Die Gläubigen nennen es „Schicksal“ und die Ungläubigen „Zufall“.
Am 6. April 2010 feierte Ingo Wetzker, besser bekannt als Ingo Insterburg, seinen 76. Geburtstag. Weit mehr als ein Jahrzehnt war er Namensgeber der legendären Comedy-Truppe Insterburg & Co. Ungezählte Menschen begeisterte der Musiker, Komponist, Kabarettist, Philosoph, Instrumentenerfinder und -bauer sowie Spaßmacher außerdem mit Büchern (darunter „Die ersten 23456 Tage meines Lebens“), Platten und CDs. Im Interview erzählt er von seinem Leben und dem Übergang in den (Un-)Ruhestand.Trottoir: Musik und Dichtung sowie die Erfindung von Musikinstrumenten (Nasenfagott usw.) sind Ihre Spezialität - richtig?
Ingo Insterburg. Im Prinzip ja. Obwohl Musikinstrumente eigentlich nicht neu erfunden werden können. Wenn ich eine runde Geige baue, ist das immer noch eine Geige. Aber ich bin Kriegskind. Und im Krieg hat mein Vater aus vielen Dingen, die man normalerweise wegwirft, noch Nützliches gebaut. Vielleicht kommt ja daher meine Veranlagung. Ich war auch an der Kunsthochschule, hatte dort zwei Jahre Werkunterricht und hab’ da auch Instrumente gebastelt.
Trottoir: Bezeichnet „Komödiant“ und „Musiker“ das, was Sie sind?
Ingo Insterburg: Das, was ich mache, nenne ich Musikkabarett. Ich erzähle Geschichten und singe Lieder dazu. Gerhard Schröder hat mich, als er Kanzler war, einmal in einem Gratulationsbrief zum Geburtstag als „Musikkomödiant“ bezeichnet. Das finde ich auch gar nicht schlecht. Den Begriff habe ich dann übernommen.
Trottoir: Sie haben Ende der 50er-Jahre mit Klaus Kinski in einer WG gelebt.
Ingo Insterburg: Ja, da sag’ ich immer „Der hat mich ans andere Ufer geholfen.“ Ich sollte ja Zeichenlehrer werden und habe studiert dafür und während der Ausbildung Gitarre gelernt. Und Kinski suchte dann jemand, der ihn bei Lesungen und Plattenaufnahmen mit Brecht-Balladen begleitete. Über Freunde bin ich dann an den Job gekommen. Wir haben so zwei Monate geprobt, hatten dann Auftritte in Wien und hier in Berlin. Leider haben wir für die Schallplatte keine Genehmigung bekommen und hatten deswegen auch keine Lust mehr auf weitere Veranstaltungen. Die Platte ist aber jetzt vor drei Jahren herausgekommen.
Ich habe auch eine Zeitlang bei Kinski gewohnt. Er hatte ein Zimmer frei und ich wenig Geld. Allerdings hab’ ich dann auch schon mal mit Platte und so am Tag 1.000 DM verdient.
Trottoir: Wie hat das überhaupt funktionieren können, wenn der eine Vegetarier, Marathonläufer und leidenschaftlicher Nichtraucher ist und der andere exzessiv lebt?
Ingo Insterburg: (lacht) Ja, nun habe ich ja auch mal 6 Jahre geraucht und 6 Jahre getrunken. Und drei Monate lang hab’ ich in der Zeit dann auch eine Flasche Whisky pro Tag getrunken. Dann stellte ich allerdings fest, dass ich morgens nach dem Aufwachen immer schlechte Laune hatte. Ich hab’ dann nur noch Mineralwasser in der Kneipe getrunken. Damals hatte ich einen Jaguar, und wenn ich dann morgens aus der Kneipe kam, war es ein herrliches Gefühl, mit dem Auto durch Berlin zu fahren.
Mit dem Rauchen hab’ ich dann aufgehört, als ich angefangen habe, Marathon zu laufen.
Trottoir: Wie kam es zur Gründung der sogenannten Komikerband Insterburg und Co.?
Ingo Insterburg: Die Gläubigen nennen es „Schicksal“ und die Ungläubigen „Zufall“. Es gab in Berlin einen Folkloreclub. Da konnte jeder spielen, der wollte. Da hab’ ich dann Jürgen kennengelernt und Karl und Peter waren da auch. Und ich habe zu ihnen gesagt: „Wollen wir nicht mal zusammen ein Lied einüben?“ Nach einer Woche hatten wir dann einen Auftritt, der so ein Knüller war, dass wir beschlossen haben, zusammenzubleiben. Es war wie eine Explosion.
Trottoir: Welches Erfolgsrezept stand hinter Insterburg und Co. und dem „Höheren Blödsinn“?
Ingo Insterburg: Wir haben mal im Reichskabarett einen Auftritt gehabt und in der Presse gute Kritiken bekommen. Damals hatten wir für die Gruppe noch keinen Namen. Die Journalisten schrieben über „Insterburg und Companie“. Daraus ist dann Insterburg und Co. geworden. Von 1967 bis 1979 haben wir dann zusammengearbeitet, auch viel Geld verdient. Aber 1979 sind wir einvernehmlich auseinander gegangen. Ich war tourneemüde, die anderen auch, und Karl hatte immer schon alleine Sachen gemacht, im Fernsehen und so.
Trottoir: Haben Sie der Neuauflage ab 1989 mit Jupi Sirius (nur bis 1990), Marian Marajan und Georg Himmelblau überhaupt ernsthafte Chancen eingeräumt?
Ingo Insterburg: Ich hab’ 1989 noch mal mit Marian Marajan zusammengespielt. Und dann lernten wir zwei Frauen kennen, probten mit denen drei Monate. Als wir dann einen Auftritt hatten, hat die eine Frau gesagt, sie hätte keine Zeit. Dann haben wir noch mal mit zwei anderen geprobt. Die wollten aber gleich pro Auftritt 4.000 DM. Und dann hab’ ich’s aufgegeben.
Trottoir: Seit 1994 sind Sie vor allem solo auf Tour. Mit 75 oder bald 76 Jahren ist das Bühnenprogramm immer noch enorm frisch. Insterburg ohne Co ist immer noch 100 Prozent Insterburg.
Ingo Insterburg: Ich hab’ damals schon die meisten Lieder geschrieben. Aber die andern haben schon Anregungen gegeben und auch eigene Lieder geschrieben. Wir waren aber alle mit ganzem Herzen dabei. Und heute macht es bei allen Bühnenanstrengungen immer noch Spaß.
Trottoir: Mit Karl Dall haben Sie als Duo wieder auf der Bühne gestanden. Wie war’s?
Ingo Insterburg: Mit Karl hatte ich vor drei Jahren wieder eine gemeinsame Tournee mit 50 Vorstellungen. Da merkten wir eigentlich erst, wie gut wir zusammenpassen. Das waren Auftritte ohne Anstrengung, wo wir uns wirklich aufeinander verlassen konnten. Das war schon toll.
Trottoir: Wird es mit Peter Ehlebracht und Jürgen Barz noch mal eine komplette Reunion von Insterburg und Co geben?
Ingo Insterburg: Wir haben vor einiger Zeit noch mal zusammengespielt. Das Proben war okay, die 20 Minuten für den Fernsehsender dann auch. Aber wir haben schon gemerkt, dass es nicht einfach wäre, wieder zusammenzukommen. Für eine Tournee würde das gar nicht mehr gehen. Wenn allerdings ein Fernsehsender uns für ein Lied je 4.000 Euro geben würde, würde das garantiert klappen (lacht!).
Trottoir: Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Ingo Insterburg: Ich will noch 2 Jahre solo unterwegs sein. Danach werde ich nur noch Kurzauftritte von einer halben Stunde machen. Ich werde jetzt 76 und da sind so 2-Stunden-Auftritte doch schon anstrengend. Da fühle ich mich dann immer wie nach einem Marathonlauf: Glücklich, aber erschöpft.
Im Winter mache ich grundsätzlich nichts mehr. Ich hatte vor einigen Jahren mal einen Unfall. Seither bin ich vorsichtig. Konkrete Termine gibt es auch noch nicht. Aber das macht dann auch meine Berliner Agentur.
Trottoir: Vielen Dank für das Gespräch. Und Ihnen alles Gute.
So, das war’s.
Euch alles Gute.
Euer Bernhard Wibben
AdNr:1014
2010-06-15 | Nr. 67 | Weitere Artikel von: Bernhard Wibben