Seit 2009 findet in Deutschland einer der größten Kabarettwettbewerbe statt. Die Kabarettbundesliga.
14 Acts aus den Bereichen Kabarett & Comedy treten in 14 verschiedenen Städten miteinander auf. Es treten immer 2 Parteien an einem Abend à 45 Min. gegeneinander an. Jeder Zuschauer kann an einem Abend 10 Punkte vergeben. Bei einem Unentschieden gibt der Zuschauer 5 Punkte für den einen, 5 Punkte für den anderen Künstler. Das ganze Spektakel dauert ungefähr 10 Monate lang und ist somit einer der längsten und größten Kabarettwettbewerbe, den Deutschland zu bieten hat.
Für Trottoir-online führt Jenny Genzke das Interview mit dem Initiator und Liga-Leiter Theo Vagedes im Senftöpfchen Theater zu Köln:
Sie haben 2009 die Kabarettbundesliga gegründet. Ich erinnere mich, dass es zu anfangs etwas schwierig war, sich mit dem Namen durchzusetzen, da auch Künstler antraten, die kein Kabarett gemacht haben, sondern Comedy oder eine andere Art von Kleinkunst. Gibt es heute noch Probleme damit oder hat sich das gelegt?
Theo Vagedes: Das hat sich nicht nur gelegt, sondern die Einstellung hat sich Gott sei Dank geändert. Aus einer Traditionsrichtung her setzen die Leute Kabarett nur mit politischem Kabarett gleich. Mittlerweile kehrt die Definition dorthin zurück, was Kabarett auch ist: In Deutschland sagt man Kleinkunst dazu. Der Begriff Kabarett kommt u.a. aus dem kulinarischen und ist eine Holzscheibe mit vielen kleinen Schüsseln und so sehen wir Kabarett als vielseitig und facettenreich an. Laut Definition ist Kabarett ein Miteinander-Wirken von darstellender Kunst, Lyrik und Musik. Welche Motivation der Einzelne hat, kann dann gesellschaftskritisch sein, das ist dann das politische Kabarett. Es kann komisch unterhaltend sein, das würde man jetzt eher als Comedy bezeichnen. Und Lyrisch, das ist dann die Musik und das moderne Poetry. Das heißt, eigentlich ist Kabarett eine breite Mischung. Das interessante ist: je unterschiedlicher die Darstellungsformen sind, desto spannender sind die Begegnungen.
Jenny Genzke: Wonach bewerten die Zuschauer die Künstler? Nach welchen Kriterien? Und kann man das vergleichen?
Theo Vagedes: Ich höre immer wieder, das sei reine Geschmacksache. Das sehe und erlebe ich nach mittlerweile 600 Vorstellungen anders. Die Zuschauer gehen viel differenzierter vor. Man kann beobachten, dass nicht die Darstellungsrichtung des Künstlers, sondern der IST-Zustand des Programms betrachtet und erlebt wird. Es sind ja keine Kurzauftritte oder ein Kurzeindruck von 10-20 Minuten. Gerade durch die Länge von einer dreiviertel Stunde erleben die Zuschauer ein Programm. Um mit dem Programm das Publikum “zu kriegen” (wie wir unter Künstlern sagen) sind vier Kriterien entscheidend: Das ist 1. der Unterhaltungswert - keiner geht ins Theater um sich zu langweilen 2. Das Handwerk - kein Künstler sollte auf die Bühne, wenn er nichts kann 3. Der Inhalt – es ist dann sinnvoll auf die Bühne zu gehen, wenn man auch was zu sagen hat und auch die Zuschauer nehmen gerne etwas Nachhaltiges mit nach Hause und 4. Das Niveau. Erst ganz am Ende kommt der Geschmack, nicht am Anfang.
Wenn jetzt zum Beispiel ein Zauberer und ein Klavierkabarettist beide dieses zeigen. Beide sind unterhaltend. Beide können das, was sie machen und beide transportieren in welcher Form auch immer Inhalt – und beide begeistern und überzeugen mit Ihrer Art die Zuschauer, dann geht das Spiel 100 % ig im knappesten Sinn unentschieden aus. Ganz am Ende gibt der persönliche Geschmack eine Gewichtung. Aber gucken wir uns die Zahlen an. Bei 4,8 zu 5,2 heißt dass, dass der Zweite von 48 % der Zuschauer zum Gewinner gesehen haben, das ist quasi die Hälfte.
Jenny Genzke: Wie wählen Sie die Künstler aus? Gibt es da ein Team oder machen Sie es alleine?
Theo Vagedes: Wir haben eine, wie ich finde, sehr renommierte Jury als Team. Mit dabei sind z.B. Theaternintendanten wie Sebastian Weingarten wie vom Renitenztheater in Stuttgart, Ralf Ebert vom Neuen Theater Frankfurt-Höchst und Jörg Simmer von der KuSch in Herborn, aber auch Journalisten wie Marianne Kolarik vom Kölner Stadtanzeiger und Hörfunk-journalisten wie Fabian Elsässer, sowie Festivalleiter Oliver Gontram. Daniela Mayer vom Deutschlandfunk als KBL-Medienpartner darf natürlich nicht fehlen und der Ligatrainer ist auch dabei. Und wenn ich mir die Künstler angucken, die bei der KBL mitspielen, sind wir mehr als gut aufgestellt !
Jenny Genzke: Der Ligatrainer sind Sie? *lach
Theo Vagedes: Der Ligatrainer bin ich. * lach. Um ehrlich zu sein, haben anfangs die Zeitungen dieses Bild geprägt und dann hat es sich etabliert. Wir schreiben Künstler, die wir gesichtet haben, oder auf die wir durch Empfehlung der Theaterleiter aufmerksam gemacht wurden an und natürlich die, die sich bewerben. Die Zahl nimmt immer mehr zu. So hatten wir letzte Saison 75 Kandidaten, die ich vorsichtete und die Jury wählt dann letztendlich die 14 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus.
Jenny Genzke: Sie können sicherlich aufgrund der Vielzahl an Spielen nicht überall moderieren. Haben Sie ein festes Moderatorenteam in den einzelnen Städten?
Theo Vagedes: Ganz genau. Und das macht mich sehr froh, sehr stolz, dass wir das mittlerweile so hinbekommen haben. In der Hälfte der Spielorte haben wir feste Moderatoren, so z. b. In Stuttgart den Thomas Schreckenberger, der das selber zu seiner eigenen Show gemacht hat. Das soll letztendlich das Ziel sein. Dann haben wir in Hannover Ninia la Grand, dann haben wir in Herborn den Martin Guth von Faberhaft Guth.
Jenny Genzke: Es gibt einen 1.-3. Platz. Wie hoch sind die einzelnen Preise dotiert? Was bekommen die Gewinner?
Theo Vagedes: Der Preis selber ist mit 4.200 € dotiert. Der Erste bekommt 1.900 €, der Zweite 1.400 €, der Dritte 900 €. Und der deutsche Kabarettmeister, das ist ein unglaublich hoher Wert. Der kriegt eine Solotour durch alle teilnehmenden Theater.
Jenny Genzke: Also die machen das mit, die teilnehmenden Theater?
Theo Vagedes: Genau. Damit können sie ja auch werben. Denn mittlerweile hat sich der Titel deutscher Kabarettmeister mit 182 Auftritten aufgeteilt auf 13 Theater in neun Monaten, flächendeckend zum größten Kabarettpreis entwickelt, den es zur Zeit gibt. Damit hat sich seine Relevanz vergrößert und er sich etabliert.
Jenny Genzke: Ja, da haben Sie ja was aufgezogen. Gibt es Sponsoren?
Theo Vagedes: Sponsoren haben wir leider noch nicht. Ich bin auf der Suche. Wir haben einen Förderer, das Intercity Hotel in Mainz. Die stellen in Mainz die Zimmer, was mich sehr freut. Hier ein großes Dankeschön. Also wenn das jemand liest und uns sponsern will, immer gerne.
Jenny Genzke: Kann man sagen, dass die Künstler aufgrund der Teilnahme an der Kabarettbundesliga bekannter geworden sind?
Theo Vagedes: Mit der Erfahrung von fünf Saisons kann ich das “belegen”. Man muss definieren. Was Bekanntheitsgrad heißt und wodurch er sich auszeichnet? Zu den KBL-Vorstellungen kommen z.B. Veranstalter aus dem Umkreis, die sich bei mir anmelden und sagen wie sie die Vorstellung fanden oder sich bedanken. Die sehen zwei Künstler für je 45 Minuten und können ihrem Publikum, welches jetzt 50 km entfernt leben, diese Künstler präsentieren. Das wissen aber die Künstler und Agenturen nicht unbedingt und so wird ein Folgeauftritt in der Umgebung nicht unbedingt auf die KBL-Vorstellung zurück geführt. D.h. bei den Theatern im weiteren Umkreis steigt der Bekanntheitsgrad. Die Internetseite hat eine immense hohe Besucherzahl: das heißt die Spiele werden verfolgt, nicht nur von Zuschauern. Ich habe in der zweiten Saison einen meiner sehr bekannten Kollegen und Kabarettisten nach seiner Show angesprochen und wollte auf die KBL aufmerksam machen. Seine erste Frage war: „Wer steht den gerade vorne?“ Aber noch mal zum Bekanntheistgrad: Wir haben Medienpartner vor Ort, so dass über alle Spiele, Begegnungen und Künstler berichtet wird. Der Deutschlandfunk, als bundesweiter Medienpartner berichtet zum Start der Saison und am Ende von der Siegerehrung. Alleine die Nominierung wird in der Kabarett- und Unterhaltungsszene wahr und ernst genommen und das unabhängig vom Ausgang eines Spiels- oder der Platzierung. Theaterleiter gucken nach anderen Gesichtspunkten. Z.B., ob der Künstler generell zu ihrem Theater zu den Zuschauern passt, oder ob sie den Künstler weiter aufbauen wollen. Es geht bei der KBL also nicht um den Bekanntheitsgrad, wie man ihn durch das Fernsehen kennt. Dort sind es meistens 5 Minuten. Was aber noch lange nicht bedeutet, ob der Künstler ein gutes und tragendes Programm von 45 und 90 Minuten hat.
Jenny Genzke: Wie wählen Sie die Spielstätten aus?
Theo Vagedes: Also erstmal bleiben wir den Spielstätten, die dabei sind treu, da sie die KBL mit aufgebaut haben. Nach drei Saisons guckt man, wie das Format angenommen wurde. Was regional unterschiedlich ist. Für mich persönlich ist wichtig, wie die Theater grundsätzlich a) Veranstaltungen bewerben und b) wie die Künstler betreut werden. Auch das ist unterschiedlich. Es ist ein gemeinsamer Aufbau zwischen den Theater und der KBL. Das macht mir Spaß.
Es ist eine interessante Mischung zwischen renommierten Theatern und Theatern, bei denen man erstmal sagen würde, “die liegen auf dem Land”. Aber gerade das sind oft wunderbar geführte Theater, meistens von Vereinen, die sehr engagiert sind, so dass die Häuser ausgebucht sind. Hier gehen die ganz großen Kabarettisten genauso hin, wie in die renommierten Theater. Und das finde ich eigentlich das spannende an der Bundesliga.
Jenny Genzke: Sie sind ja mal selber als Kabarettist Jahre lang getourt. Zieht es Sie irgendwann nochmal mit einem Soloprogramm auf die Bühne?
Theo Vagedes: Als Moderator stehe ich ja auf der Bühne und genieße es die anderen Künstler anzukündigen, Kontakt zum Publikum herzustellen und es zu heizen. Den künstlerischen Drang lebe ich aber auch als Regisseur aus. Ich arbeite an weiteren Kabarett- und Unterhaltungsformaten wie aktuell an “Poetry on Tour”. So das ich, was die Bühne angeht, sei es auf der Bühne, vor der Bühne, als auch in der konzeptionellen Tätigkeit die Leidenschaft ausleben kann. Aber um auf die Frage zurück zu kommen, „Ja, ich liebe es vor allem auf der Bühne zu stehen und es kann durchaus dazu kommen, dass ich wieder mit einem Programm auf die Bühne gehen werde. Vielleicht nimmt mich ja die KBL-Jury und ich darf bei der KBL mitspielen. (Lach)
Jenny Genzke: O.k. Super. Vielen Dank für das nette Gespräch!
Mehr Infos: KabarettBundesliga
Redaktion: Jenny Genzke
2015-02-02 | Nr. 86 | Weitere Artikel von: Jenny Genzke