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    Kritik: Ars Vitalis und ihr Wahl-Großvater


    Ars Vitalis
    ist in erster Linie eine Truppe. Aber eigentlich ist sie ein Gesamtkunstwerk. Und zwar seit dreißig Jahren. Um diesen Umstand zu feiern, haben sich Klaus de Huber, Peter Wilmanns und Buddy Sacher selbst einen Film geschenkt. Er heißt „Die Enkel des Pierre de Naufrage“, und auch dieser bizarre Titel beinhaltet, wie fast alles im Schaffen von Ars Vitalis, eine Anspielung. In diesem Fall gilt sie einem belgischen Schleusenwärter, der in seiner Freizeit seltsame, elefantenohrenähnliche Geräte erfand. Und zwar unter anderem solche, mit denen man Töne aus der Welt filtern konnte. Das passt sehr gut zu den drei ausgebildeten Musikern von Ars Vitalis. Zwar fügen sie der Welt in ihren Programmen in der Regel eher Töne hinzu. Was sie aber mit Pierre de Naufrage verbindet, ist eine nicht einzuordnende Lust am sinnlosen Spiel. Das ist durchaus ein Qualitätsmerkmal. Das, was Ars Vitalis tut, ist Kunst in einer reinen Form.

    In diesem Film – entstanden ist er als Wagnis einer risikofreudigen Produktionsfirma – geht Ars Vitalis an ihre Anfänge zurück. Er berichtet, wie die jungen Musiker mit dem Zug bis Basel fuhren, wo ihnen kontrolliert das Geld ausging. Von der Schweizer Grenzstadt aus wollten sie mit Straßentheater genügend Geld verdienen, um bis zum Mittelmeer zu kommen. Mit ihren skurrilen, oft ins dadaistische lappenden Performances bezauberten sie die Passanten. Ganz nebenbei schufen sie bereits damals eine erste Verbindung in die Schweiz, die bis heute anhält und ihnen immer wieder Gastspiele bei den Eidgenossen ermöglicht. In einigen der zahlreichen Spielszenen im Ars-Vitalis-Film stellen sie solche Performances auf der Luzerner Kapellbrücke nach. Das ist bezaubernd und lustig. Vor allem zeigt es, worin die große Qualität dieser eigensinnigen Truppe besteht: Ars Vitalis nimmt sich Zeit. Nichts, von dem, was die Musiker tun, gilt dem bloßen Effekt. Viel eher verlieren sich die drei Männer in ihrem Spiel, sobald sie auf einer – auch bloß gedachten – Bühne stehen. Sie nehmen sich alle Ruhe, die sie zusammen brauchen, um eine Handlung, eine Melodie oder eine Zirkusnummer so lange entwickeln zu lassen, bis eine Komik entsteht. So gelingt Ars Vitalis etwas, was nur ganz wenige Künstler dieser Sparte können: Sie stellt den Teil des Publikums zufrieden, der ein paar schnelle Lacher möchte. Und sie zieht diejenigen vollständig in ihren Bann, die lieber langsam staunen und irgendwann still, aber glücklich ein wenig vor sich hin schmunzeln wollen.

    „Die Enkel des Pierre de Naufrage“ ist ein Werk, das den Zauber von Ars Vitalis einzufangen vermag. Noch besser ist die Truppe nur live. Aber wenn sie gerade nicht zur Stelle ist, bietet diese DVD einen guten Ersatz. Geeignet auch als Geschenk. Das nächste Weihnachten kommt bestimmt.

    Redaktion: Susann Sitzler


     


    2010-06-15 | Nr. 67 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler