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  • Szenen Regionen :: Berlin

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    Berlin im Herbst: Die Mauer ist weg

    Wir befinden uns im Herbst 2009 n. Chr. In ganz Deutschland liegen die Inhalte des Kabaretts im Argen. Auf den Bühnen der Republik werden nur noch das Brausepulver der Siebzigerjahre und die Unterschiede zwischen Einparken und Schuhekaufen verhandelt. In ganz Deutschland? Nein! In Berlin-Kreuzberg gibt es einen wöchentlichen Anlass, zu dem die Fahne des politischen Kabaretts hochgehalten wird. Die rote Fahne. Zick Zack Traum TheaterEr heißt „Dr. Seltsams Wochenschau“. Betrieben wird er von dem legendären Wolfgang Kroeske alias Dr. Seltsam. Seitdem dieser 1988 seine Pädagogenkarriere schon während des Referendariats beerdigte, ist der Lübecker als Moderator und Gastgeber in Berlin unterwegs. An einem Sonntag Ende Oktober lud er in dieser Eigenschaft zum alternativen Gedenken an 20 Jahre Fall der Mauer. Als Gäste waren zwei Angehörigen der DDR-Grenzkräfte eingeladen, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 die Truppen befehligten. Zuvor las der ehemalige Kabarettist Knud Kohr eine Geschichte über eine Panikattacke, die ihn in der Berliner S-Bahn im Herbst 1988 ereilte, und zwar direkt unter dem Staatsgebiet der DDR, was eine sofortige Verbringung in die Ostberliner Charité und danach eine Rückreise zu Fuß über den Todesstreifen zur Folge hatte. Musikalisch untermalt wurde die Matinee vom Liedermacher Detlef K, der keinen Zweifel daran ließ, für welche politische Ideologie das K in seinem Künstlernamen steht. Die Veranstaltung im Brauhaus Südstern war so gut besucht, dass ein Teil der Gäste stehen musste. Da sage noch einer, Berlin sei ganz an die unpolitische Comedy gefallen.

    Wobei diese aber einen guten Stand hat. Nicht nur, dass zum Herbst die üblichen Verdächtigen fast sämtlich mit neuen Programmen auf der Bühne stehen: Cindy aus Marzahn, gerade mit dem deutschen Comedypreis ausgezeichnet, legt mit „Nicht jeder Prinz kommt uff’m Pferd“ los. René Mariks neues Werk heißt „KasperPop“. Malediva gehen nicht nur mit ihrem neuen, bei der Premiere im Herbst wild bejubelten Programm „Die fetten Jahre“ auf Tour, sondern spielen im Dezember jahreszeitenbedingt auch wieder ihre beliebte Weihnachtsshow „Lebkuchen“, in der  sie auf vielfachen Wunsch erklären, was Weihnachten wirklich bedeutet. Und sie feiern es: mit Lebkuchen und selbstgemachten Hackkugeln mit Original Bautzener Senf und man hört immer wieder gern, wie die drei Jungs aus O Tannenbaum ein kubanisches Salsachanson machen. Derweil ernannte sich Fil für seine neue Show zur „Stimme Berlins“. Gayle Tufts legte mit dem Titel „Everybody’s Showgirl“ nach. So überschreibt sie ihre neue Show, die Anfang 2010 im Admiralspalast Premiere haben wird. Und pünktlich zum Start des neuen Computerbetriebssystems Windows 7 stellte Thomas Pigor sein neues Schmählied vor – und auf YouTube: „Rache für die gebrochenen Versprechen von IT!“ Zitat: „Ich will kein neues Betriebssystem, wenn das alte noch geht! Diese permanente Nötigung zur Neuerung. Zur Zwangsbescheuerung.“ Etwas besorgt muss man sich bei der Rundumschau der Berliner Künstler nur fragen, was mit Cora Frost los ist. Zwar hat sie beim Stuttgarter Chansonwettbewerb im Oktober den 3. Preis bekommen. Aber die Worte, mit denen sie auf ihrer MySpace-Seite um Zuschauer für die Wiederaufnahme ihres Best-Of-Programms in der Bar jeder Vernunft warb, sind düster: „Nur tote Chansonetten sind gute Chansonetten“ und „Wer weiß, wie lange das noch klebt“. Es wird doch wohl nichts Ernstes sein?

    Dann gibt es noch von einem Jubiläum zu berichten: Während am 9. November die ganze Welt den Fall einer Mauer bejubelte, feierte die Scheinbar auf den Tag genau ihren 25. Geburtstag. Kaum ein Berliner Comedian und Kabarettist, der nicht auf der legendären Open Stage der Scheinbar seine ersten Schritte gemacht hat: Kurt Krömer, Otto Kuhnle, Fil, Sebastian Krämer, Bodo Wartke, Cloozy sind nur einige davon. Viele der Großen kommen noch heute regelmäßig zurück, um neue Nummern vor einem anspruchsvollen, aber immer begeisterungswilligen Publikum auszuprobieren. Ohne die Scheinbar wäre die Comedy-Szene in Deutschland definitiv eine andere. Wir gratulieren!

    Und wenn wir schon bei Legenden sind: Als ob er mit seinen Wühlmäusen nicht schon genug hätte, erweckte der offenbar unermüdliche Dieter Hallervorden eine weitere Bühne zu neuem Leben: das vor einigen Jahren sanft entschlafene Schlossparktheater in Steglitz. Auf der gutbürgerlichen Bühne will Didi nicht nur anspruchsvolles Unterhaltungstheater bieten, sondern auch Kleinkunst. Im Haupthaus fand im September zum 9. Mal das Kleinkunstfestival der Wühlmäuse statt. Gewonnen haben Simone Solga den Jury- und Lars Reichow den Publikumspreis. Herzlichen Glückwunsch auch von uns!

    Redaktion: Susann Sitzler

     

     

    Termine

    Mehringhoftheater:

    01.–10.01.: Jahresendzeitteam (Horst Evers, Bov Bjerg, Manfred Maurenbrecher): Kabarettistischer Jahresrückblick (Lese-Comedy)

    17.–20.02.: Lars Reichow: Der Unterhaltungskanzler (Kabarett)

     

    Wühlmäuse:

    02.–28.02.: Martin Bucholz: Geh! Denken! (Kabarett)

    10.01.: Seibel & Wohlenberg: Jahresendabrechnung 2009 (Kabarett)

    17.01.: Kabarettbundesliga: Kabarettmeisterschaft (Matthias Brodowy vs. Wolfgang Trepper)

    31.01.: Horst Evers: Schwitzen ist, wenn Muskeln weinen (Lesekabarett)

     

    Quatsch Comedy Club:

    07.–10.01.: Club Mix mit Ludger K., Robert Louis Griesbach, Marc Breuer und Katrin Richter & Michael Zalejsky. Moderation: Desimo (Bunter Abend)

    08.01 + 05.02.: Cindy von Marzahn: Cindys Talentschmiede (Offene Bühne)

    14.–17.01.: Club Mix mit Roberto Capitoni, Astrid Gloria, Vicki Vomit und Peter Shub. Moderation: Ole Lehmann (Bunter Abend)

    21.–24.01.: Club Mix mit Erasmus Stein, Hans Gerzlich, Oliver Polak und Otto Kuhnle. Moderation: Matthias Seling (Bunter Abend)

    28.–31.01.: Club Mix mit Philip Simon, Andreas Spider Krenzke, Serhat Dogan, Lutz von Rosenberg Lipinsky. Moderation: Emmy und Herr Willnowsky (Bunter Abend)

    AdNr:1090

     

     


    2009-12-15 | Nr. 65 | Weitere Artikel von: Susann Sitzler