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    Stuttgart im Festival-Taumel


    Das 18. Stuttgarter Kabarettfestival, organisiert von der „Erzeugergemeinschaft Stuttgarter Kabarett“, fand im April auf fünf Kleinkunstbühnen statt: Rosenau, Laboratorium, Merlin, Renitenztheater und Theaterhaus. Die Eröffnungsgala im Staatstheater war ein gelungener Start: Mit Ottfried Fischer, Carmela de Feo ein Kehrwochenwirbelwind, der mit zwei „Stuttgarter Besen“ auf die Bühne flog – und Sebastian Krämer. Er glänzte mit seinem „gemeinen“ Schmähgesang auf Deutschlehrer. Der Kurzsatzspezialist Rolf Miller spielt den Proll und Andreas Thiel den Sekt-Yuppie. Der einzige Ausländer – der Schweizer Andreas Thiel – wurde aufgrund von satirischen Bemerkungen über Moslems gleich von einem stadtbekannten Musikjournalisten (Stuttgarter Zeitung) der Fremdenfeindlichkeit angeklagt, was die „Erzeugergemeinschaft“ zu Recht auf die Palme brachte und eine Leserbriefflut auslöste.

    Der Höhepunkt des Festivals war wieder die Vergabe des „Stuttgarter Besens“ in den Wagenhallen, präsentiert von Dieter Moor für den SWR.

    Acht Gruppen und Solisten kämpften um die vier Besen und rund 6.000 Euro Preisgeld. Den Goldenen Besen und den Publikumspreis gewann im Poetry-Slam-Stil Julian Heun aus Berlin: gute Texte, klare Präsentation; und er ließ sich auch dadurch nicht aus der Ruhe bringen, dass die SWR-Mikrofone während seines Vortrags mehrfach versagten. Der Silberne Besen ging an Max Uthoff, den Sohn des Münchener Politkabarettisten: scharfe politische Nummern, eher eine Ausnahme an diesem Abend, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Den Hölzernen Besen teilten sich die Gruppen Paul – Poesie aus Leidenschaft, ebenfalls ein Zusammenschluss aus der Slam-Ecke, und Ulan und Bator.

    Der Hamburger Axel Pätz, der das zulässige Nachwuchs-Schwabenalter von 40 schon leicht überschritten hatte, musste als Erster im knapp vierstündigen Wettbewerb antreten. Er ging leer aus, vielleicht, weil er sein bestes Lied über „Neugeborene in Blumenkästen“ nicht präsentierte. Ein paar Wochen vorher hatte er mit großem Erfolg seine makabren Lieder und Kabarettstücke im Merlin gespielt.

    Das Schauspielhaus glänzt seit der Ära Weber mit satirischen Stücken. Die neue lokalpolitische Ausrichtung begeistert das Publikum. Herausragend die Leistung von Manteuffel als Firmenchef in „Hauptsache Arbeit“. Alle Angestellten werden auf ein Schiff eingeladen und dort wird von einem Motivationstrainer geprüft, ob sie in der Firma weiter an Bord bleiben können oder ins kalte Hartz-4-Wasser fallen.

    Oder nehmen wir „Nachasyl“, eine moderne Fassung, nur 5 % vom Originaltext sind übrig geblieben. Was hier präsentiert wird, ist gut recherchierte soziale Anklage in einem maßgeschneiderten künstlerischen Gewand. Einfache Bühne, eine knapp vier Meter hohe Wand, an der die Schauspieler hochlaufen, sich hängen lassen, spielen, mal solistisch, mal im Sprechchor. Modernes politisches Theater mit einem Schuss Satire, kuriosen Requisiten und sparsamer Musik inszeniert.

    Das Theaterhaus feierte sein 25-jähriges Jubiläum mit Grohmann, der Kleinen Tierschau, Ausschnitten aus den Stücken des internationalen Theaterhausensembles wie „Elling“ und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“. Und einer der Glanzpunkte war „Sofa“ von der hauseigenen Gauthier Dance Company, die sehr witzig mit Frauen- und Männerbildern „umsprang“. Eure Mütter mit einem intelligenten Song, Familie Flöz und andere gratulierten zum silbernen Geburtstag. Genauso lang gibt es das Theaterhaus-Jazzfestival, auf dem unter anderem Erika Stucky mit ihrem optisch und musikalisch freakigen Auftritt und das Rantala Trio gefeiert wurden, das mit einer menschlichen Beatbox, Jazz-Klavier und Rockgitarre auftrat, ein interessanter Mix, den ich so noch nicht gesehen habe.

    Im Renitenztheater spielte Thomas Reis sein „40-plus-Programm“, rotzfrech mit sicherer, professioneller Präsentation. Toll, wie er von einer Rolle in die nächste springt, mal politisch pur, mal das Politische im Privaten sezierend.

    Volkstümlich auf den Stuttgarter Wasen präsentierte Christoph Sonntag sein Buch „Schwäbisch für Anfänger“ in der Hoffnung, dass „Reingeschmeckte“ sich in diesen Dialekt hineinarbeiten. Als Ruhrpottler mit 35 Jahren Stuttgarter Exil auf dem Buckel rufe ich dem sympathischen Kollegen ein Zitat aus „Achtung Schwabe!“ zu: „Dees ka i grad et glaube/ brauche“! „Alsoo äährlich, nich?“

    Neueröffnung der neuen Theaterwerkstatt der LAG BW. Hier werden nicht nur Pädagogen zu Theaterpädagogen BUT ausgebildet, hier zeigen sich auch die Ex-Teilnehmenden in kabarettistischer Glanzform, egal, ob es sich um Nacken, Köhler oder den Jugendspielclub handelt.

    Redaktion: Bruno Schollenbruch

    2010-06-15 | Nr. 67 | Weitere Artikel von: Bruno Schollenbruch