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    Besser geht’s nicht?

     

    Den Kabaretts im Osten stehen spannende Zeiten bevor. All jene, die in den letzten Jahren der DDR die Kabarettkultur zu Höchstleistungen gebracht hatten, treten nun peu à peu ihren Ruhestand an. Und die, die zur Wendezeit die Jungen auf dem Brettl waren, haben zumeist die Spielart des Hauses längst übernommen und ganz jung sind sie heute auch nicht mehr. Diese Generation tritt nun ein schweres Erbe an. Ihnen gegenüber stehen die Jungen von heute. Die haben ein völlig anderes Verhältnis zur kleinen Bühne. Sie sind freilich nicht unbedingt so streng politisch, aber sie zeigen Haltung, haben Fantasie und meiden vor allem den Mainstream. Somit sind in den letzten Jahren zu den vertrauten Spielarten längst Alternativen entstanden. Dadurch hat sich auch etwas der Blick auf die neuen Programme der guten alten Kabaretts verändert.

    Zum Beispiel auf das Programm „Besser geht’s nicht“ der academixer. Man fragt sich, ist das nun superlative Eigenwerbung oder die Auskunft „Ende der Fahnenstange“? Bei dem, was man da erlebt, ist man unschlüssig. Die Grundidee ist grandios. Kaiser Barbarossa ist wieder einmal aus seinem Schlaf erwacht, und nun? Der Zustand seines so geliebten Landes ist beklagenswert. Das Leben ist ohne Anstand und Moral … Viele Möglichkeiten des Vergleiches bieten sich an, aber die Mimen juxen sich so durch den Abend, hin und wieder wird der Kaiser genannt, bald ist er ganz vergessen, um dann schnell wieder aus dem Ärmel geholt zu werden. Im Grunde spielen die Kabarettisten an diesem schönen historischen Thema kess vorbei und verlieren sich, statt in der großen Welt, in kleinen Witzen und lokalen Geschichten. Viele Fragen bleiben offen: Wird der Kaiser einschreiten? Wie schneidet er gegen die Kanzlerin ab? Wer hat die bessere Politik parat? Zu sehen bekommt man ein Programm voller verpasster Gelegenheiten. Wer nun an diesem Missgriff Schuld hat, müssen die academixer unter sich ausmachen. Die Regie hatte Frank Voigtmann, die Texte schrieben Tom Reichel, Ralf Bärwolf, Peter Treuner und Lothar Bölck. Und auf der Bühne stehen Katrin Hart, Ralf Bärwolf, Christian Becher und Peter Treuner. Wie es heißt, wird momentan das Programm überarbeitet.

    Etwas verpaßt hat auch die Leipziger Pfeffermühle ihre Chance. Damit ist nicht deren leidige und lange Umzugsgeschichte gemeint, sondern das erste Programm im neuen Haus in der Gottschedstraße 1. Burkhard Dammrau, der sich immer sehr intensiv in die Gestaltung seiner Figuren kniet, hatte sein erstes Solo unter dem Titel „Herr Kurt gibt nicht auf“ vorgestellt. Und der Herr Kurt ist natürlich ein Verlierer, der sich immer wieder aufbäumt und offenbar Freunde hat, die ihm sehr ähnlich sind, denn auch sie haben mit dem Alltag zu kämpfen. Aus dem erwarteten Kabarett-Abend mit Herrn Kurt wurde ein Figurenkabinett, mit Mützchen, Pullover und Schleierhut, wobei sich Damrau in den Figuren verheddert, sodass die zunehmend an Kontur verlieren. Das war etwas zu viel des Guten, was die Autorin Conny Molle und Regisseur Hansa Molle dem Mimen da aufgeladen haben. Dabei hat der Abend wirklich gute Nummern und raffinierte Momente. Aber warum sollte ein Solokabarettist erst gut sein, wenn er mindestens ein halbes Duzend Figuren auf die Bühne bringt? Die erzählten Geschichten hätten sicher auch in weniger Figuren gepasst, und der parodierte Alfred Biolek wirkte etwas deplaziert in der sozial engagierten Szenerie. Vielleicht wäre der Herr Kurt solo sogar genug gewesen, der aus seinem Leben erzählt und damit die Schlechtigkeiten der Welt zeigt.

    Das neue Programm der Herkuleskeule heißt „Drei Engel für Karli“, gespielt von Brigitte Heinrich, Brigit Schaller, Ellen Schaller und Detlef Nier, die Texte stammen vor allem von Peter Ensikat, Philipp und Wolfgang Schaller. Der Urlauber Detlef Nier, also Karli, ist mit drei Engeln überall dort, wo die Welt nicht mehr zu retten ist, und die vier schießen dort mit Stimmung ihre satirischen Kanonen ab. Wegen ihrer großen musikalischen Möglichkeiten tendieren die Programme der Herkuleskeule zur Polit-Revue. Auch insofern ist es ein runder Abend geworden, in dem immer wieder Kapitalismus-Kritik auftaucht. Und die ist erfrischend deutlich. Und es ist die Art des Hauses, zu sagen, wie es ist.

    Eine neue Bühne lädt in Leipzig die Kleinkunstfreunde ein. Gohglmohsch heißt sie, ist in der Marktgalerie zu finden und wird betrieben vom Pianisten Karsten Wolf und dem Kabarettisten Meigl Hoffmann. Vorgenommen haben sie sich, neben ihren eigenen Programmen auch die der nachwachsenden Generation zu zeigen. Alles, was eine eigene Art hat und gut ist, soll dort eine Chance bekommen: Kabarett, Literatur, Musik und Comedy. So beispielsweise das Ensemble Weltkritik. Ob die Bühne eine Alternative zu den vier großen Kabaretts in der Stadt werden kann, bleibt abzuwarten. Zu wünschen wäre es schon, weil damit etwas Bewegung in die Szene Leipzigs kommen würde.

    Redaktion: Harald Pfeifer

     

    Premieren:

    Kiebitzensteiner:

    20. März: Neue Kinder braucht das Land

    24. April: Stumpft der Mensch vom Gaffen ab

    2008-03-15 | Nr. 58 | Weitere Artikel von: Harald Pfeifer