Politische Themen schwappen wie ein Tsunami übers Land …
„7 x Satire bis Weihnachten“ heißt die Ankündigung im Oldenburger UNIKUM.
Dort packen gleich zwei aus: Martina Ottmann ist eine Frau mit scharfsinniger Weltbetrachtung. Respektlos und mit herrlich schrägen Liedern entführt sie uns nach Absurdistan und hat neben Schäuble, Stoiber und Merkel die Frauen der Paris-Hilton-Klasse zu ihren Lieblingsfeindinnen erklärt.
Und Uli Masuth sieht den Kampf der Geschlechter als entschieden an. Frauen sind Kanzler, Fußballweltmeister und Bischof. Männer dagegen sind fraubestimmt, totalenthaart und profillos. Die fatalen Folgen dieser Ex-Mannzipation zeigt Masuth auf – authentisch und ohne platte Witze, angenehm intellektuell unterhaltend. Jess Jochimsen & Sascha Bendiks lassen es „weh tun“, Marcus Jeroch, der Kändler Wortakrobat, lässt alle „Höher hören“. Im „Lobbyland“ hört man die Buschtrommeln und Luise Kinseher stellt das „Hotel Freiheit“ vor.
Der Güterschuppen in Westerstede hat dieses Mal sein Programm an einen völlig anderen Ort verlegt. Der Kursaal im Nordseebad Dangast (danach das *KO*-Kulturzentrum Ofenerdiek in Oldenburg) war Spielort des Kinoklassikers „Casablanca“, jedoch nur als verbale Kulisse, denn hinter dem phonetischen Gleichklang „Kassa blanka“ bot die Leipziger Pfeffermühle ein Programm voller Anspielungen auf aktuelle Themen. Früher war Deutschland ein reiches Land, heute gehört es den wenigen Reichen. Der Staat ist in den Miesen. Oben kreist nicht mehr der Bundesadler, sondern der Pleitegeier. In der eigenen Kasse des Bürgers sieht es nicht anders aus, auch hier totale Schwindsucht. Eben „Kassa blanka“ auf der ganzen Linie.
Das 1954 in Leipzig gegründete Kabarett, das sich als politisches Ensemble etablierte, war eine städtische Einrichtung der Stadt Leipzig. Es feiert in diesem Jahr sein 55-jähriges Bestehen. Mit seinem Namensvetter, dem 1933 in München gegründeten legendären politischen Kabarett Die Pfeffermühle, hat die Leipziger Pfeffermühle wenig zu tun, obgleich 1956 nach dem Ungarnaufstand auch die Leipziger Pfeffermühle mit ihrem damaligen Programm „Rührt Euch!“ Probleme mit der SED hatte. Conrad Reinhard, zu dieser Zeit Leiter der Leipziger Pfeffermühle, ging daraufhin nach West-Berlin. Das von Erika und Klaus Mann sowie Therese Giese gegründete Kabarett Die Pfeffermühle musste 1933, wenige Wochen nach den ersten Auftritten, vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. Im Züricher Hotel Hirschen nahm die Pfeffermühle als Exilkabarett im September 1933 den Spielbetrieb wieder auf. Nach der Wende war die Leipziger Pfeffermühle eines der ersten ostdeutschen Kabaretts, die mit Herz und Elan in ganz Deutschland auftraten.
Jens Neutag, der junge Polit-Kabarettist, frisch und lebendig, sensibel und direkt, streikt. Hier stimmte das Timing, die Pointen halten auch bei veränderter politischer Wetterlage. Hier ist alles drin, was sein muss, um als Politkabarett zu bestehen. Moderat, schnell, mit eingestreuten Parodien wird bei ihm Politik seziert. Nach Jahren der großen Koalition ist Selbstmitleid einmal wieder das Lieblingshobby der Deutschen. Was uns fehlt, ist eine Streik- und Streitkultur. „Streik ist geil!“, so heißt demnach auch das aktuelle Programm von Jens Neutag. Das Ausland ist uns voraus: Die Franzosen machen aus ihren Vororten über Nacht offene Feuerstellen, während die Italiener gefühlt alle zwei Tage zum Generalstreik aufrufen. Nur der Deutsche sagt sich: „Nee, das ist nicht schön“, lackiert seinen Carport und liest freiwillig Peter Hahne. Und das gilt es zu ändern. „Wehren Sie sich, Wehren lohnt sich!“, das sagt Jens Neutag aus tiefer Überzeugung. Und natürlich, weil Streiken seinem Naturell auch irgendwie entgegenkommt. Wir brauchen eine neue Streitkultur! Kurzum: Streik ist geil! Neutags Wortschatz ist seine Waffe und ihr entkommt niemand.
Wie alle Jahre fanden auch diesmal wieder im Wilhelmshavener Pumpwerk das inzwischen 15. Festival der Kleinkunst und im Bremerhavener CAPITOL die bereits 14. SATIRICA statt, beides überregionale Festivals mit den Highlights der Creme des deutschen Kabaretts.
Mal sehen, was daraus im nächsten Jahr wird.
Redaktion: Klaus Groh
Oldenburg
30.01. Bidla Buh, „Die Männer sind die Liebe wert“, Burg Uhlenhorst
23.03. Trude träumt von Afrika, Kulturzentrum Ofenerdiek
Bremerhaven
22.01. Bernd Regenauer, „Selten so gelacht“, Capitol
19.02. Claus v. Wagner, „Drei Sekunden Gegenwart“, Capitol
Schortens
29.12. Dr. Stratmann, „Kunstfehler“, Bürgerhaus
13.03. Kabarett im Dreierpack, Bürgerhaus
20.03. Ingo Oschmann, „Es ist soweit!“, Bürgerhaus
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