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    Was wird aus dem Hansa-Theater?

    „Schock! Hansa-Theater am Ende„ - So schrie es von Seite 1 der Hamburger „Bild„-Zeitung am 5. Juni dieses Jahres, rund eine Woche nachdem alle 65 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die fristgerechte Kündigung zum 31. Dezember 2001 erhalten hatten. Zurückgehende Besucherzahlen aufgrund der Drogen- und Straßenprositutionsszene in Hansa-Nähe und verschlechterte Abschreibungsmöglichkeiten der so entstehenden Verluste werden von der Varietédirektion (Telse Grell, Ehepaar Baldermann) für diese schmerzliche Maßnahme verantwortlich gemacht. Die nachpfingstliche Hiobsbotschaft führte zu großem Medieninteresse; sogar die „Tagesschau„ der ARD widmete sich der drohenden Schließung, Hamburger Politiker wie die Kultursenatorin Dr. Weiss zeigten sich interessiert und gesprächsbereit, in benachbarten Geschäften wurden gar (ohne unbedingte Zustimmung des Hansa-Theaters) Unterschriften gegen die Schließung gesammelt.

    Am 18. Juni kam es dann tatsächlich zu einem Gespräch zwischen Kultursenatorin, Telse Grell und Peter Baldermann. Die Entwicklung der Besucherzahlen wurde dabei ebenso diskutiert wie das Marketing-Konzept des Hansa-Theaters ... und natürlich Lösungs-, sprich Rettungsmöglichkeiten wie ein Stiftungsmodell, verändertes Marketing und verstärkte Zusammenarbeit mit der Hamburger Tourismus-Zentrale, um die Hamburgensie Hansa-Theater bundesweit zu vermarkten. Weitere Gespräche folg(t)en; so besteht durchaus noch Hoffnung, das Hansa zu erhalten, auch wenn bis Redaktionsschluss noch keine konkreten, positiven Beschlüsse verkündet werden konnten. 

    Wenn also die Spielzeit 2000/2001 mit ihren zehn Monatsprogrammen (604 Vorstellungen)  schon kein geschäftlicher Erfolg war (ebensowenig wie ihre Vorgängerinnen), so aber auf jeden Fall ein künstlerischer, denn insgesamt 111 Darbietungen waren verpflichtet worden, präsentiert von 178 Künstlern (68 Damen, 110 Herren) aus 25 Ländern. Nach wie vor gilt: Derart respektable Zahlen bei moderaten Eintrittspreisen werden von keinem anderen Varieté erzielt. Von den 111 Nummern standen 33 erstmals auf der legendären Bühne am Steindamm 17, darunter viele junge Artisten - jugendlicher Beleg dafür, dass das Hansa trotz seiner 107 Jahre und mancher Pudeldressur modernen artistischen Tendenzen gegenüber durchaus offen ist. Heute wollen wir einige dieser Erstengagements ins „Trottoir„-Scheinwerferlicht rücken, und vor allem der Juni 2001 war mit sechs „Premieren„ sehr ergiebig!

    Drei dieser Darbietungen sind frischgebackene Absolventen von Artistenschulen, so die Cycling Triss mit leistungsstarkem, spannendem Repertoire auf Einrädern unterschiedlichster Größe. Sechs-Keulen-Jonglage im Zwei-Mann-Hoch zu Einrad, Kopf-auf-Kopf, Hürdenspringen per sattellosem „Nur-Einrad„ beweisen, dass Jens (21), Erik und Peter (beide 19) eine fundierte Ausbildung erhalten haben, nämlich im schwedischen Ludvika Young Star Circus von Ola & Barbro Nordström, die schon viele (Fahrrad-)Darbietungen ausgebildet haben, nicht nur die Wheelies.

    Das Duo Cook alias Mario (24) und Uwe (23) stammt von der Berliner Artistenschule und beeindruckt in küchenmäßigen und dennoch muskulösen Kochkostümen mit Cascaden und Salti par terre und vom Schleuderbrett aus. Interessante Ideen, deren Rahmenhandlung sicher noch erweitert werden könnte. Mitschülerin von ihnen war die 19-jährige Martina Ament, (einarmige) Handständen mit kontorsionistischen Einlagen wie Spagat im Einarmer. Sie mutiert gar zu einem „lebenden Fragezeichen„. Viele Fragezeichen ruft der „Mind Artist„ Jan Becker hervor, wenn er zum Beispiel Daten, Namen und Ereignisse aus dem Leben ausgewählter Zuschauer errät. Natürlich ist ein Trick dabei, aber welcher? Von Tricks leben auch die Großillusionen des Duo Luis aus Italien; vor allem ihre mit Twister und Armdurchdringung kombinierbare Zickzackkiste zeigt, dass Luigi und Lorella prinzipiell Bekanntes in ein neues Gewand stecken können (sich selber auch, denn wie neuerdings so viele Zauberer haben auch sie Kostümtricks im Gepäck).

    Und dann erlebte das Hansa im Juni gar eine Genre-Premiere, denn erstmals wurde hier ein Rhönrad in Schwung gebracht - sehr variantenreich sogar von Mari & Alex Krot aus der Ukraine, wobei das wuchtige Rad mit den grazilen Bewegungen der sich ganz als Primaballerina gebenden hochgewachsenen Mari kontrastierte. Im September sind sie auch dabei, und nun wird ihr Rhönrad als „Western Act„ angekündigt.

    Natürlich überraschten auch die anderen Monate mit interessanten Erstengagements; einige wurden im letzten „Trottoir„-Bericht gewürdigt, an andere denken wir nun gerne zurück wie zum Beispiel an die „Sonderlinge„ (November, und im September 2001 re-engagiert), drei in der ehemaligen Sowjetunion geborene Clowns aus Israel mit Jonglerie und Steptanz, mit ideenreicher Schmetterlingsjagd und originellen Nanaischen Spielen. Originell ist sicher auch das Stichwort für den exzentrischen, weil klavierspielenden Balljongleur Dominik Selugga (April), für Maritas afrikanisch gestylte Antipodenspiele (Mai), für den Zauberer Jorgos Katsaros (April), der seine eigene Größe ebenso variieren kann wie die seiner Waagen und Gewichte, für das ghanaische Trio Ndux Malax (März), für ..., für ..., für ... Zuviele, um sie alle hier zu nennen - am besten selber hingehen, und das noch hoffentlich über den Silvester-Abend hinaus!

    Am 1. September hat jedenfalls die „Saison 2001/2002?„ begonnen, wie die monatliche Vorschau überschrieben ist, mit bekannten Gesichtern (zum Beispiel Duo Palmas' Hula-Hoop alias Andrea Palmas am Trapez, Satoris Telepathie), mit Tauben (Picards), Seifenblasen (Thalie Fantasy) und Marionetten (Frank Mumford), mit zwei Erstengagements (Ballet Sol de Espana, Equilibristik von ArcAdiA) und mit einem sicher spannenden Wiedersehen, denn die Original Allisons präsentierten ihre ikarischen Spiele vor genau 14 Jahren zuletzt im Hansa-Theater.                                       

     

    2001-09-15 | Nr. 32 |