikum und dazu noch bestes Sommerwetter. Ein Erlebnis! Was will man/frau auch mehr?

     

    Im Kabarett der Galgenstricke in Esslingen lief neben dem bewährt guten Hausprogramm diesmal unter anderem „Sonny Boys“ von Neil Simon, gespielt von Angela Neis, Alexander Reuter, Bodo Kälber und Jo Jung, bekannt aus Film, Funk und fernsehen. Gute Unterhaltung, vielleicht etwas zu lang, der ein oder andere Strich hätte gut getan. Überflüssig zu erwähnen, dass die professionellen Darsteller  ein theater- und satiremäßiges Feuer entfachten. Um den Vergleich mit bekannten Filmproduktionen erst gar nicht aufkommen zu lassen, haben sie geschickt ihre eigene Version erarbeitet, dem Süden entsprechend auf schwäbisch und pfälzisch.

     

    Das deutsche Kabarettarchiv in Mainz, in dem die wichtigsten Dokomente aller Kabarettisten, die ab 1901 die Bühnen unsicher gemacht haben, gesammelt werden. Jürgen Keßler und seine Crew sammeln aber nicht nur, sondern sie sorgen auch dafür, dass die besten KabarettistInnen posthum – einige auch schon zu Lebzeiten - geehrt werden. Es gibt zwischen dem Kabarettarchiv und dem Unterhaus, einer der bekanntesten Kleinkunstbühnen in Rest-Westdeutschland,  einen „Walk of Fame“. Hier erinnern Platten mit einem Stern der Satire an Hüsch, Hildebrandt, Kreisler, Loriot  aber auch an den mit 89 Jahren in Verbund mit Richling immer noch aktiven Gründer des Stuttgarter Renitenztheaters, Gerhard Woyda. Berühmt berüchtigte Deutsche Kleinkunstpreisträger wie Degenhardt und Süverkrüp fehlen noch. Es muss sich meistens ein Sponsor von Außen finden – ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Linke oder ihre Stiftung - und außerdem ist der „Weg of Ruhm“ mittlerweile fast ganz mit Sternen zugepflastert. Diesmal wurde im Mai Dieter Hildebrandt noch mal geehrt, und zwar mit einer Büste, die gegenüber der Büste seines alten Kumpels Hüsch aufgestellt wird. Zur Enthüllung der Büste kamen Hildebrandts Frau Renate Küster, seine Tochter, Klaus Staeck, Ottfried Fischer, die unter der Moderation von Walter Schumacher über ihre Beziehung zum Geehrten Auskunft gaben, mal ernsthafter, mal mit viel Humor. Auch im Publikum viele bekannte Leute, die mit Satire oder anderen künstlerischen Tätigkeiten auf sich aufmerksam gemacht haben. Herbert Bonewitz, Herr Nickel, der Pardongründer, Ceef Krüger, Gründer und ehemaliger Leiter des Unterhauses, Promis wie Petra Gerster oder Margit Sponheimer. Staeck - der viele politische Plakate mit einem Schuss Satire entworfen hat -bezeichnete Hildebrandt „als Bruder im Geiste“, Hildebrandt hätte ihn bei politischen Aktionen immer spontan und kostenlos unterstützt. Das neue Hildebrandtbuch „Letzte Zugabe“, erschienen im Blessing Verlag, wurde an alle Gäste verteilt. Ottfried Fischer konnte bei seiner Würdigung eines kurzen Seitenhiebes auf flache Comedy nicht verkneifen: „Comedie ist die hure des Kabaretts“. Und über Hildebrandt brachte er den sybellinischen Satz: „Er hat gelebt, um für uns da zu sein, wenn er nicht mehre lebt!“   

     

    Redaktion: Bruno Schollenbruch  

    Bildnachweis: Gauthier Dance | Alice - Regina Brocke



    Anz_Zuckerstuecke__1_2014

    811|214 TG: Agentur Zuckerstücke . Özgür Cebe . Duo Akascht . Courth & Kaps [mehr Infos]



    2014-08-08 | Nr. 83 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch


    |Passende Links: . Programme|Tourdaten – Özgür Cebe
    . Programme|Tourdaten – Andrea Volk