Trottoir Online Magazin / Künstler und Eventattraktionen

--- Trottoir Admin Ebene ---

 
 
 
Trottoir Header
Suche im Trottoir

Kategorien Alle Jahrgänge




Admin Bereich K10


Artikel - gewählte Ausgabe
Meist gelesen
Statistik
  • Kategorien: 66
  • Artikel: 3596
  • Szenen Regionen :: Stuttgart

    [zurück]

    Stuttgarter Kleinkunstfrühling

     

    Gauthier Dance Company Theaterhaus Stuttgart – OUT OF THE BOX IV

    Gauthier hat acht seiner Tänzerinnen und Tänzer experimentieren lassen. Er hat ihnen vollkommen freie Hand gelassen. Die Mitglieder konnten dieses Vertrauen mehr als rechtfertigen. Alle haben je eine Choreographie erarbeitet und sie mit dem Ensemble auf die Bühne des Theaterhauses gebracht.

    Im Vorspann gibt es immer ein Video auf Großleinwand, in dem sich die Künstler und ihr Stück vorstellen, mal in der Natur, mal in der Stadtbibliothek. Die Künstler sprühen vor Ideen, das ganze Spektrum von ernst bis humorig wird ausgeschöpft. Immer wieder spielen Requisiten eine starke Rolle, wie die Puppen  in „Crazy Lamps“, eine Choreographie von David Valencia. Wie die Tänzerinnen in Zwangsjacken mit den Puppen umgehen, erinnert an ein Irrenhaus. Jedes Stück hat aber seinen eigenen Charakter.artbild_250_Perez_Oloriz_A_ Bei „May-Be“ von Rosario Guerra (Bild rechts), das sehr dramatisch startet, kulminiert die Choreographie in einem spanischen Tanz. Bewusst wird hier überzogen, hier blitzt der bekannte Humor der Truppe auf. Den Einstieg machte Rebecca Harms mit „Seething Beneath“, der Raum wird genutzt, zu Minimalmusikklängen werden phantastische Bilder entwickelt. Harms bekam vor kurzer Zeit  eine Auszeichnung mit dem Preis „Der Faust“. Eine wahre Requisitenorgie veranstaltet Sebastian Kloborg in „Ways To Go“.

    artbild_200_Florian_LochnerEin roter Teppich, auf dem Dutzende von Gläsern stehen. Allerdings werden sie in diesem Tanztheaterstück zu wenig genutzt, sie sind mehr Dekoration als mitspielende Elemente. In „Wan/del/bar“ von Florian Lochner (Bild links) wird das Geheimnis des Titels zum Abschluss dann gelüftet. Humorvoll werden schnelle Verwandlungen in einer schwarzen Box gezeigt, mal sieht man nur einzelne Körperteile, Beine, Köpfe, die dann immer wieder in der Box verschinden. Das Publikum lacht, staunt und zum Schluss wird dieses große Experiment mit einem langen, kräftigen Applaus belohnt. Erich Gauthier kann sich auch künstlerisch auf seine phantasievolle Truppe verlassen.

     


    Frank Lüdecke – Schnee von morgen

    artbild_250_frank_luedeckeFrank Lüdecke aus Berlin  gastierte mal wieder mit einem neuen Programm im Stuttgarter Renitenztheater. Sein Erkennungszeichen ist der Klang der Gitarre, die man in der Dunkelheit hört, wenn Frank den Weg von der Garderobe auf die Bühne abschreitet. Für einen Kabarettisten spielt er sehr gut Gitarre. Wer erwartet hat, dass es nur um Smartphones, Internet und den Umgang damit geht, wird schon zu Beginn angenehm enttäuscht. Er springt von Stuttgart 21 und Wutbürgern über die ewige Flughafen-Baustelle „Ber“  und Exminister Friedrich direkt zur neuen Verteidigungsministerin, die für das Amt hochgradig prädestiniert ist, weil sie schon zu Hause eine große Truppe befehligen konnte. Und dann natürlich sein Dauerthema Berlin, dass er in einem Song über S-Bahn Chaos, Sarrazin und Wowi besingt, wobei er eine Melodie von Paul Simon benutzt: „The Boxer“. Und dann kommt das kabarettistische Lieblingsthema „Angela“ auf die Bühne, wobei Lüdecke bedauert, dass es über sie eigentlich keine politische Satire gibt, nur Witze über Kleidung wie Hosenanzug, Frisur und die obligatorische Raute. Immerhin hat Angela, wenn man die Nichtwähler dazu rechnet, nur von 30% der Deutschen das Vertrauen ausgesprochen bekommen. Aber sie setzt sich für die Armen und Geknechteten ein, für Mercedes und BMW, damit sie nicht so schnell die EU-Abgasnormen erfüllen müssen. Aus Artenschutz wird Car-tenschutz! Von den Autos und Angela ist es nur ein kleiner Sprung zur Deutschen Bahn und Profalla, der sich in den Aufsichtsrat der DB drängeln will.  Aber er ist ja nicht der einzige, der seine schmalen Abgeordnetendiäten gegen ein etwas besseres Salär als Lobbyist tauschen will. Auch ein grüner Abgeordneter, der sich dem Kampf gegen Korruption in der Lebensmittelbranche verschrieben hatte, ist schließlich beim Marsriegelkonzern gelandet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wenn Lüdecke bei seinem Kernthema Internet landet, kann er nur schelmisch lachen. Was wird da an persönlichen Daten alles freigegeben, während er und viele andere 1987 beim Kampf gegen die Volkszählung maximal verhindert haben, dass der Staat merkt, ob wir in einer 2 oder 3 Zimmerwohnung leben.

    Und wird man intelligenter, wenn man 24 Stunden am Tag online ist? Ist es nicht eher so, dass Schüler heute Heraklit für einen Dämmstoff halten? Könnte Onlineabstinenz nicht besser sein als Bücherabstinenz? Dann folgt natürlich ein Onlinesong, mit dem Frank in die Pause geht.

    Zu Beginn dann ein Tour-Song, der mit der Melodie von „Highway to hell“ das kabarettistische Überleben in tristen Hotels und Kleinstädten beschreibt. Und so jagt er thematisch vom  Steuersünder Hoeness zur Real Estate Bank und zu Hartz 4, das ja nach einem verurteilten Kriminellen benannt worden ist. Seine Pointen sind scharf, witzig, es gibt dieses wunderbare Gemisch aus guter Unterhaltung und Nachdenklichkeit. Zeitnahe Themen wie Flüchtlingspolitik, Schwarmintelligenz, TV Quoten folgen. Als Quotenkönig führt hier immer noch seit über 25 Jahren die „Schwarzwaldklinik“. Mit dem Song „Ich bin das nicht gewesen“ mit der Melodie von „We did`n`t start the fire“ bringt Lüdecke gegen Ende noch mal einen politischen Rundschlag durch die Jahrzehnte, von Barschel bis Bastian und Kelly, von der RAF zu RTL. Ist das der Schluss? Nein, es folgen noch vier Songs als Zugabe, wobei er gesteht, dass er nur schwer von der Bühne zu bekommen ist. Ein Kabaretthighlight im vollbesetzten Renitenztheater geht zu Ende, als er seine Western-Gitarre in zwei Teile zerlegt und mit einer Rose in der Hand die Bühne verlässt.

     

    Showtime – Altes Schauspielhaus Stuttgart

    Von Anfang Februar bis Mitte März stand „Showtime“ von Gabriel Barylli auf dem Spielplan im Alten Schauspielhaus in Stuttgart. Schon vor Beginn streifen zwei Showgirls durch die Reihen, verteilen Süßigkeiten und nehmen Kontakt zum Publikum auf, während auf der Bühne ein Putzmann den Besen schwingt. Dann startet aber keine rein musikalische Revue. Es geht um eine Million in Gold, um den harten Endkampf einer Casting Show, den zwei jungen Frauen untereinander ausfechten sollen. Sie können unterschiedlicher nicht sein, hier die Blondinen-Röhre und alleinerziehende Mutter Rosanna, da die schüchterne, arbeitslose Schauspielerin Madeleine , die ihre Songs mit klassischen Theatertexten von Kleist und Shakespeare unterbricht.

    Zu Beginn weiht der Moderator, hervorragend gespielt von Alfons Haider,  die Zuschauer als TV-Life-Publikum ein, wie sie sich in der Show verhalten sollen. Bevor es zum musikalischen Finale um den Preis kommt, werden aber noch die Beziehungen der beiden Protagonistinnen vorgestellt. Der Partner von Rosanna, der sich eigentlich schon von Frau und Kind verabschiedet hat, kommt zur Show, um von der neuen Berühmtheit seiner Partnerin zu profitieren. Die schüchterne Schauspielerin hat als Single einen Traum, in dem sie einen Italiener namens Giovanni kennenlernt, der ihr großer Schwarm wird. Sie lernt ihn in Gestalt eines Kellners in der Wirklichkeit kennen. Dieser hat schon einen One Night Stand mit ihrer Konkurrentin gehabt. Als beide in der Show ihr Lied singen wollen, stehen plötzlich ihre Partner auf der Bühne, um mit ihnen ein Duett zu singen. Ein fieser Trick der der Show-Regie. Das Ergebnis: Keine der beiden Frauen gewinnt den Preis, sondern der Kellner Giovanni mit seiner Opernstimme. Die ganzen Verwicklungen sind gut vom Autor inszeniert, die musikalischen Teile überzeugen, eine gute Unterhaltung, die zeigt, wie stark Leute in Casting Shows ausgenutzt werden, wie viel sie mit sich machen lassen, um zu Gespött der Zuschauer zu werden. Das ist weit mehr als ein musikalischer Nostalgieabend mit Non-Stopp-Schlagern. Stephanie von Borcke, Anna Brandstetter, Markus Angenvorth, Alfons Haider, Armin Jung und Luigi Scarano können sich über lange Ovationen am Schluss des Stückes mit vielen satirischen Elementen freuen.

     

    Was läuft in den nächsten Monaten?

    Zunächst das Kabarettfestival vom 28.3. bis 6.4.14, an dem sich Renitenztheater, Theaterhaus, Merlin, Laboratorium und Rosenau beteiligen. Bei der großen Eröffnungsgala treten dieses Mal Max Uthoff, Leo Bassi, Lisa Fitz und Michael Krebs auf.

    Und dann wird natürlich wieder der Kleinkunstpreis „Stuttgarter Besen“ am 1.4. ausgelobt. Und dann folgen an den fünf Spielstätten die Herkuleskeule, Henning Venske & Kai Magnus Sting, Jochen Busse, Max Gold, Annamatuer & Außenseiter und viele mehr.

    Kaum ist das vorbei, gibt es im Renitenz 10. Deutsch-türkischen Kabarettwochen vom 11.-20.4.14, auch ein jährliches Highlight in Stuttgart: Murat Topal, Mushin Omurca, Serhat Dogan und Fatih Cevikkollu.

    In der Rosenau  gibt es am 14.4. und 28.4. Open Stage und am 16.4. eine Comedy-Spielshow mit Topas und Andi Kraus.

    Im Theaterhaus kann man im Mai Hagen Rether, Sigi Zimmerschied, Götz Alsmann und Eure Mütter sehen.

     

    Redaktion: Bruno Schollenbruch
     

    811|114 TG: Agentur Zuckerstücke . Özgür Cebe . Duo Akascht . Courth & Kaps [mehr Infos]


    Anz_Zuckerstuecke__1_2014

    2014-04-05 | Nr. 82 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch